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Der Frühling kommt: Ein Trauma für Allergiker

Der Leidensweg vieler Allergiker beginnt mit blühenden Haselnusssträuchern. swissinfo.ch

Dem Frühling sehen mehr als eine Million Menschen in der Schweiz nicht mit Freude entgegen. Denn er bedeutet für sie Pollenflug. Und damit Allergien.

Laut Experten werden wegen des Klimawandels Heuschnupfen, Asthma und Nesselfieber voraussichtlich das ganze Jahr dauern.

Die Statistiken sprechen Klartext: Mehr als eine Million Personen in der Schweiz leiden unter Pollenallergien. Dies entspricht 15 bis 20 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Daten gehen aus zwei wichtigen nationalen, epidemiologischen Studien hervor (SAPALDIA UND SCARPOL).

Die Situation ist in Bezug auf alle Formen von Allergien noch dramatischer. Gemäss der genannten Studien sind 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung atopisch vorbelastet. Mit anderen Worten: Sie besitzen eine Disposition für Allergien.

Jeder siebte Schweizer hat Pollenallergie



Wie in fast allen westlichen Ländern ist auch in der Schweiz der Pollenflug Hauptursache für Allergien. Im Laufe der Jahre hat sich der Anteil der Personen, die unter Pollenallergie leiden, stets erhöht. War 1926 nur eine Person auf 100 von dem Phänomen betroffen, ist es heute schon jede siebte Person.

Es gibt viele Erscheinungsformen von Allergien. «Bei atopischen Kindern äussert sich die Krankheit häufig zuerst in Lebensmittelallergien – nach dem Abstillen, wenn körperfremde Proteine aufgenommen werden», sagt der Allergologe Brunello Wüthrich, Emeritus an der Universität Zürich.

Häufig verschwinden diese Allergien bei Kleinkindern wieder. Dafür tauchen dann neue Störungen wie chronische Bindehaut- oder Nasenschleimhaut-Entzündungen auf. Auslöser können Haare von Haustieren, Hausstaubmilben oder Schimmelpilze sein.

Soziale Umwelt als Faktor



Auch Zigarettenrauch und die generelle Luftverschmutzung sind Gift für Allergiker. Sie können Entzündungen der Atemwege verursachen. Dadurch wiederum wird die Anfälligkeit für externe Allergene wie Pollen gefördert.

Erstaunlicherweise haben auch sozio-ökonomische Faktoren einen Einfluss auf Allergien. «Wir haben festgestellt, dass in sozial gut situierten Schichten der prozentuale Anteil von Personen, die unter Neurodermitis oder Heuschnupfen leiden, höher ist,» sagt Professor Wüthrich. In Familien mit vielen Kindern seien Allergien eher selten.

Auch der westliche Lebensstil hat offenbar einen Einfluss auf die Zunahme von Allergien. Faktoren wie Stress, Verkehr, Lärm und Fast-Food hinterlassen ihre Spuren.

Ganzjährige Pollenallergien?

Allergiefördernd ist offenbar auch die globale Erderwärmung als Folge des Treibhauseffekts. Die Durchschnittstemperatur ist innerhalb der letzten 30 Jahre um 1, 5 Grad gestiegen. Allergene Pflanzen wie die Haselnuss blühen immer früher.

«1969 blühte der Haselnussstrauch in Zürich erstmals am 17. März, inzwischen beginnt die Blüte häufig schon Anfang Februar», sagt Wüthrich.

Auch die von Allergikern gefürchteten Erlen und Birken blühen immer früher. Die Folge: Allergien machen sich immer früher bemerkbar und die Quantität der Pollen steigt ständig an. «Die Zahl der Erlenpollen ist heute drei bis vier Mal so hoch wie früher», führt Spezialist Wüthrich aus. Wenn es mit dieser Entwicklung in diesem Tempo weitergehe, könne der Pollenflug bald das ganze Jahr anhalten.

Schädliche Diesel-Motoren



Neben dem allgemeinen Temperaturanstieg machen sich weitere Umweltfaktoren negativ für Allergiker bemerkbar: Insbesondere die Luftverschmutzung durch Diesel-Motoren.

Die durch Abgase ausgestossenen Teilchen verstärken allergene Reaktionen von Patienten auf Pollen. Die Auswirkungen sind leicht vorstellbar.

«Aus diesem Grund war ich immer gegen die massive Einführung und Förderung von Diesel-Autos. Denn diese stellen für Allergiker ein zusätzliches Risiko dar», meint Wüthrich.

swissinfo, Fabio Mariani
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Jede siebte Person in der Schweiz leidet unter Allergien.
1926 litt nur jede 100. Person unter Allergien, 1958 war es bereits jede 20.
Ein Drittel der Bevölkerung ist atopisch vorbelastet und somit für Allergien prädisponiert.

Die Pollen-Saison beginnt in der Schweiz bereits im Januar und Februar mit der Blüte von Haselnusssträuchern und Erlen. Auf der Alpensüdseite kann der Pollenflug sogar schon im Dezember einsetzen.

Im März und April setzt der Pollenflug von zwei weiteren allergieauslösenden Bäumen ein: Esche und vor allem die Birke, die bei 8% der Schweizer Bevölkerung Atemwegsprobleme erzeugt.

Im Mai und Juli sind die Gramineen an der Reihe, die Heuschnupfen auslösen. 12% der Schweizer Bevölkerung leider inzwischen unter Heuschnupfen.

Im Juli und August werden die Pollen von Kräutern wie Beifuss und Wegerich vom Winde verweht. Etwa zur gleichen Zeit finden sich auch die Sporen der Schimmelpilze Alternaria und Cladosporium in der Luft.

Im Juli und September blühen je nach Region weitere allerlogene Gräser und Pflanzen, die saisonale Allergien auslösen können.

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