Die 5. Schweiz findet immer mehr Gefallen an Asien
Fast zwei Drittel der Auslandschweizer leben in der EU. Die jüngsten Zahlen des Departements für auswärtige Angelegenheiten zeigen aber auch, dass die so genannte 5. Schweiz in Asien stark gewachsen ist.
Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO), zieht seine Lehren daraus: Die Schweiz muss sich in der Region profilieren.
Die 5. Schweiz ist im Jahr 2006 um rund 10’800 Personen gewachsen. Das entspricht einem Wachstum von 1,5 bis 2% und liegt im Durchschnitt der letzten Jahre, wie Rudolf Wyder ausführt.
Ausgewandert sind im letzten Jahr rund 30’000 Schweizerinnen und Schweizer. Etwa 25’000 sind im gleichen Zeitraum wieder zurückgekehrt. Der Migrationsbeitrag liegt also lediglich bei 5000 Personen.
Bei den restlichen 5800 Personen handelt es sich um Geburten in den Auslandschweizer Familien (die Geburtenrate ist im Ausland höher als im Inland) sowie um Ehepartner von Auslandschweizern, die das Schweizer Bürgerrecht erwerben.
Die jüngsten Zahlen zeigen, dass Asien im letzten Jahr viele Schweizer und Schweizerinnen angezogen hat.
Nach China sind 2794 Personen ausgewandert, das sind 12,8% mehr als im Vorjahr. Die Zahl der nach Thailand emigrierten Schweizer hat sich um 10%, jene nach Singapur sogar um 21% (1703 Personen) erhöht. «Diese Schweizer Gemeinden sind relativ klein, wachsen aber stark», so Wyder.
Eine Erklärung dafür ist das starke wirtschaftliche Wachstum in diesen Ländern. Viele Schweizerinnen und Schweizer verbringen dort auch ihren Ruhestand. Sie profitieren vom milden Klima und vom niedrigeren Preisniveau.
Erst der Anfang
Für Rudolf Wyder ist die Attraktivität Singapurs und Chinas für Immigranten aus der Schweiz «ein politisches und wirtschaftliches Signal, und der Trend wird sich noch verstärken».
Die Schweiz müsse dort unten präsent sein und die Präsenz ihrer staatlichen Institutionen verstärken. «Vielleicht braucht es zusätzliche diplomatische Vertretungen.»
Angesichts dieser Zahlen müsse aber auch auf eine gewisse Selbstbezogenheit der Schweiz hingewiesen werden. «Die Bevölkerung muss sich bewusst werden, dass unser Land an der Globalisierung teil hat», so der Direktor der ASO.
«Wir denken zu wenig daran, dass wir stark von globalen Kontakten abhängen. In diese müssen wir investieren, um unseren Platz an der Sonne zu behalten, wirtschaftlich wie politisch. Das gilt auch für Europa.»
In Europa leben fast zwei Drittel der Schweizer Auslandgemeinde. 2006 sind ungefähr gleich viele Schweizer in ein europäisches Land gezogen wie zuvor.
Jung und weiblich
Afrika und Amerika dagegen haben an Attraktivität verloren. Wyder erklärt sich den Rückgang der Emigration in die USA damit, dass die Hürden für die Niederlassung dort heute höher sind als früher. Für Asien gilt genau das Gegenteil.
2006 verstärkte sich ein Trend, der seit gut zwanzig Jahren im Gang ist: Die Fünfte Schweiz wächst, und ihre kontinentale Verteilung verschiebt sich langsam von Afrika und den USA hin zu Asien.
«Die Auswanderung hat sich verändert», so Wyder. «Früher rechnete man damit, dass man nach der Auswanderung seine Familie vielleicht nie mehr wiedersehen würde. Mit den heutigen Verkehrsmitteln ist die Emigration viel einfacher. Zumindest psychologisch.»
Zwar fehlen wissenschaftliche Zahlen zur Untermauerung der Auswanderungsgründe. Der Direktor der ASO glaubt, dass Arbeitsmöglichkeiten oder eine gefühlsmässige Bindung oft eine wesentliche Rolle spielen.
Ganz allgemein ist die Fünfte Schweiz etwas jünger als die Schweiz selber – und vor allem ist sie weiblich (58,2% der Erwachsenen).
Nützliche Erfahrungen
Wer auswandern will, muss offen und flexibel sein. Darin zeigen sich die Schweizer besonders geschickt – sie integrieren sich recht leicht, und dank ihrer Fähigkeiten bringen sie es weit.
In einem Land, das Mühe hat, seine ausländische Bevölkerung zu integrieren, «könnten die Erfahrungen dieser Ausgewanderten nützlich sein im Hinblick auf die Integration der Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen», ist Wyder überzeugt.
Laut dem ASO-Direktor ist die politische Beteiligung der 5. Schweiz also zugleich «ein Trumpf und eine wichtige Informationsquelle für unser kleines Land».
Ihr Gewicht zeigt sich vor allem an der Urne. 2006 konnten 111’000 Auslandschweizer und -schweizerinnen (+ 6000) ihre politischen Rechte im Land wahrnehmen, da sie im Stimmrechtsregister einer Gemeinde eingeschrieben sind.
«Diese Zunahme ist im Hinblick auf die eidgenössischen Parlamentswahlen dieses Jahr besonders interessant», freut sich der Direktor der ASO, die an diesem Erfolg nicht unbeteiligt ist.
swissinfo, Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)
Ende Dezember 2006 lebten 645’010 Schweizer Staatsangehörige im Ausland.
Das entspricht gegenüber dem Vorjahr einer Zunahme von 10’794 Personen (1,7%).
Seit 2000 wuchs die Fünfte Schweiz um 11,1%.
460’065 der Ausgewanderten (71,3%) sind im Besitz einer Doppelbürgerschaft.
Die Mehrzahl der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, nämlich 390’182 oder 60.5%, leben in Ländern der Europäischen Union.
Die grösste Auslandschweizergemeinschaft befindet sich in Frankreich (171’732), gefolgt von Deutschland (72’384), Italien (47’012), Grossbritannien (27’326), Spanien (22’680) und Österreich (13’380).
Ausserhalb Europas leben die meisten Auslandschweizer in den USA (71’984), darauf folgen Kanada (36’374), Australien (21’291), Argentinien (15’061), Brasilien (13’956), Israel (12’011) und Südafrika (8’821).
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