Der bedeutende Strich in der Landschaft
Die Schweiz hat ihr Gesuch an die UNESCO, die Glarner Hauptüberschiebung als Weltnaturerbe anzuerkennen, zurückgezogen.
Die Glarner Hauptüberschiebung war der Schlüssel, um den Deckenbau der Alpen zu verstehen.
Die Glarner Hauptüberschiebung zieht sich kilometerweit durch die Berge der Ostschweiz und ist von weither als klare Linie erkennbar. Mehr als 35 Kilometer weit wurde hier älteres Gestein über jüngeres geschoben. Arnold Escher hat dies 1841 als erster erkannt.
Unglaubliche Theorie
Der Zürcher Geologe hatte die Glarner Alpen entlang der markanten Linie intensiv erforscht und als erster von einer Überschiebung gesprochen. Doch es dauerte noch mehr als ein halbes Jahrhundert, bis sich die Theorie durchsetzte.
Letztendlich war sie aber der Schlüssel zum Verständnis des Alpenbaus. «Die Theorie der Gebirgsbildung wurde wesentlich dadurch beeinflusst, dass man solche Überschiebungen erkannte», betont Rudolf Trümpy, emeritierter Zürcher Geologieprofessor.
UNESCO-Kandidatur
Letztes Jahr hat der Bundesrat, die Schweizer Regierung, bei der UNESCO das Gesuch eingereicht, die Glarner Hauptüberschiebung in die Liste der Weltnaturerbe aufzunehmen. Die wissenschaftshistorische Bedeutung ist dabei eines der Hauptargumente.
Bevor die UNESCO entscheidet, wird eine Kandidatur wissenschaftlich abgeklärt. Damit beauftragt ist die IUCN, «The World Conservation Union» mit Sitz im waadtländischen Gland.
Risiko oder neuer Anlauf?
Ihr Bericht, den die Schweizer Gremien im Voraus erhalten haben, empfiehlt nun aber die Glarner Hauptüberschiebung zur Ablehnung. Stefan Schmid, Vorsteher des Geologischen Instituts in Basel ist erstaunt: «Ich bin mir nicht sicher, ob sich die beurteilenden Experten wirklich im Klaren waren, wie absolut einmalig diese Überschiebung ist.»
Nun hat das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) die Kandidatur zurückgezogen. Grund war die negative Empfehlung an die UNESCO, wie das BUWAL mitteilte.
Damit kann allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt erneut ein Gesuch gestellt werden.
Ein wenig Selbstkritik
In ihrem Bericht kamen die Experten zum Schluss, dass die Glarner Überschiebung nicht derart einmalig sei, dass sich die Aufnahme rechtfertige. Es gäbe noch andere bedeutende Überschiebungen. Doch für Adrian Pfiffner ist klar, dass sie zu den bedeutendsten geologischen Stellen überhaupt zählt. «Im Rahmen der geologischen Schlüsselstellen hat die Glarner Hauptüberschiebung einen Medaillenplatz.»
Der Berner Geologieprofessor und Präsident des wissenschaftlichen Beirates für die UNESCO-Kandidatur übt aber auch Selbstkritik. «Vielleicht haben wir die Einmaligkeit des Objektes im Bewerbungs-Dossier zuwenig deutlich klar gemacht.»
Mekka der Geologie
Die Glarner Hauptüberschiebung ist für viele geologisch Interessierte ein «Must». Eine Stelle ist besonders bekannt, die Lochsite bei Schwanden. Dort hat man die Überschiebung auf Augenhöhe vor sich.
Für das Naturhistorische Museum von New York war die Stelle so bedeutend, dass vor einigen Jahren Spezialisten hingeschickt wurden, um einen Abdruck von der Stelle zu machen, der in New York dann originalgetreu nachgebaut und ausgestellt wurde.
Aktuelle Forschung
Auffällig ist entlang der Überschiebung ein helles Band mit dem so genannten Lochsitenkalk. Er ist stark verfältelt. Dieser Kalk hat offenbar als eine Art Schmiermittel für die Überschiebung gedient. Doch wie das im Detail vor sich ging, weiss man noch nicht genau.
Dafür wird nun die Mikrostruktur dieses Gesteins untersucht. Ausserdem fragen sich die Geologen, ob und in welcher Weise Wasser eine Rolle gespielt hat und woher es gekommen sein könnte.
Es scheint, dass zumindest ein Teil des Lochsitenkalkes erst während der Überschiebung gebildet worden ist, und das geht nur mit Wasser.
Ausflüge in die Erdgeschichte
Die Glarner Hauptüberschiebung ist Teil des GeoPark Sarganserland-Walensee-Glarnerland. Er umfasst eine Fläche von fast 1300 Quadratkilometern und vernetzt rund drei Dutzend geologische Sehenswürdigkeiten.
Die Glarner Hauptüberschiebung ist das zentrale Element. Besonders schön zu sehen ist sie an den Tschingelhörnern zwischen Elm (GL) und Flims (GR) oder am Foostock im Weisstannental (SG).
Jungfrau und Berg der Saurier
In der Schweiz gibt es bisher zwei Objekte, die als Weltnaturerbe in die Liste der UNESCO aufgenommen worden sind: Das Gebiet Aletsch-Jungfrau-Bietschhorn mit Eiger, Mönch und Jungfrau und der Monte San Giorgio im Tessin, der Berg der Saurier, eine weltberühmte Fundstelle für Fischsaurier.
swissinfo, Antoinette Schwab
Der Schweizer Geologe Arnold Escher hat entdeckt, dass entlang einer markanten Linie in den Glarner Alpen ältere Gesteine auf jüngeren lagen.
1841 sprach er erstmals von einer Überschiebung. Dies war der Schlüssel zum Verständis des Deckenbaus der Alpen.
Die Glarner Überschiebung liegt im Grenzgebiet von Glarus, Graubünden und St. Gallen.
Der Bundesrat hat 2004 die UNESCO ersucht, die Glarner Hauptüberschiebung in die Liste der Weltnaturerbe aufzunehmen.
Im Juli sollte das Gesuch behandelt werden.
Ein Expertenbericht der UNESCO empfiehlt das Objekt zur Ablehnung, weil es noch andere bedeutende(re) Überschiebungen gäbe.
Nun hat die Schweiz das Gesuch zurückgezogen.
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