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Europäische Minister wollen den Wald schützen

Waldschäden nach dem Sturm Lothar im Mai 2000. Keystone Archive

In diesen Tagen findet in Wien die vierte Konferenz zum Schutz der Wälder in Europa statt. Sie möchte wirtschaftliche und naturschützerische Interessen unter ein Dach bringen.

Die Schweiz will mit ihrem Know how zum Gelingen der Konferenz beitragen. Wie aber präsentiert sich der Wald in der Schweiz selbst?

Die Gesellschaft stellt an den Wald vielfältige Aufgaben: Er soll erneuerbare Energie liefern, das Trinkwasser filtern, als grüne Lunge fungieren, den gestressten Menschen als Erholungsgebiet dienen, Tierarten und Pflanzen bewahren und schützen, sowie weiteres mehr.

Politik und Wirtschaft müssen für eine nachhaltige Waldentwicklung zusammenarbeiten. Die Schweiz will ihre Erfahrungen in diesem Bereich bei der «Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa» (MCPFE) einbringen.

An der Waldkonferenz sollen eine Deklaration und fünf Resolutionen verabschiedet werden. Diese streben nebst der intensiveren Zusammenarbeit zum Schutz der Wälder auch die Sicherung der Wirtschaftlichkeit der Waldpflege an. Dazu soll der Wald als attraktive Landschaft und die Artenvielfalt erhalten bleiben.

Die MCPFE ist nicht nur ein Forum für die Zusammenarbeit von 40 für Wald zuständigen europäischen Minister. Sie bietet zwischenstaatlichen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen und Vorstellungen einzubringen.

In den Nichtregierungsorganisationen sind Waldbesitzer, Forstindustrie, nichtstaatliche Umwelt- und Sozialorganisationen sowie Wissenschaft und Forschung vertreten.

Wo bleibt der Schutzgedanke?

Der Österreicher Gerald Steindlegger, WWF-Delegierter zur Ministerkonferenz, bemängelt: «Die Konferenz heisst ‹Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa›. Die Konferenz hat sich vom Schutzgedanken weg zum Thema ‹Sicherung der nachhaltigen Waldbewirtschaftung› entwickelt.»

«Dazu ist ein ausgewogenes Netz an Schutzgebieten nötig», ist Steindlegger überzeugt. Eine WWF-Umfrage hat ergeben, dass sich die europäische Bevölkerung mehr Waldschutzgebiete in Form von Nationalparks wünscht.

«Wirtschaftswald» und «Waldreservat»

Der WWF Schweiz erteilt dem helvetischen Waldschutz eine schlechte Note. Nur 1,6% der Waldfläche seien geschützt.

Von den im Schweizer Wald vorkommenden Tier- und Pflanzenarten stehen jedoch nur wenige auf einer Gefährdungsliste. «Es gibt sogar Arten, die wieder auftauchen,» erzählt Urs Tester, Abteilungsleiter Biotope und Arten bei der Umweltorganisation Pro Natura. «So brütet der Weissrückenspecht wieder in der Schweiz. Diese Spechtart ist auf alte Bäume angewiesen.» Die kleinen Waldreservate aber sind auch für Pro Natura eine Problemzone des Schweizer Waldes.

Vorbildlich bewirtschafteter Wald

Grundsätzlich stellt Pro Natura dem Schweizer Wald und der Art und Weise, wie er bewirtschaftet wird, ein gutes Zeugnis aus.

Der Grund dafür ist im 19. Jahrhundert zu finden. Damals war der Wald auf grosser Fläche ausgebeutet worden. Dies führte zu grossen Umweltproblemen wie Erosion und Überschwemmungen. Deshalb hat die Schweiz bereits früh eine in die Zukunft weisende Waldpolitik eingeführt.

Als Grundsatz galt damals und gilt heute: Die Waldfläche darf nicht verkleinert werden; es darf nicht mehr Holz genutzt werden, als nachwächst. Urs Tester: «Damit ist die Waldpolitik bereits damals nachhaltig geworden».

Qualität und Quantität

Laut Tester werde viel getan, dass in der Schweiz nicht nur «quantitative, sondern auch qualitative» Nachhaltigkeit Anwendung finde: «Die Schweiz kennt kaum Holzplantagen. Es gibt hauptsächlich Wälder mit standortheimischen Baumarten, die in unseren Lebensraum und unser Klima gehören. Auch die Fichten im Mittelland werden nach und nach durch Laubbäume ersetzt».

Sowohl in der Schweiz wie in Europa kann die Waldbewirtschaftung zur Zeit nicht kostendeckend realisiert werden. Viele Forstbetriebe sind defizitär, sie können die nötigen Leistungen nicht mehr erbringen.

Urs Tester: «Es gibt Organisationen, die meinen, dass die Schweizer Waldpolitik zu nachhaltig sei. Sie möchten Veränderungen herbeiführen, wie die Aufhebung von Rodungsverboten, die Einführung von Kahlschlägen oder die Monokulturen exotischer Bäume wieder zulassen.» Sollten sich derartige Tendenzen durchsetzen, sieht Tester grosse Probleme auf die Umwelt zukommen.

swiwssinfo, Etienne Strebel

30% der Fläche der Schweiz besteht aus Wald
Zwischen 1985 und 1995 hat die Fläche um 4% zugenommen (+477 km2)
Eigentumsverhältnisse: 73% öffentlich, 27% privat
Arbeitskräfte in der Waldwirtschaft 2000: 7277
Arbeitskräfte in der Holzwirtschaft 1995: 86’589

Die 4. Ministerkonferenz für den Schutz des Waldes in Europa findet in Wien vom 28. bis 30. April 2003 statt.

Die Konferenz wurde zum ersten Mal 1990 ausgerichtet. Inzwischen ist sie zur grössten forstpolitischen Diskussions-Plattform europas geworden.

46 Prozent der Fläche Europas ist von Wald bedeckt. Die Wälder Europas machen etwa einen Viertel der globalen Waldfläche aus.

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