Einfluss der Klimaveränderungen auf die Gesellschaft
Ein von einem Schweizer Forscher geleitetes Wissenschaftsteam stellte anhand von Baumringen einen Zusammenhang zwischen Klimaveränderungen und historischen Umwälzungen in Zentraleuropa fest. Die Studie gibt Aufschluss über einen Zeitraum von 2500 Jahren.
In der Studie «2500 Jahre Europäische Klimaveränderung und ihr Einfluss auf die Menschen», die in der amerikanischen Fachzeitschrift Science publiziert wurde, wird der Zusammenhang zwischen Agrarreichtum und Wirtschaftswachstum und der in der Geschichte auftretenden Klimaveränderungen aufgezeigt.
Die Studie wurde von Ulf Büngten vom Oeschger-Zentrum für Klima- und Klimafolgenforschung an der Universität Bern geleitet. Durchgeführt wurde sie von einem interdisziplinären Team aus Klimatologen, Historikern und Archäologen aus Deutschland, Österreich, den USA und der Schweiz.
Klima für Aufschwung und Niedergang mitverantwortlich
In der Geschichte wirkt sich ein stabiles und günstiges Klima positiv auf die Agrarproduktion und Gesundheit der Menschen aus und hat Wohlstand und politische Stabilität zur Folge. So fällt laut der Studie etwa der Niedergang des westlichen Römischen Reiches mit einer zunehmenden Klimaveränderung zusammen.
Neu an der Studie ist, dass sie einen Zeitraum von ingsesamt 2500 Jahren untersucht.
«All unsere Ergebnisse basieren auf der Analyse von Baumringen», sagt Büngten gegenüber swissinfo.ch. Es wurden rund 9000 Stichproben aus Zentraleuropa untersucht, die jeweils 100 bis 150 Ringe aufwiesen. Anhand der Baumringe kann auf das damalige Vegetationswachstum und damit auch auf die Klimabedingungen geschlossen werden.
«Es sind alle Jahre ersichtlich, wir werten jedes einzeln aus. Es gibt keine Datenunsicherheit, und der Datensatz ist vollständig. Das ist das Schöne an diesem Archiv», sagt Büngten.
Bisherige Sichtweise in Frage gestellt
Laut Fidel Gonzalez-Rouco, Klimaspezialist von der Universität Madrid, ist die neue Studie ein wichtiger Beitrag zur Erforschung von Temperatur und Niederschlägen in Zentraleuropa über zwei Jahrtausende hinweg.
«Die Studie zeigt eindrücklich, wie eng gesellschaftliche Veränderungen in der Landwirtschaft, Migration, Politik usw. mit klimatischen Veränderungen zusammenhängen», sagt Gonzalez-Rouco.
Wie die Forscher stellt auch er die verbreitete Sichtweise, Gesellschaftsentwicklungen isoliert von Umweltveränderungen zu betrachten, in Frage.
«Die Analyse widerlegt das gängige Verständnis, dass Gesellschaft und Klima sich unabhängig voneinander entwickeln», sagt Gonzalez-Rouco.
Bauholz als Schlüssel zu historischem Kontext
Die Anzahl verfügbarer Holz-Stichproben gibt auch Auskunft über den historischen Kontext.
Daraus könne auf Perioden zunehmender oder abnehmender Bau- oder Siedlungstätigkeit geschlossen werden, sagt Büngten.
«Sehr gute Bespiele dafür sind die Depression während dem Dreissigjährigen Krieg anfangs des 17. Jahrhunderts, als die Siedlungstätigkeit aufgrund der Kriegshandlungen in Zentraleuropa eingeschränkt war, oder die Pest Mitte des 14. Jahrhunderts.»
Die Autoren der Studie sind nicht der Ansicht, dass das Klima für jegliche geschichtlichen Fragen Antworten liefert. Sie haben einfach einen «palaeoklimatischen Benchmark» gesetzt, welcher den grossen Einfluss des Klimas auf die Menschheit klarer macht, wie sie sagen.
Das Oeschger Centre for Climate Change Research ist das Kompetenzzentrum der Universität Bern für Klimaforschung.
Es wurde im Sommer 2007 gegründet und trägt den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pionier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war.
Das Oeschger-Zentrum vereint Forscherinnen und Forscher aus den Natur-, Human-, Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften.
(Übertragung aus dem Englischen: Corinne Bachser)
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