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Der Schweizer Kommunismus ist nicht tot

Wahlplakate der Partei der Arbeit in den frühen 50er-Jahren, ihrer Blütezeit. Keystone Archive

Die Partei der Arbeit (PdA) feiert am Wochenende in Bern ihren 60. Geburtstag.

Ende des 20. Jahrhundert wurde die Partei Opfer des historischen Scheiterns des Kommunismus. Heute sucht sie ihre Mitglieder vor allem bei jungen Globalisierungs-Gegnern und Frauen.

«Die PdA transportiert ein bestimmtes Gedankengut über die Zeit hinweg», sagt Kurt Imhof, Professor für Soziologie an der Uni Zürich, zur heutigen Bedeutung der Partei.

«Sie ist eine Art Zeitmaschine, die eine Weltanschauung ‹überwintert›, um damit in einer Krisenphase eine soziale Bewegung ideell zu alimentieren.» Die Geschichte der PdA sei exakt durch diese Funktion geprägt, so der Soziologe gegenüber swissinfo.

So hatten die Neuen Linken der 60er-Jahre, also die trotzkistischen und maoistischen Gruppen ebenso wie später die POCH ihre personellen Wurzeln in der PdA.

Von Konkordanzgerangel profitieren

Die heutigen Chancen der PdA sieht Imhof darin, dass sie selber wieder zu einer sozialen Bewegung werden könne, wie das in den Anfangsjahren der Fall gewesen sei.

«Das hängt aber ironischerweise sehr stark von der Konkordanz-Politik in der Schweiz ab, besonders von der Frage, wie weit sich die SP in die Mitte bewegt.» Tendiere diese tatsächlich dorthin, könnte die PdA eine Art Schweizer Version der PDS werden, so Imhof.

Spiegel der Schweiz

Für ihn ist die Partei deshalb interessant, weil sich entlang der PdA die gesamte Geschichte der Schweiz der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert spiegle. Eigentlich sei sie 83 Jahre alt, denn die kommunistische Partei der Schweiz (KPS) als direkte Vorläuferin der PdA sei 1921 gegründet worden. «Das 60jährige Jubiläum kann die Partei nur dank des KPS-Verbots des Bundesrates von 1940 feiern», so Imhof.

Klein, aber präsent

Heute zählt die PdA noch rund 1000 Mitglieder und fristet das Dasein einer Splitterpartei.

Diese ist aber dank markanten Einzelkämpfern mit populistischer Note immer noch auf dem politischen Parkett der Schweiz präsent. Die Farben des Kommunismus helvetischer Prägung vertreten Marianne Huguenin und Josef Zisyadis, beide aus dem Kanton Waadt, im Nationalrat, der Grossen Kammer des Schweizer Parlaments.

Elf weitere Mitglieder sind in Exekutiven in der Westschweiz und im Tessin vertreten.

Aus Anlass des 60. Geburtstags haben Parteimitglieder und -Sympathisanten am Wochenende zu einem Festanlass nach Bern eingeladen. Eine Ausstellung, ein Treffen von Gründungsmitgliedern und Diskussionsforen erinnern an eine Parteigeschichte, deren roter Faden das Engagement für bessere Lebensbedingungen der Arbeiterschaft ist.

Ausserhalb der Konkordanz

«Die PdA ist eine linke Oppositionspartei, welche die Konkordanz ablehnt und einen Wechsel des politischen Systems in der Schweiz anstrebt», sagt Josef Zisyadis zur heutigen Ausrichtung.

Sie sei traditionellerweise eine Partei des Volkes gewesen und habe in der Westschweiz, vor allem in Genf, am meisten Rückhalt gehabt, so Zysiadis.

Das Durchschnittsalter der Parteigenossen – die Genossinnen machen über die Hälfte aus – siedelt er bei 45 Jahren an. «Heute stossen aber auch Junge aus der Anti-Globalisierungs-Bewegung zu uns.»

Perspektiven vorhanden

Die PdA versteht sich heute als pluralistische Gruppe, die in der Überzeugung handelt, dass Fortschritte nur mit der Unterstützung von Gruppierungen mit ähnlichen Zielen erreicht werden können. Für ihren Präsidenten Alain Bringolf hat die PdA mehr denn je eine Daseinsberechtigung. Zukunftsperspektiven fehlten nicht.

Der Kapitalismus richte weiterhin Schäden an. Dieser Entwicklung müsse man sich entgegenstellen und dabei die ökologische Komponente mit einbeziehen, sagt Bringolf.

Wichtige Forderungen erfüllt

Ihre Postulate aus der Gründungszeit – vier Wochen Ferien für Arbeitnehmer, Schulpflicht bis zum 15. Altersjahr oder eine angemessene Altersvorsorge, die damals als «revolutionär» galten – gehören heute zu allgemein anerkannten Rechten. «Unsere Forderungen sind zumindest teilweise aufgenommen worden», freut sich daher Parteipräsident Alain Bringolf.

Ideologische Grabenkämpfe

«Die PdA feierte in den Jahren 1944 bis 46 als soziale Bewegung einen der rasantesten Siegeszüge, den eine Partei je in der Schweiz angetreten hat», streicht Imhof heraus. Und das auf allen drei Ebenen, also Bund, Kantonen und Gemeinden.

Danach habe aber die Eiszeit des Kalten Krieges rasch den Untergang eingeläutet. Der Ungarn-Aufstand von 1956 und der Bau der Berliner Mauer 1961 seien die entsprechenden Wegmarken. In der Folge habe sich die PdA stalinisiert.

Kritisch und selbstkritisch

Die Linksaussen-Gruppierung, die zu ihrem Geburtstag eine Broschüre mit dem Titel «Keine Zukunft ohne Vergangenheit» publiziert, gesteht selber gewisse Fehler ein. Die Ansichten der einstigen Revolutionäre haben sich verändert.

«Wir wissen nun, dass der Tag der Wende nicht kommt», schmunzelt PdA-Präsident Bringolf.

swissinfo

Die PdA wurde 1944 in Zürich gegründet.
Sie ging aus der Kommunistischen Partei der Schweiz hervor, welche 1940 vom Bundesrat verboten worden war.
Sie feierte 1944 bis 1946 grosse politische Erfolge.
Der Kalte Krieg bedeutete das Ende der PdA als grosse soziale Bewegung.
Heue sitzen Marianne Huguenin und Josef Zisyadis für die PdA im Nationalrat.

Die Bedeutung der PdA liegt in ihrer Funktion als «Zeitmaschine», die eine Weltanschauung «überwintert», um damit in einer Krisenphase eine soziale Bewegung ideell zu alimentieren.

Beispiel: die Neue Linke in der Schweiz der 60er-Jahre, als die studentischen Bewegungen ideell und personell aus den Zellen der PdA entstanden.

Heutige Chance der PdA wäre es, selber wieder zu einer sozialen Bewegung zu werden.

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