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Der dritte Weg in der Gentechnologie

Werden auf dem Markt schon bald ökoverträgliche Gentech-Äpfel angeboten? Keystone

Gentech-Pflanzen werden in der Schweiz rundweg abgelehnt. Ein Schweizer Apfelforscher hat eine Methode entwickelt, die nur Vorteile bringe und erst noch ökoverträglich sei, sagt er.

Im zweiten Kellergeschoss eines Forschungslabors in Zürich, in einem gut verschlossenen Wärmeschrank, spriessen die verheissungsvollen Pflänzchen schon in kleinen Petrischalen: Schorfresistente Apfelbäume, die gentechnisch hergestellt und trotzdem biozertifizierbar sein könnten.

«In neun Monaten könnte ich mit Feldversuchen starten», sagt Cesare Gessler, Professor für Integrative Biologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und Leiter des ambitiösen Projekts. «Realistischer ist aber ein Versuchsbeginn im Herbst 2009.»

Die grüne Gentechnologie, also die Gentechnik zur Verbesserung von Nutzpflanzen, ist stark umstritten.

Nur arteigene Gene

Im Biolandbau der Schweiz sind gentechnisch veränderte Pflanzen radikal verboten. Doch Gesslers Versuche könnten so etwas wie der dritte Weg in der Gentechnologie sein, weil seine Pflänzchen nur arteigene Gene enthalten. Gessler nennt sie cisgene Pflanzen (lat. cis = diesseits), dies in Abgrenzung zu den transgenen (lat.: trans = jenseits) Organismen, in die artfremde Gene eingepflanzt werden.

Auch der Schweizerische Nationalfonds unterstützt das Projekt mit fast einer halben Million Franken, weil «diese neue Art der genetischen Veränderung viele Probleme eliminiert.»

Kampf gegen Apfelschorf

Apfelschorf ist die schlimmste Pilzkrankheit in hiesigen Obstgärten und würde unbehandelt zu hohen Ertragsausfällen führen. Der Einsatz von potenten Pflanzenschutzmitteln, im Falle von Schorf sind dies Fungizide, ist unabdingbar.

Seit einigen Jahren bedroht zudem jede Saison eine Feuerbrand-Epidemie die Anlagen. Deshalb besteht grosser Bedarf für resistente Apfelsorten, die entweder durch klassische Züchtung oder mit Hilfe gentechnologischer Methoden entwickelt werden können.

«Wir haben uns früh entschieden, dass wir keine transgenen Pflanzen herstellen wollen», sagt Cesare Gessler. In seinem Projekt hat er in Apfelpflanzen der Sorte Gala ein Schorf-Resistenzgen aus einer alten Wildapfel-Sorte eingebaut. «Unsere Pflanzen sind zwar auch gentechnisch verbessert, doch sie haben nichts anderes als Apfelgene.»

«Enfant terrrible»

Der 59-jährige Cesare Gessler ist das, was man das «Enfant terrible» der Gentechnik-Forschung nennen könnte. Er hat sich zum Beispiel stets für das Moratorium ausgesprochen, weil seiner Meinung nach die kommerzielle Anwendung von Gentech-Pflanzen noch nicht reif war.

Auch heute noch sieht er im Moratorium kein Problem, sondern einen Ansporn für noch mehr Forschung. Der gebürtige Tessiner benutzt die Gentechnologie aber auch, wenn es nötig ist. «Es ist falsch, wenn man die Technologie blindwütig in Bausch und Bogen verdammt. Wir müssen die Produkte beurteilen,» sagt Gessler.

Ablehnung gegen transgene Pflanzen

Bauern und Bevölkerung lehnen transgene Pflanzen ab, weil damit zumindest theoretisch gewisse Risiken verbunden sind. Zum Beispiel könnten Fremdgene in einer Pflanze Stoffe produzieren, die beim Menschen Allergien auslösen. Eine weitere Befürchtung ist ökologischer Art, nämlich dass durch die Auskreuzung ein Superunkraut entsteht.

Viele dieser Probleme sind obsolet, wenn arteigene Gene verwendet werden. Risiko Gesundheit: Da die Gene ja selber von einem Apfelbaum stammen, sind sie schon unzählige Male verspiesen worden. Risiko Auskreuzung: Die Gefahr einer schädlichen Auskreuzung auf andere Apfelbäume oder Wildarten ist gebannt, da die Resistenz-Gene ja schon Jahrhunderte lang verbreitet worden sind.

Bald möchte Gessler auch das Problem Feuerbrand angehen. «Beim Feuerbrand sind wir allerdings noch nicht so weit wie beim Apfelschorf», sagt er. «Es gibt zwar auch alte Apfelsorten, die resistent gegen Feuerbrand sind. Doch im Gegensatz zum Apfelschorf kann diese Widerstandskraft nicht eindeutig einem Gen zugeordnet werden.»

Weniger Gift

Gesslers Forschungen könnten die Schweizer Landwirtschaft einen grossen Schritt voranbringen, insbesondere den Biolandbau. Gerade im Obstbau bedeutet Bio alles andere als giftfrei. Während zum Beispiel Bauern, die nach Richtlinien der Vereinigung IP Suisse produzieren, je nach Sorte und Wetterverlauf 8- bis 10-mal pro Saison chemische Fungizide gegen Schorf in ihre Apfelanlagen sprühen, bringt auch ein Bioobst-Bauer bis 18-mal pro Saison Kupfer-Lösungen in seine Obstanlagen.

Kupfer ist ein wirksames anorganisches Fungizid, das im Biolandbau immer noch erlaubt ist, selbst wenn dieses Mittel in der Hilfsstoffliste von Biosuisse, der Vereinigung Schweizer Biolandbau-Organisationen, als gesundheitsgefährdend und umweltschädlich bezeichnet wird. «Mit unserer schorfresistenten Apfelsorte könnten rund 8 Spritzgänge pro Saison eingespart werden», sagt Gessler. «Das ist eine sehr hohe Erfolgsquote.»

swissinfo, Matthias Meili

Apfelschorf ist eine Pilzkrankheit, die olivgrüne Flecken auf Blättern und Früchten hinterlässt. Der Pilz Venturia inaequalis überwintert auf abgestorbenen Blättern oder an den Ästen von befallenen Bäumen.

Ende März bis Ende Mai keimen bei Regen so genannte Ascosporen (Wintersporen) aus, die neue Bäume infizieren können.

Schorfige Früchte könnten eigentlich gefahrlos verzehrt werden, doch am Markt herrscht Nulltoleranz: Ein einziger Fleck bedeutet, dass der Apfel unverkäuflich ist.

Der beliebte Golden Delicious ist besonders anfällig. Andere Sorten wie Elstar sind weniger gefährdet. Es gibt auch resistente Züchtungen wie Topaz.

Ein leichter Schorfbefall, etwa im Garten, kann ohne Spritzmittel bekämpft werden, indem das infizierte Laub im Spätherbst konsequent aufgesammelt und vernichtet wird.

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