Eine lebendige Schweizer Kulturantenne in Mailand
Das Schweizer Kulturzentrum in Mailand wurde vor genau 10 Jahren eröffnet. Seither hat es sich einen festen Platz im Kulturleben der lombardischen Metropole erobert.
Mit der Ausstellung «Zürich HB – Milano Centrale» wird das Jubiläum begangen. Die Zukunft des Zentrums ist nicht wolkenfrei, wie dessen Direktor im swissinfo-Interview einräumt.
Die Ausstellung über die Präsenz von Schweizer Grafikern in Mailand nach dem Zweiten Weltkrieg wurde vom Museum für Gestaltung in Zürich konzipiert.
Das Schweizer Kulturzentrum befindet sich im Schweizer Zentrum an der zentralen Piazza Cavour.
Der Gebäudekomplex gehört der Eidgenossenschaft und geriet wegen eines möglichen Verkaufs jüngst in die Schlagzeilen.
Inzwischen ist der Verkauf des Zentrums vom Tisch. Die Schweizer Landesregierung hat kürzlich versichert, dass das Zentrum im Besitz des Bundes bleibt. Trotzdem könnte es zu Veränderungen kommen. swissinfo sprach mit Domenico Lucchini über das Jubiläum.
swissinfo: Welche Bedeutung hat das Zentrum heute im Mailänder Kontext?
Domenico Lucchini: Ich denke, dass in diesen 10 Jahren gute Arbeit geleistet wurde. Das kleine CCS hat sich einen festen Platz im Kulturleben der Stadt erarbeitet.
In jüngster Zeit hat dieser kleine Kulturraum im grossen Mailand sogar an Bedeutung gewonnen – einer Stadt, in der das kulturelle Leben – im Gegensatz zu Rom – momentan nicht so floriert.
swissinfo: Hat Mailand als Folge der Abhängigkeit von Rom nicht eher an Wichtigkeit verloren? Früher war das CCS selbständig, jetzt ist es nur noch eine Aussenstelle des ISR.
D.L.: Das stimmt nicht. Die Anzahl der Veranstaltungen hat sich nicht reduziert. Wir schätzen im übrigen, dass in den ganzen 10 Jahren rund 450 Veranstaltungen stattfanden.
Zum Teil hier im Zentrum, zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen der Stadt oder der Region. Rund 60’000 Besucher haben unsere Aktivitäten begleitet. Dies ist für uns ein grosser Erfolg.
swissinfo: Was ist das wichtige Ergebnis der bisherigen Kulturarbeit?
D.L.: Wir haben es geschafft, in der Lombardei ein originelles, dynamisches und teilweise auch alternatives Bild der Schweizer Kultur zu zeigen. Wir wollten immer eine Vielfalt von Kulturen und Stilen zeigen und interdisziplinär sein. Das ist das Wichtigste und daran will ich auch in Zukunft festhalten.
In welcher Form dies genau geschehen kann, müssen wir sehen. Denn es gibt einige Unsicherheiten, auch finanzieller Art.
swissinfo: Es könnte beispielsweise sein, das dem CCS die Räume gekündigt werden. Was dann?
D.L.: Das ist natürlich ein grosses Problem, weil wir im Moment im Centro Svizzero keine Miete bezahlen. Sollte es soweit kommen, müssen wir an Alternativen denken.
Vielleicht können wir mehr im Vordergebäude – der casa bassa – machen, Sonst müssen wir auf andere Räumlichkeiten in der Stadt ausweichen.
swissinfo: Mailand ist die erste grosse Stadt Italiens auf dem Weg in den Süden. Welche strategische Wichtigkeit hat das CCS in diesem Kontext?
D.L.: Mailand ist eine grosse Hauptstadt in Europa. Es ist eine Schnittstelle von Leuten, Kulturen und Wirtschaftsräumen. Auch durch die Nähe zum Tessin und damit zur Schweiz nimmt es eine wichtige Funktion ein.
Für die Koordination zwischen Hauptsitz und Aussenstellen des ISR ist es entscheidend. Es wäre verheerend, wenn die Bedeutung von Mailand zurückgestuft würde.
swissinfo-Interview: Gerhard Lob
Das Centro Culturale Svizzero (CCS) in Mailand ist 1997 als Antenne von Pro Helvetia gegründet worden und stand anfänglich unter der Leitung des Bündners Chasper Pult.
2001 hat der Tessiner Domenico Lucchini das Ruder übernommen.
Der 52-Jährige hat Philosophie an der Universität Pavia studiert und ist seit 2005 für die Kulturpolitik des Schweizer Instituts in Rom (ISR) verantwortlich, dem das Kulturzentrum in Mailand – genauso wie das in Venedig – inzwischen angehört.
Pirelli, Olivetti, La Rinascente: Die Namen des Reifenherstellers, des Schreibmaschinenkonzerns und der Warenhauskette sind weltweit bekannt.
Weniger bekannt ist, dass diese Unternehmen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg für die visuelle Umsetzung ihrer Unternehmenskultur häufig auf Schweizer Grafiker zurückgriffen.
Die Ausstellung «Zürich HB – Milano Centrale: Incontri grafici 1945-1970» dokumentiert nun eindrücklich diese fruchtbare Zusammenarbeit.
In Mailand war damals das Know-how der Schweizer Grafiker sehr willkommen.
Die Liste der aktiven Grafiker ist lange, darunter sind Leute wie Max Huber oder Lora Lamm.
Rationalität und formale Strenge treffen sich in diesen Arbeiten mit Vorstellungskraft, Poesie und Experimentierfreude.
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