Ein zweiter Hitze-Sommer mit weniger Toten
Gesundheits- und Pflegeexperten rufen zu einem landsweiten Plan auf, um die Folgen einer weiteren möglichen Hitzewelle in den Griff zu kriegen.
Kürzlich publizierte Statistiken zeigen, dass während dem vergangenen Hitzesommer die Sterberate in der Schweiz stark stieg.
Die Hitzewelle im vergangenen Jahr verursachte schätzungsweise 25’000 mehr Todesfälle in Europa als sonst im Sommer üblich. Davon entfielen rund 15’000 auf Hitzetote in Frankreich.
Doch auch die Schweiz zahlte ihren Tribut an den Jahrhundertsommer. Die Sterberate erhöhte sich während dieser klimatisch extremen Zeit gleichfalls.
Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) wuchs die Anzahl Toter im August 2003 gegenüber den Vorjahresmonaten der Periode 1999 bis 2002 um 9,5%.
Während den extrem heissen Tagen, also vom 9. bis 14. August 2003, erreichte die Sterberate in der Schweiz mit 200 bis 220 Fällen einen Spitzenwert, verglichen mit einem Durchschnitt von 140 bis 150 in den Vorjahren.
Stéphane Cotter, BFS-Verantwortlicher für Demographie und Migration, sagt jedoch, dass solche Zahlen mit einer gewissen Vorsicht interpretiert werden sollten. Grund: Die Todesursachen sind nicht in den Statistiken eingeschlossen.
«Uns fiel auf, dass die Zunahme der Sterbefälle meist in den sehr heissen August-Tagen auftrat», so Cotter. «So können wir zwar behaupten, es gebe eine Relation zwischen dem Anstieg der Fälle und dem Anstieg der Temperaturen. Aber die Resultate fallen nicht so dramatisch aus wie in Frankreich.»
Keine Überraschung
Die Statistiken für einige Städte und Kantone geben besonderen Anlass zur Sorge: Laut Medienberichten stieg die Sterblichkeitsrate im Kanton Genf um 27,2%, um 32,1% in der Stadt Genf und um 29,7% in Basel.
Charles-Henri Rapin, Professor für Geriatrie im Genfer Universitäts-Spital, können diese Zahlen nicht überraschen. Denn die Spital-Statistiken zeigen für den vergangenen Sommer ebenfalls eine Zunahme der Sterberaten.
«Unglücklicherweise bestätigt das uns, dass auch die Schweiz vor den Folgen der Hitzewelle 2003 nicht verschont blieb», sagt Rapin gegenüber swissinfo.
Risiko der Dehydrierung ist hoch
Laut Rapin spürten vor allem ältere Leute die Folgen der Hitze. Aber auch Kleinkinder und Invalide seien dem Risiko der Dehydrierung vermehrt ausgesetzt. Doch zu Komplikationen kommt es besonders bei Älteren.
Im Alter habe man weniger Durst, und der Körper nehme weniger Salz auf als bei Jüngeren. Salz helfe, dass der Körper genügend Wasser aufnimmt. Ältere nähmen auch vermehrt Medikamente, was sich ebenfalls auswirken könne.
«Dazu kommen gesellschaftliche Gründe, wie die Isolation der Älteren. Alte Leute leben, besonders in Städten, oft allein. Dies kann während einer Hitzewelle gefährlich werden.»
Vermehrte Aufmerksamkeit für das Thema wecken
Rapin organisierte diese Woche ein Treffen von Gesundheits- und Pflegeexperten, die zusammen mit Senioren-Vertretern die Effekte von Hitzewellen thematisierten.
In der Romandie soll dem Thema am 21. Juni ein besonderer Tag gewidmet werden, um mehr Bewusstsein zu bilden. Rapin sagt, es sei landesweit bedeutsam, die Relevanz des Problems zu erkennen.
Der Geriatriespezialist ist überzeugt, dass zuerst das Bewusstsein verbessert werden müsse. Dann sollten einfache Massnahmen vorgeschlagen werden, die vom Pflegepersonal befolgt würden, entweder während den Besuchen zuhause oder in den Kliniken.
Rapin würde es auch gerne sehen, wenn jeder Kanton einen Aktionsplan aufstellte. Schliesslich wäre eine landesweite Strategie angebracht, inklusive einem Notfall-Szenario für den Fall, dass die Temperaturen gefährlich weit nach oben ausschlagen.
Hoher Anteil an Senioren in der Bevölkerung
Ein entsprechend eingerichtetes Überwachungs-Zentrum würde dazu die Daten sammeln und aufbereiten. «Unsere Bevölkerung altert», konstatiert Rapin gegenüber swissinfo, «15% der Einwohner sind bereits über 65-jährig oder älter. Bis in 20 Jahren wird sich dieser Anteil verdoppeln.»
«Wir müssen uns auf diese Situation vorbereiten. Wir können ja die Leute nicht einfach so sterben lassen.»
swissinfo, Isobel Leybold
(Aus dem Englischen von Alexander Künzle)
Anzeichen einer Dehydrierung: Appetitlosigkeit, wenig Urin, Müdigkeit, Kopfweh, seltsames oder konfuses Verhalten, Schwindel.
Was dagegen zu unternehmen ist: Viel trinken, möglichst kühle Getränke wie Fruchtsäfte, Wasser mit Zitrone, Tomatensaft, sowie Suppenbrühe, um dem Körper neues Salz zuzuführen.
Weitere Massnahme: Frische Luft in den Räumlichkeiten, sich nicht in der Sonne aufhalten, leichte und breite Kleidung.
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