Ein Mann für Havanna
Herbert Schmid ist seit einem Vierteljahrhundert für die DEZA tätig. swissinfo hat den studierten Ökonomen in Havanna, Kuba, getroffen.
Afrika und das Kulturerbe dieses Kontinents bilden den roten Faden in der Berufslaufbahn des Solothurners, der in Mozambique, Südafrika und auch in Mazedonien arbeitete.
In Kuba ist die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, DEZA, der diplomatischen Geschichte der Schweiz vorausgeeilt. Im Jahre 2000 eröffnete die Schweizer Entwicklungs-Zusammenarbeit in Havanna ein ständiges Büro – auf dem Gelände der UNO. Dies obwohl die Schweiz den Vereinten Nationen DANN erst im März 2002 beigetreten ist.
Herbert Schmid ist seit einem halben Jahr in Kuba, wo die DEZA seit Ende der 90er-Jahre tätig ist. «Kuba ist ein spezieller Fall», sagt Schmid im Gespräch mit swissinfo. «Fast fünfzig Jahre Sozialismus haben die Menschen geprägt: Sie sind selbstsicher, leben aber in einem System, in dem die meisten Entscheide in der Hierarchie abgesichert werden müssen.»
Was zäh verhandelt wird, gilt
Diese hierarchische Struktur hat in der Entwicklungs-Zusammenarbeit Vor- und Nachteile. Denn nicht nur der Mensch, sondern auch der Staat und seine Institutionen treten in Kuba selbstsicher auf.
«Bis ein Projekt spruchreif ist, müssen wir in Havanna oft lange und zähe verhandeln», erklärt Schmid. Wenn die Abmachungen mit den Behörden jedoch einmal stünden, würden sie auch eingehalten.
Kuba hat in den 47 Jahren der Revolution starke und zuweilen starre Institutionen errichtet, an denen die DEZA nicht rüttelt. «Wir sind auf der lokalen Ebene tätig», sagt Schmid. «Wir arbeiten vor allem auf der Gemeindeebene, versuchen dort partizipative Prozesse zu fördern.»
Entwicklungsland Kuba
Kuba ist in vielen Bereichen – trotz Revolution – ein Entwicklungsland geblieben. Es gibt zwar viele gut ausgebildete Lehrer, Ärzte und qualifiziertes Pflegepersonal. «Es fehlt aber oft an den finanziellen Kapazitäten, vor Ort die richtigen Prioritäten zu setzen. Dort kann die DEZA mit Ausbildungen und Workshops einen Beitrag leisten und eine grosse Wirkung erzielen», so Schmid.
Im Unterschied zu anderen Einsatzgebieten muss die DEZA in Kuba für das Personal vor Ort keine Löhne zahlen. Auch das ist eine Besonderheit des Entwicklungslandes Kuba.
Herbert Schmid beeindruckt in Havanna, dass die Behörden in der Entwicklungs-Zusammenarbeit kaum Kompromisse eingehen und am eigenständigen Weg festhalten: «Wir haben die Garantie, dass unsere Programme den Bedürfnissen des Landes und der Bevölkerung dienen.»
Die unbeantwortbare Frage
Auch Herbert Schmid muss, wie viele andere, auf die Frage antworten, wie es nach Fidel Castro, der dieses Jahr 80 wird, auf der Insel weitergeht. «Die Ereignisse sind schwierig vorauszusehen. Kuba ist jedoch eine stabilisierte Gesellschaft. Die Chancen auf einen friedlichen Übergang sind gut», glaubt Schmid.
Herbert Schmid stützt sich in seinem Urteil über Kubas Zukunft auf seine Erfahrungen in Südafrika ab, wo er von 1997 bis 2000 für die DEZA im Einsatz war. «Diese extrem rassistische Gesellschaft mit ihren enormen sozialen und politischen Ungleichheiten hat den Übergang ohne Gewalt geschafft.»
Im Übrigen will sich Herbert Schmid nicht in die Politik Kubas einmischen: «Wir beschränken unseren Dialog mit den Behörden auf den technischen Bereich, Politik gehört nicht zu unserem Mandat.»
Durchhalten
Die Arbeit der DEZA ist auch ohne Politik komplex genug. Sie engagiert sich immer wieder in Ländern, in denen sich die Verantwortlichen der Schweizer Entwicklungs-Zusammenarbeit fragen lassen müssen, ob sich das Engagement rechtfertigen lasse. So auch in Mozambique, wo Herbert Schmid von 1983 bis 1990 mitten im Bürgerkrieg tätig war.
«Persönlich erlebte ich die Arbeit als schwierig. Wir lebten in der Stadt und hörten von den Gräueltaten auf dem Lande.»
Herbert Schmid hat in seiner langen Karriere bei der DEZA tief greifende Veränderungen in der Entwicklungs-Zusammenarbeit erlebt. «Wir nehmen die Menschen vor Ort als Partner wahr, führen den Dialog auf gleicher Ebene. Das ist nicht immer leicht, weil man als Vertreter einer ausländischen Organisation in den Augen der Hilfeempfänger auch immer die Position der Macht und des Geldgebers vertritt. Das schafft Abhängigkeiten.»
Der persönliche Spagat
Herbert Schmid erlebte die Schweizer Entwicklungs-Zusammenarbeit von 1990 bis 1997 am Hauptsitz in Bern. «Diese Perspektive tut gut und stärkt die Überzeugung, dass die DEZA ihren Leistungsausweis stets mit guten Projekten vor Ort erarbeiten muss.»
Herbert Schmid muss persönlich immer wieder der Spagat gelingen. Seine Partnerin, mit der er seit 25 Jahren verheiratet ist, arbeitet zurzeit in einem Gemeinde-Entwicklungsprojekt in Serbien. Das kinderlose Paar sieht sich nicht oft. Die Karrieren der beiden lassen sich nicht immer geographisch koordinieren. «Wir treffen uns alle zwei Monate.»
swissinfo, Erwin Dettling, Havanna
Bei der Schweizer Botschaft in Havanna sind 99 Schweizer immatrikuliert.
Den höchsten Stand der letzten zehn Jahre erreichte die Schweizer Präsenz im Jahre 2001 mit 123 immatrikulierten Bürgern.
Die Schweiz budgetierte für die öffentliche Entwicklungs-Zusammenarbeit in Kuba im Jahr 2005 insgesamt 4,15 Mio. Franken. (2004: 3,5 Mio.Fr.)
Die Schweiz leistet in Kuba seit 1997 humanitäre Hilfe, insbesondere im medizinischen Bereich.
Ende 2000 begann die DEZA eine Zusammenarbeit mit Kuba. Sie unterstützt Initiativen lokaler Akteure, die konkrete Lösungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen beinhalten und zur institutionellen Stärkung beitragen.
Die DEZA fördert auch Kontakte sowie Austausch und Zugang zu Information auf internatioaler Ebene. Ziel dabei ist eine weitere Öffnung Kubas.
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