Die Schweiz und Vietnam rücken näher zusammen
Bundespräsident Pascal Couchepin ist am Montag von Vietnams Staatspräsident Nguyen Minh Triet empfangen worden. Trotz der besorgniserregend hohen Inflationsrate gaben sich die beiden Staatsoberhäupter zuversichtlich, dass Vietnam wirtschaftliche Stabilität erreichen kann.
Erstmals hält sich ein Präsident der Eidgenossenschaft für einen offiziellen Staatsbesuch in Vietnam auf. Pascal Couchepin besuchte Vietnam bereits 2002, damals aber in seiner Funktion als Wirtschaftsminister.
Vietnam hat in den letzten 20 Jahren ein enormes Wirtschaftswachstum verzeichnet. Die mittleren Zuwachsraten des Bruttoinlandprodukts pro Jahr erreichten 7-8%. Reich ist das Land trotzdem nicht. Im Jahr 2007 erreichte das mittlere Jahreseinkommen pro Einwohner 800 Dollar (840 Franken).
«Die wirtschaftlichen und bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind sehr gut. Die Schweiz hat die wirtschaftliche Entwicklung Vietnams und den Kampf um Unabhängigkeit stets begleitet», erklärte Pascal Couchepin bei einer Medienkonferenz nach Abschluss der Gespräche im eleganten Präsidialpalast von Hanoi.
Der vietnamesische Staatspräsident Nguyen Minh Triet hatte seinen Schweizer Amtskollegen mit militärischen Ehren empfangen. Er lobte vor den Medien die ökonomische Zusammenarbeit und die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern in den unterschiedlichsten Bereichen: Vom Tourismus über die Finanzen bis zur Armutsbekämpfung im Rahmen der Entwicklungsarbeit.
Wissenschaft und Technologie
Die beiden Länder haben beschlossen, ihre Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung und Technologietransfer zu verstärken. «Es ist zudem notwendig, auch den Austausch von Professoren und Studenten zu intensivieren», betonte Pascal Couchepin.
Am zweiten Tag seines Staatsbesuchs wohnt Pascal Couchepin heute der Unterzeichnung von zwei wichtigen Kooperationsverträgen im Bereich der wissenschaftlichen Zusammenarbeit bei.
Der erste Vertrag wird zwischen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und dem Polytechnikum von Hanoi (University of technology) unterzeichnet; der zweite zwischen der Universität von Genf und der Staatsuniversität von Hanoi (National University).
Kampf der Inflation
Die Hauptsorge des südostasiatischen Landes bleibt allerdings die Inflation, welche im Juli eine Rate von 27% erreichte. Die steigenden Weltmarktpreise von Rohöl und Grundnahrungsmitteln (vor allem Reis) hatten in Vietnam besonders negative Auswirkungen für die Wirtschaft und die Kaufkraft der Einwohner.
«Wir haben unsere Schwachpunkte und unsere Fehler in der Wirtschaftspolitik erkannt. Und wir haben eine Reihe von Massnahmen eingeleitet, die sich positiv auf die Wirtschaft auswirken werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir die Schwierigkeiten überwinden werden», meinte der vietnamesische Staatspräsident.
Diese Massnahmen beinhalten eine restriktivere Geldpolitik, eine bessere Ausgabenkontrolle der öffentlichen Hand sowie gezielte Hilfen für die ärmste Bevölkerungsschicht. Damit hofft man, die Wirtschaft stabilisieren zu können.
«Ich bin zuversichtlich, dass die vietnamesische Regierung diese Konjunkturschwierigkeiten überwinden wird. Die beeindruckende Steigerung des Investitionsvolumens in den ersten Monaten 2008 ist ein positives Signal», so Pascal Couchepin.
Folgen der Klimaerwärmung
Mehr als die Wirtschaft sorgt den Schweizer Bundespräsidenten allerdings die Klimaerwärmung mit ihren möglichen Folgen für Vietnam. Dies gilt insbesondere für das Mekong-Delta im Südosten des Landes.
«Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Mekong-Delta dereinst ganz unter Wasser stehen wird. Dies wird Millionen von Menschen über einen Zeitraum von 50 Jahren zur Flucht zwingen. Entweder baut man neue Deiche, um das Vordringen des Wassers aufzuhalten, oder wir müssen Lösungen zur Aufnahme dieser Menschen vorbereiten», sagte der Schweizer Bundespräsident.
Das Mekong-Delta – benannt nach dem gleichnamigen Fluss – ist indes auch für die vietnamesische Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Fast die Hälfte der Reisfelder des Landes befindet sich in dieser Gegend. Ausserdem ist das Delta mit 20 Millionen Einwohnern (von 84 Millionen) die dicht besiedeltste Region Vietnams.
Entwicklungshilfe soll bleiben
Trotz dieser Probleme kann Vietnam mit gewissem Optimismus in die Zukunft schauen. Das Land hat viele junge Arbeitskräfte. 20% der Bevölkerung ist nicht älter als 30 Jahre.
«Vietnam hat ein ausserordentliches Entwicklungspotential, das die Aufmerksamkeit privater Investoren verdient. Es ist dennoch nötig, die Entwicklungshilfe auf gleichem Niveau zu halten, um insbesondere die durch den Klimawandel erzeugten Schäden angehen zu können», sagte Pascal Couchepin.
swissinfo, Andrea Arcidiacono, Hanoi
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
Am ersten Tag seiner Staatsvisite traf der Schweizer Staatspräsident Couchepin auch Premierminister Nguyen Tan Dung, Parlamentspräsident Nguyen Phu Trong sowie den Generalsekretär der Kommunistischen Partei Nong Duc Manh.
«Die Schweiz und ihr Präsident wurden wie Freunde empfangen», erklärte Couchepins Sprecher Jean-Marc Crevoisier. Vietnam dankte für die Entwicklungshilfe (100 Millionen Dollar, 104 Millionen Franken) und wünschte sich Investitionen in Forschung und Bildung.
Auch Wunsch des FDP-Magistraten Couchepin kam es auch zu einem Treffen mit dem inzwischen 97-jährigen Vo Nguyen Giap. General Vo – im Westen unter dem Namen General Giap bekannt – ist für die Vietnamesen ein Held.
Unter seinem Kommando war es den Viet-Minh-Truppen am 7. Mai 1954 nach 55 Tagen gelungen, die modern ausgerüstete französische Armee bei Dien Bien Phu zu schlagen und Vietnam von französischer Kolonialherrschaft zu befreien.
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