Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Die Schweiz den Kindern erklären

Elisabeth Alli. Sandro Mahler

Elisabeth Alli suchte ein Buch um ihren Kindern die Schweiz zu erklären. Gefunden hat sie es nicht – also hat sie es geschrieben.

Es ist aber auch für das kleine Mädchen, das «sehr schnell erwachsen werden musste», für die Schweizerin mit nigerianischen Wurzeln.

Warum nennt man die Schweizer auch Helvetier? Wie viele Kantone hat die Schweiz? Warum spricht man vier Sprachen im Land? Schweizerdeutsch, was ist das?

Ella, das Mädchen, und CH, der Hund führen die jungen Leser quer durchs Land um diese Fragen zu beantworten. Ein didaktischer und amüsanter Parcours erlaubt den Kleinen, die Schweiz zu entdecken (und den Grösseren, ihre Erinnerungen aus der Schule aufzufrischen).

«Die Schweiz in einem Buch: Sprachen und Kantone» ist als erste Ausgabe einer vierteiligen Serie auf den Markt gekommen.

«In der Tat suchte ich ein Buch, um meinen Kindern die Schweiz zu erklären. Ich habe in vielen Buchhandlungen danach gesucht. Offensichtlich gab es das nicht. Also, dachte ich, dann schreibe ich es halt selbst», erklärt Elisabeth Alli.

Die Journalistin und Regisseurin war sich zuerst nicht sicher. «Ich fragte mich, ob es wirklich an mir, der naturalisierten Schweizerin, sei, dieses Buch zu schreiben. Aber ich fühlte, dass ich das tun musste. Jeden Morgen musste ich beim Aufstehen daran denken. Schlussendlich habe ich damit begonnen.»

Die Sprache der Kindheit

Elisabeth Alli wurde im Tessin geboren. Ihre Eltern waren vor dem Bürgerkrieg in Biafra nach Europa geflüchtet. Sie mussten nach Lagos zurückkehren, als sie noch ein Kind war. Alli ist bei einer Pflegefamilie aufgewachsen.

«Wenn man als Sechsjährige erfährt, dass die Mutter nicht mehr zurückkehrt, wenn man nicht weiss, wo sie ist, ist die Kindheit zu Ende.» Deshalb hat Elisabeth Alli dieses Buch auch für jenes kleine Mädchen geschrieben, das so «extrem schnell, schnell erwachsen werden» musste.

«Ich habe das Buch in der Sprache der Kinder geschrieben. Das war nicht leicht, weil es die Sprache ist, die mir gefehlt hatte, als ich klein war. Dieses Buch widme ich meiner Gross-Pflegemutter. Wenn mir heute Buchhändler sagen, dass Grosseltern dieses Buch kaufen, bereitet mir das eine immense Freude.»

Verliebt in die Schweiz

Die kleine Elisabeth Alli tat alles, um sich in der Schweiz zu integrieren. Es war fast wie ein Zwang. «Ich wollte alles wissen, wollte so viele Informationen wie möglich über die Schweiz sammeln. Und ich machte es mit grösserer Sorgfalt als jemand, der nicht beweisen musste, dass er von hier ist.»

So wurde sie mit der Zeit schweizerischer als die Einheimischen. Sie spricht die grossen drei Landessprachen aber auch den Tessiner Dialekt. Und wenn sie von ihrer neuen Heimat spricht, dann mit viel Liebe.

«Meine Referenz war immer die Schweiz. Ich bin Nigerianern begegnet, die mir vorwarfen «auf Schweizerin» zu machen. Aber ich weiss es nicht anders.»

Öffnungskapazität

Wenn man Elisabeth Alli so zuhört, könnte der Eindruck entstehen, sie idealisiere die Schweiz. Und was ist mit der Intoleranz, dem Rassismus? Ist sie ihnen nie begegnet?

«Klar gibt es auch hier Rassismus und Vorurteile. Das ist normal, damit schützt man sich vor dem, was man nicht kennt. Aber es gibt doch einen kuriosen Unterschied: Er macht es möglich, Vorurteile zu bekämpfen und sich dem Anderen zu öffnen.» Das sei einmalig in der Schweiz.

«Hier werde ich nicht etikettiert mit Begriffen wie ‹Frau/schwarz/Akademikerin›. Die Leute haben die Fähigkeit, die Vielfalt zu integrieren und ihnen zu erlauben, sich schweizerisch zu fühlen. Deshalb habe ich diese Liebe zur Schweiz entwickelt. Denn hier sind die Menschen bereit, ihr Herz zu öffnen.»

swissinfo, Alexandra Richard
(Übertragung aus dem Französischen: Etienne Strebel)

«Die Schweiz in einem Buch: Sprachen und Kantone», 28 Seiten, Juni 2006

Herausgekommen ist es in Deutsch, Französisch und Italienisch

Autorin: Elisabeth Alli. Grafikerin: Jenny Leibundgut. Illustratorin: Simona Gobbi.

Drei weitere Titel sind Vorbereitung:
«Die Schweiz in einem Buch: Autobahnen und Eisenbahn»,
«Die Schweiz in einem Buch: Berge und Täler» und
«Die Schweiz in einem Buch: Seen und Flüsse».

Elisabeth Alli wurde am 15. April 1970 in Lugano im Tessin als Nigerianerin geboren.

Nach einer Handelsschule im Tessin erwarb sie ein Diplom in den USA. Nach ihrer Rückkehr studierte sie Soziologie, Anthropologie und Sozialwissenschaften.

Sie ist Journalistin und Regisseurin. Sie spricht die grossen drei Landessprachen plus Spanisch und Englisch sowie den Tessiner Dialekt.

Ihre Projekte haben oft eine Beziehung zur Kindheit. Kürzlich machte sie eine Doktorarbeit an der Universität Zürich zum Thema Kinder und Marketing.

Elisabeth Alli ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern.

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