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Eine Schweiz jenseits des Heidi-Images

Takaji Kunimatsu vor dem künstlichen Berg im Schweizer Pavillon der Expo 2005 in Aichi, Japan. swissinfo.ch

Takaji Kunimatsu, ehemaliger japanischer Botschafter, kennt die Schweiz gut. Er bedauert, dass japanische Touristen sich nur für die Landschaft interessieren.

Im Gespräch mit swissinfo macht er sich stark für eine Schweiz fern der Klischees. Die Weltausstellung sei eine gute Chance, das Bild des Heidi-Landes zu korrigieren.

Sie haben Japan in der Schweiz während drei Jahren repräsentiert. Wie haben Sie das Land erlebt?

Ich habe den Aufenthalt in der Schweiz sehr genossen und habe viele Schweizer kennen gelernt. Während meines Einsatzes habe ich 20 Kantone besucht.

Ich hatte den Eindruck, dass die Schweizer ziemlich ähnlich wie die Japaner sind. In keinem der Landesteile hatte ich das Gefühl, die Schweiz sei ein isoliertes Land.

Warum denken Sie, dass die Japaner so gerne die Schweiz besuchen?

Meiner Meinung nach lieben die Japaner die Schweiz. Viele von ihnen planen ihr Leben lang eine Reise in die Schweiz, und viele, die dort waren, gehen wieder und wieder.

Leider ist das japanische Interesse meist nur auf die touristischen Aspekte limitiert. Viele Japaner besuchen die Schweiz, um schöne Berge zu sehen, Schokolade zu essen und Qualitäts-Uhren zu kaufen. Sie sind jedoch nicht interessiert am politischen System, der sozialen Struktur oder der Kultur.

Darum habe ich in meiner Zeit als Botschafter in der Schweiz versucht, den Japanern ein ganzheitlicheres Verständnis des Landes zu vermitteln.

Könnte auch die Schweizer Mentalität von Sauberkeit, Vertrauenswürdigkeit und Perfektionismus die japanischen Touristen anziehen?

Das ist sicher so. Wir Japaner haben es gerne sauber. Doch das attraktivste am Land ist sicher die schöne Landschaft. Das ist das grosse Plus der Schweiz.

Es würde mich aber freuen, wenn die Japaner auch etwas anderes sehen würden. Sie sollten öfter soziale oder kulturelle Veranstaltungen besuchen.

Ich habe ein Buch geschrieben, in welchem ich den Japanern zu zeigen versuche, wie die Schweiz ist. Klar ist es gut, die Schweiz für ihre natürliche Schönheit zu lieben. Doch sie hat viel mehr zu bieten.

Könnte der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung 2005 in Aichi Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie die Japaner die Schweiz sehen?

Diese Ausstellung ist eine sehr gute Chance für die Japaner, die Schweiz umfassender wahrzunehmen. Hier sehen wir nicht nur die sehr schöne Bergszenerie, sondern auch technologische Errungenschaften, die Spitze der Schweizer Innovation. Und viele Leute erhalten einen Anreiz, die Schweiz zu besuchen.

Wie wichtig ist der Tourismus für die Schweiz?

Die Schweiz ist ein Land der Sehenswürdigkeiten. Doch die Schweiz sollte auch andere Aspekte des Landes verkaufen. Zum Beispiel den Austausch von Wissenschaftern aus vielen Ländern.

Die ETH Zürich ist ein Zentrum, wo Wissenschafter aus den zwei Ländern die Errungenschaften beider Länder zusammenführen könnten. Das ist eine sehr gute Sache.

Andererseits scheint in Japan der Tourismus für Ausländer nicht ein sehr grosses Geschäft zu sein…

Ich denke, dass wir noch vieles machen müssen, um ausländische Touristen anzuziehen. In Japan sprechen die meisten Leute nur japanisch. Und unsere Kultur ist etwas speziell. Die japanische Gastfreundschaft ist jedoch sehr gut, wie in der Schweiz, hier sehe ich kein Problem.

Doch die ganze touristische Infrastruktur sollte mehr auf ausländische Touristen ausgerichtet werden. Die meisten Strassensignale sind nur auf japanisch angeschrieben. Das müssen wir ändern.

Es gibt einiges zu tun, um unsere Gesellschaft zu öffnen.

«Die Weisheit der Natur» ist das Motto der Expo 2005. Japan scheint jedoch etwas Mühe zu haben mit Naturschutz und Recycling. Wie kann es zur Schweiz aufholen, einem der führenden Länder auf diesem Gebiet?

Ich bin kein Spezialist in diesem Fach. Doch ich denke, es gibt da einige Aspekte, wo die Japaner von der Schweizer Erfahrung lernen könnten. Die Schweiz hat schon viele innovative Dinge in Sachen Umweltschutz und Recycling gemacht.

Wir sollten da mehr machen. Doch viele Leute werden sich mehr und mehr bewusst, dass dies nötig ist. Wir werden nun aufholen.

Gibt es etwas, wo beide Länder voneinander lernen können?

Ja, ich denke, die Schweiz steht nun der Globalisierung gegenüber sowie der Vergrösserung der Europäischen Union (EU). Und die Schweiz gehört nicht zur EU.

Die Schweizer Regierung und die Bevölkerung versuchen, die Balance zwischen der Schweizer Identität und der Globalisierung zu halten. In diesen Zeiten der Globalisierung ist es sehr schwierig, eine Identität zu bewahren.

Und die Schweiz mit ihrer langen Geschichte, nie besiegt, reich an Traditionen, findet es manchmal schwer, den Anschluss nicht zu verpassen.

Wir Japaner sind in der gleichen Situation. Auch wir haben eine lange Geschichte, und die Leute haben Mühe, mitzuhalten. In dieser Situation sollten Japan und die Schweiz ihre Ansichten austauschen und sich annähern, um lernen zu können, wie mit dieser Herausforderung einer neuen Zeit umzugehen ist.

swissinfo-interview: Christian Raaflaub, Aichi

In Japan leben 127,6 Mio. Menschen.
In der Schweiz leben 7,4 Mio. Menschen.
Japan ist rund 9 mal grösser als die Schweiz.

Takaji Kunimatsu war von 1999 bis 2002 japanischer Botschafter in der Schweiz.

Kunimatsu hat ein Buch über die Schweiz geschrieben mit dem Ziel, den Japanern ein umfassenderes Bild des Landes zu vermitteln.

Weltberühmt wurde der ehemalige Chef der japanischen Staatspolizei und Leiter der Ermittlungen zum Giftgasanschlag in Tokio im März 1995, als er auf dem Weg zur Arbeit von einem Attentäter niedergeschossen und schwer verletzt worden war.

Zur Zeit baut er in Japan ein Helikopter-Rettungssystem auf. Ein solches gibt es in Japan heute praktisch nicht.

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