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Entwicklungshilfe steigt nur auf dem Papier

Eine Peruanerin lernt das Drechseln - in einem von der DEZA unterstützten Programm. Keystone

Image-Pflege, die nichts kostet: Die Schweizer Entwicklungshilfe steigt zum zweiten Mal in Folge offiziell an, obwohl sie in Wirklichkeit stagniert.

Die Regierung meldet eine Erhöhung der Schweizer Entwicklungshilfe im Jahr 2005 auf 2,2 Mrd. Franken. Das sind 0,44% des Bruttosozial-Produkts (Vorjahr 0,41%).

Der Bundesrat meldet eine Erhöhung der Schweizer Entwicklungshilfe: 2005 gab die Schweiz 2,206 Mrd. Franken für ihre Hilfe im Süden und Osten aus, wodurch der Anteil der Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen (BNE) nun 0,44% (Vorjahr 0,41) beträgt.

Auch wenn die Regierung für die Hilfe im Süden und Osten mehr Geld ausgibt, steigt die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) nur auf dem Papier. In Wirklichkeit stagniert sie oder nimmt in Bezug auf das BSP sogar weiter ab. Sie macht nur 0,355% am BSP aus, wie die Statistikdienste der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) bestätigen.

Neue Anrechnung

Die Steigerung kommt durch Einbezug neuer Leistungen zustande: 2005 schlug hauptsächlich die einmalige Entschuldung von Irak, Nigeria und Kongo-Brazzaville mit insgesamt 278,5 Mio. Franken zu Buche – Massnahmen, die laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) «keine Auswirkungen auf die Bundesfinanzen haben».

Bereits im Vorjahr hat die Schweiz eine Erhöhung der Entwicklungshilfe vermeldet: Durch die erstmalige Einrechnung von Leistungen für Asylsuchende aus Entwicklungsländern hatte sie einen Sprung von 0,39 (2003) auf 0,41% des BSP (2004) geschafft.

Ohne diese Anpassung hätte die ODA dem Jahresbericht 2004 zufolge «nur 0,37% am BSP erreicht». 2005 sank die Unterstützung Asylsuchender deutlich, doch dank der Entschuldung hat die Schweiz ihr selbst erklärtes Ziel von 0,4% des BSP weiter übertroffen.

Mehr ist weniger

«Der Bundesrat streut Sand in die Augen. Das ist unakzeptabel», kritisiert Bruno Gurtner von Alliance Sud, der entwicklungspolitischen Arbeitsgemeinschaft der grossen Hilfswerke.

Für die traditionelle Entwicklungszusammenarbeit der DEZA standen zwar acht Mio. Franken mehr zur Verfügung, «doch wurde damit nicht einmal die Teuerung ausgeglichen», bemängelt Gurtner.

Neben den Entschuldungsmassnahmen fallen 2005 neu die «Übergabe von Armeematerial für humanitäre Zwecke» mit 23 Mio. Franken ins Gewicht (etwa Pinzgauer für Sierra Leone). Auch der Bereich Friedensförderung und Sicherheit ist mit 40 Mio. Franken gegenüber dem Vorjahr deutlich höher, rund die Hälfte davon wurde für Genfer Sicherheitszentren investiert.

Zielmarke erhöhen

Die Einrechnung der Ausgaben für Frieden und Sicherheit, der Entschuldung wie auch der Kosten für Flüchtlinge oder Asylbewerber diene der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zu einer besseren internationalen Vergleichbarkeit, wird offiziell argumentiert.

«Je mehr Leistungen als Entwicklungszusammenarbeit ausgewiesen werden, desto höher muss die Zielmarke gesteckt werden», fordert Gurtner von Alliance Sud. Sie hat wie auch mehrere Parlamentsabgeordnete den Bundesrat letzten Herbst aufgerufen, sich dem Ziel der EU-Kommission anzuschliessen und die ODA bis 2010 auf 0,56% des BSP zu erhöhen.

Das forderte auch die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates, der Grossen Parlamentskammer, zumal fest stand, dass aus der Schweiz mehr Mittel zur Erreichung der UNO-Millenniumszielen (Halbierung der Armut bis 2015 weltweit) nötig sind.

Schweiz im Mittelfeld

Der Bundesrat will aber erst im Jahr 2008 über eine neue Zielmarke diskutieren, wie er nach seiner Klausurtagung vergangenen Mai bekannt gab.

Die meisten EU-Mitglieder haben sich verpflichtet, ihre Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7% zu erhöhen. Wenn die Schweiz nicht nachziehe, werde sie sich ins Abseits manövrieren, warnt Gurtner.

Tatsächlich haben vier EU-Länder die Zielmarke erreicht, die Schweiz liegt mit weiteren sieben Ländern im Mittelfeld, während die neuen EU-Mitglieder weit nachhinken.

swissinfo und Viera Malach, InfoSüd

Die Schweizer Entwicklungshilfe wird von der DEZA umgesetzt.

Sie ist die Agentur für die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe der Schweiz und Teil des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Die DEZA ist in allen Kontinenten mit einer Vielzahl von Projekten aktiv. Mit 24 Ländern und Regionen im Süden sowie 12 im Osten ist die Entwicklungszusammenarbeit besonders intensiv.

Für die humanitäre Hilfe haben sich ebenfalls 8 geografische Haupteinsatzgebiete ergeben.

Die Schweiz gab 2005 2,2 Mrd. Franken für Entwicklungshilfe aus.
Das entspricht 0,44% des Bruttosozial-Produkts.
In dieser Zahl ist die einmalige Entschuldung von Irak, Nigeria und Kongo-Brazzaville von 278,5 Mio. Franken enthalten.

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