Diese beiden Schweizer Forscher wollen Eis auf Kometen finden
Mit einem neuartigen Instrument hoffen zwei Astrophysiker von der Universität Bern, dem Geheimnis der Entstehung des Sonnensystems etwas näher zu kommen. Den Schlüssel dazu vermuten sie im Eis, das in der Staubschicht von Kometen vorkommen kann.
Es schüttelt und rüttelt gewaltig in einem kleinen Labor an der Universität Bern, wo Forschende jene Geräte testen, die sie später ins All spedieren wollen.
Auf dem Rütteltisch steht heute aber ein ausrangierter Homecomputer, den sie probehalber mal weit über das Limit strapazieren wollen. Am Ende fliegen Plastikteile durch den mit einer dicken Glasscheibe abgetrennten Raum – der Computer ist hinüber.
Im Nebenraum hat Nicolas Thomas die Szene durch ein Panzerglasfenster beobachtet. Der Professor für Experimentalphysik weiss, welche Kräfte auf Geräte und Menschen bei einem Raketenstart einwirken.
2016 war Thomas im russischen Baikonur dabei, als das Kamerasystem Cassis, an dem er massgeblich beteiligt war, mit einer Rakete ins All geschossen wurde.
«Ich war etwa vier, fünf Kilometer vom Startplatz entfernt. Aber Mann, war das ein Erlebnis. Dein ganzer Körper zittert, wenn das Ding hochgeht, und Du denkst: Das arme Instrument, es muss das überleben!»
Und nicht nur das: Nach dem holprigen Start gerät die Rakete in ein Vakuum, das Instrument muss den Schock beim Abtrennen des Raumschiffs von der Rakete überstehen und ist schliesslich im All starker Strahlung ausgesetzt.
Nun hat Thomas zusammen mit dem Astrophysik-Doktoranden Linus Stöckli ein neuartiges Instrument entwickelt, das die beiden bei einer Mission auf einem Kometen einsetzen möchten.
Damit erhoffen sie sich, Wassereis unter der Oberfläche zu entdeckenExterner Link. Dieses könnte etwas über die Entstehung des Sonnensystems verraten, als Eis und Staub zusammenkamen.
«Durch die Untersuchung der Oberfläche eines Kometen, zumindest der wenigen Zentimeter unter der eigentlichen Oberfläche, haben wir die Chance, den Entstehungsprozess des Sonnensystems wenigstens ein wenig einzugrenzen», sagt Thomas.
Weil Kometen sehr wahrscheinlich Überreste aus der Entstehung des Sonnensystems sind, bieten sie demnach einen Blick in die Zeit relativ kurz nach der Geburt der Sonne.
Unter anderem kann die Analyse des Wassereises Hinweise darauf geben, wie sich im frühen Sonnensystem Staub und Eis miteinander verbunden haben.
Dass eine Raumsonde auf einem Kometen landen kann, bewies im November 2014 die ESA-Mission RosettaExterner Link, an der die Universität Bern beteiligt war. Der Lander setzte damals auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko auf, wenn auch eher holprig.
Wie das Instrument funktioniert
Stöckli zeigt uns jetzt im Labor ein Gerät, das optisch einer Waschmaschine gleicht, in dem er mit einem im Handel erworbenen Spektrometer Messungen durchführt.
Hier versucht er, verschiedene Staub-Eis-Mischungen im Vakuum zu entschlüsseln und herauszufinden, wie genau das Wassereis und der Staub miteinander verbunden sind.
Die Frage ist: Kann Stöckli in den Messungen Staub von Eis unterscheiden? «Falls wir das schaffen, werden wir ein neues Instrument entwickeln, das wir ins All schicken können», sagt Stöckli.
Dafür ist ein handelsübliches Spektrometer nicht geeignet. Die beiden Astrophysiker müssten ein solches Instrument so klein und robust wie möglich bauen, damit es beispielsweise auf einen Lander passt und den Bedingungen im Weltraum standhält.
Das Instrument der Berner Forscher ist ein Terahertz-Spektrometer. Diese Technologie wird bisher für die Sicherheit an Flughäfen und für Hautuntersuchungen angewendet.
Für Weltrauminstrumente kam sie laut Thomas bisher aber nicht zum Einsatz. Die Idee dazu lieferte ein Kollege des Professors, der sich auf Laserphysik spezialisiert hat.
