Direkte Demokratie und Sozialstaat – ein tolles Team?
Referat Carlo Knöpfel, Professor an der Hochschule für Soziale Arbeit Basel:
Das Schweizer Stimmvolk dürfte in zwei Jahren über die «Altersvorsorge 2020» abstimmen. Die Revision der Altersvorsorge bringt eine Art Autopiloten ins Spiel: Mit einem Ja können künftige Entscheide zur Sicherung der Altersvorsorge getroffen werden, ohne dass der Schritt vors Volk nötig wird. Konkret: Sinkt der Bestand des AHV-Fonds unter eine bestimmte Limite, wird das Rentenalter automatisch sukzessiv erhöht. Der Mechanismus dürfte ab 2030 greifen.
Das ergibt ein Dilemma der Demokratie: Aktuell dominieren die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer die Abstimmungen. Die Jüngeren dagegen, die von den Erhöhungen des Rentenalters durch den «Autopiloten» betroffen sein würden, nehmen weniger an Abstimmungen teil. Wollten sie Regelungen betreffend ihres Rentenalters beeinflussen, müssten sie heute mehr partizipieren.
Magdalena Waeber, #DearDemocracy
Das meinten zwei der 65 Teilnehmenden zu den Thesen von Carlo Knöpfel
Marlis Niggli (60), Sekundarschullehrerin
«Mich haben die Aussagen von Carlo Knöpfel bezüglich Demokratie und Abbau des Sozialstaates sehr nachdenklich gestimmt. Wie kann die Mitbestimmung der Jungen gestärkt werden und ihre Partizipation an Abstimmungen erhöht werden? Wie können die Bevölkerung und vor allem die Jungen sensibilisiert werden für ungute Entwicklungen wie bei den erwähnten ‹Autopiloten›?»
Saambavi Poopalapillai (20), Studentin Sozialarbeit und Volkswirtschaft an der Universität Freiburg
«Als Soziologie- und Wirtschaftsstudentin verstehe ich Carlo Knöpfel so, dass alles nur ein Kostenkalkül ist. Demokratie und Sozialstaat können gegeneinander wirken und alles wird nur von den Politikern entschieden. Ich setze mich mit dem wirtschaftlichen Gedankenstrom auseinander und frage mich, ob dies nicht auch kosteneffizient ist? Zum Beispiel hat Carlo Knöpfel gezeigt, dass der Euro-Mindestkurs aufgehoben wurde und das Volk nicht mitentscheiden konnte. Ich finde, genau das ist kosteneffizient. Es ist besser, wenn Experten entscheiden, die sich auskennen im Konjunkturzyklus und welche die wirtschaftliche Zukunft voraussehen können.»
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