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Die Schweiz bereitet sich auf Erdbebenkatstrophe vor

Die Erdbebenkatastrophe von Basel, aus der Sicht des Malers Karl Jauslin aus dem 19. Jahrhundert. Keystone

650 Jahre nach dem Beben von Basel wird in der Schweiz eine grosse Katastrophenübung durchgeführt. Man will lernen, adäquat auf starke Erdstösse zu reagieren.

Die Verantwortlichen hoffen, besser vorbereitet zu sein als die Basler am 18. Oktober 1356, als ein Beben der Stärke 6,5 weite Teile der Stadt zerstörte.

Die Rheintal 06 ist eine drei Tage dauernde Übung die von der Schweiz, Österreich und Liechtenstein gemeinsam durchgeführt wird.

Unter dem fiktiven Szenario, dass ein Erdbeben mit der Stärke 6,0 der Richterskala den Osten der Schweiz um 5 Uhr am Dienstag erschüttert hätte, mussten die drei Länder Katastrophenhilfe-Teams mobilisieren, um den 420’000 vom Beben betroffenen Menschen zu helfen. Weiter musste man sich mit den beschädigten Gebäuden und der zerstörten Infrastruktur auseinandersetzen.

Die Organisatoren sind überzeugt, dass diese Übung ihnen hilft, auf reale Vorkommnisse besser vorbereitet zu sein. Denn in der Schweiz sind Erbeben eine echte Bedrohung.

Gemäss dem Schweizerischen Erdbebendienst hat in den letzten 800 Jahren in der Schweiz die Erde mehr als 10’000 Mal gebebt. Rund ein halbes Dutzend Beben waren stärker als 6,0 auf der Richterskala. Man ist überzeugt, dass sich in unbestimmter Zukunft wieder ein grosses Beben ereignen wird.

«Es gibt eine Erdbeben-Gefahr im Rheintal, obwohl Basel und der Kanton Wallis gefährdeter sind» sagte Sven Bradke, Sprecher der Rheintal 06, gegenüber swissinfo. «In unserer Region ereignen sich jedes Jahr Erdbeben – aber nicht von der Stärke, die wir bei der Übung angenommen haben. Aber sie könnten passieren.»

Koordinierte Hilfe

Die Übungsvorbereitungen für Rheintal 06 dauerten über drei Jahre. Einbezogen sind mehr als 1200 Zivilschutzleistende, Mitarbeiter der Rettungsdienste und bewaffnete Kräfte. Sie kommen aus Liechtenstein, dem österreichischen Vorarlberg und aus den Kantonen St.Gallen und Appenzell Innerrhoden.

Gemäss Szenario mussten sich die Hilfskräfte mit den über 420’000 Menschen, die in den drei Ländern vom Beben betroffen wurden, auseinandersetzen. Laut Übungsannahme waren 12 von ihnen getötet worden, 1800 verletzt und weitere 250 Personen galten als vermisst. Weiter wären 170’000 Menschen vorübergehend obdachlos geworden.

Zudem wurde angenommen, dass das Beben zahlreiche Gebäude und andere Infrastrukturen wie Strassen, Brücken, Wasserversorgung, Elektrizität und Kommunikations-Netzwerke zerstört hätte.

Die Teams spielen die Katastrophe durch und versuchen möglichst koordiniert zusammenzuarbeiten, zu reagieren.

«Die Vorbereitung auf diese Übung hat uns viel über Erdbeben gelehrt und uns erlaubt, die Verfahrens-Prozeduren zu optimieren», sagte Bradke weiter.

«Weiter konnten wir Kontakte zu zahlreichen Menschen knüpfen, die in den Nachbarstaaten im selben Bereich arbeiten. Und sie hat uns ermöglicht, schneller zu arbeiten und nicht zu viel Zeit zu verschwenden – etwas, das in Katastrophensituationen unersetzlich ist.»

Das Basler Beben

Dass die Übung während der selben Woche stattfindet, in der sich das grosse Beben von Basel zum 650. Mal jährt, sei ein reiner Zufall, erklärt Bradke. Aber er ist überzeugt, dass ein Beben mit ähnlicher Starke auch heute in der Schweiz auftreten könnte.

Entsprechend den historischen Aufzeichnungen erschütterte am frühen Abend des 18. Oktobers 1356 ein erstes Erdbeben die Stadt Basel. Das zweite, intensivere, dessen Stärke auf 6,5 auf der Richterskala geschätzt wird, ereignete sich während der Nacht.

Zwischen 30 und 40 mittelalterliche Schlösser stürzten in der Erdbebenzone ein. Im Stadtzentrum breitete sich ein Feuer aus und man nimmt an, dass damals 300 Menschen umkamen.

Schweizer Experten schätzen, ein Erdbeben, ähnlich jenem von 1356, würde heute Schäden in der Höhe von 50 bis 80 Mrd. Franken verursachen. So sei ein starkes Erdbeben mit seinem grossen Schadens-Potenzial die gefährlichste Naturkatastrophe, die der Schweiz drohen könnte.

swissinfo, Simon Bradley
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

In Basel wird an einigen Anlässen des grossen Bebens vom 18. Oktober 1356 gedacht.

An einer Experten-Konferenz machen sich Geschäftsleute, Politiker und Vertreter von Versicherungen Gedanken, wie die Stadt in heutiger Zeit auf ein solches Ereignis reagieren sollte.

Im Basler Münster wird am Abend ein Gedenkgottesdienst abgehalten.

Die Bedrohung durch Erbeben wird in der Schweiz als mittel bis gemässigt eingestuft. Die gefährdetsten Bereiche sind das Wallis, Basel, das Rheintal zwischen St.Gallen und Graubünden.

Eingebettet im Herzen Europas liegt die Schweiz auf dem Rand der eurasischen tektonischen Platte. Ihr Rand, wo sich Friktionen mit der benachbarten afrikanischen Platte ergeben könnten, folgt der Alpenlinie.

Basel seinerseits befindet sich mitten in der so genannten Rhein-Riss-Senke, ein Graben in der Erdkruste, der sich vor 30 Mio. Jahren öffnete, als der eurasische Kontinent an einer von der Nordsee zur Schweiz verlaufenden Linie brach.

Experten befürchten auch, dass ein Erdbeben Flutwellen auslösen könnte, die von Erdrutschen in Seen und Stauseen verursacht werden könnten.

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