Bei der Terahertz-Spektrometrie handle es sich um einen neuen Wellenlängenbereich, der jetzt erst durch neue Technologien zugänglich sei, sagt Thomas.
Demnächst wollen die Forscher bei einem Experiment eine Antenne benutzen, um Photonen auszusenden. Diese werden entweder reflektiert – die realisierbarere Methode – oder durch eine Probe hindurchgeschickt.
Die Daten, die zurück zum Empfänger kommen, sollen schliesslich Aufschluss geben über die Zusammensetzung der ersten paar Zentimeter unter der Oberfläche eines Kometen.
Diese Schicht könnte möglicherweise Aufschluss über die Frühphase unseres Sonnensystems geben, sagt Carsten Güttler, Planetologe an der Universität Münster in Deutschland, der sich ebenfalls mit Thermophysik und Kometen beschäftigt.
Der Ansatz der Universität Bern sei «sehr vielversprechend», sagt Güttler. Er kennt das Projekt, ist aber nicht daran beteiligt. Güttler findet die Idee «besonders spannend, da mir keine derartige Instrumentierung im Bereich der Kometenforschung bekannt ist».
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Radar und Infrarot, zwischen denen sich die Terahertz-Wellenlängen einreihen, sind bereits auf Kometen zum Einsatz gekommen.
Radar bietet zwar eine bessere Durchdringung der Oberfläche, aber eine geringe Pixel-Auflösung der zurückgespiegelten Wellen. Und mit Infrarot, das eine gute Auflösung habe, dringt man nicht tief genug in den Untergrund.
Finanzierung vom Bund und der Europäischen Raumfahrtbehörde
Auch Thomas betont, dass die Terahertz-Spektroskopie eine völlig neue Technologie für die Raumfahrt sei. «Ich denke, das ist einer der Gründe, warum die Raumfahrtbehörden daran interessiert sind.»
Er habe es immer als Teil seiner Arbeit in der Weltraumforschung angesehen, über neue Instrumente nachzudenken und zu versuchen, neue Messungen durchzuführen, um Dinge über Planetenoberflächen herauszufinden.
Doch die Messungen im Labor, die einige Jahre dauern kann, müssten klare Resultate ergeben.
«Wenn man ein solches Gerät in eine Raumsonde einbauen will, muss man an alle Möglichkeiten gedacht haben, bei denen etwas Schlimmes passieren könnte», sagt Doktorand Stöckli.
Etwa, falls fehlerhafte Komponenten die Messungen stören und die Resultate verfälschen sollten. Denn einmal losgeschickt, kann nichts mehr korrigiert werden.
Das Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) unterstützt das Projekt derzeit mit 1,3 Millionen Franken für drei Jahre. Und die Europäische Weltraumorganisation ESA finanzierte die Anfangsphase mit 90’000 Euro.
Lange Erfahrung mit Instrumenten für die Raumfahrt
Thomas hat bereits mehrere Geräte mitentwickelt, die derzeit im All im Einsatz sind. Stolz zeigt er uns die Daten, die von der Marskamera Cassis via das Europäische Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt alle 15 Minuten auf sein Handy geliefert werden.
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Er sei ein regelrechter Datenjunkie, gibt der Professor zu. «Es ist ein echter Kick für mich, wenn ich die ersten Daten sehe, die von einem Instrument kommen, an dem ich mitgearbeitet habe.»
Thomas schätzt, dass das Instrument möglicherweise bei einer Mission in den frühen 2040er-Jahren zum Einsatz kommen könnte. Dann wird der Professor schon seit mehr als einem Jahrzehnt in Pension sein.
«Das ist ein sehr schwieriges Element bei der ganzen Sache, dass man an etwas arbeitet, das man vielleicht selbst nie sehen wird.» Aber so langsam ist der wissenschaftliche Prozess halt, es gehört zum Job dazu.
Die Möglichkeit, die Zukunft mitzugestalten, inspiriert Thomas. Das Instrument könnte zudem die Position der Schweiz in der internationalen Raumfahrtgemeinschaft stärken. Es sei gut, dass die Schweiz in diesem Bereich Führungsstärke demonstrieren würde, sagt Thomas.
Das stärke auch die Sichtbarkeit zum Beispiel gegenüber der Nasa, die auch stark an einer Zusammenarbeit mit der Schweiz interessiert sei. «Wir stellen ein Schweizer Fähnchen drauf und sagen: Das ist unser Teil.»
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