Explosion der Langzeitpflege-Kosten droht
Die Kosten für die Langzeitpflege drohen sich bis 2030 zu verdoppeln, steht in einer Studie des Schweizerischen Gesundheits-Observatoriums.
Verantwortlich dafür ist auch die demographische Entwicklung. Mit präventiven Massnahmen, welche die Gesundheit der alten Menschen verbessern, könnte der Anstieg gebremst werden.
Die Kosten für die Langzeitpflege drohen sich laut einer Studie der Uni Neuenburg im Auftrag des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) bis ins Jahr 2030 zu verdoppeln. Setzt sich der heutige Trend fort, wird die Schweiz im Jahr 2030 rund 15,3 Mrd. Franken für Pflegeleistungen ausgeben müssen.
Seit 1995 steigen die Kosten in der Langzeitpflege jährlich um durchschnittlich fünf Prozent, teilt das Obsan mit. Damit haben sie den Kostenanstieg im gesamtem Gesundheitswesen übertroffen. Dieser Trend werde sich fortsetzen: Die Zahl der Renterinnen und Rentner steigt mit dem Älterwerden der Baby-Boom-Generation (geburtenstarke Jahrgänge) stark an.
Vier mögliche Szenarien
Um die Folgen abzuschätzen, gab das Obsan eine Studie in Auftrag, die ein Grund- und drei Alternativ-Szenarien entwickelte. Das Grundszenario geht von dreierlei aus: normale demographische Entwicklung, konstante Quote der Pflegebedürftigen und unveränderter Anstieg der Kosten für medizinische und Pflegeleistungen.
Das Resultat: 2030 betrügen die Kosten der Langzeitpflege 15,3 Mrd. Franken. Gemäss Obsan entspräche dies einer Verdoppelung innert 25 Jahren. 2001 beliefen sich die Kosten noch auf 6,5 Mrd. Franken.
Am stärksten ins Gewicht fällt die Zunahme der Fallkosten. Sie macht rund zwei Drittel des Kostenanstiegs aus, während die Alterung der Bevölkerung nur gerade für den restlichen Drittel verantwortlich ist. Allerdings hält das Obsan das Grundszenario für eher pessimistisch.
Gesünder im Alter
Aufgrund aktueller Studien könne man davon ausgehen, dass künftig die Pflege eher später in Anspruch genommen werde. Der Gesundheitszustand älterer Menschen werde immer besser. Ein Alternativszenario untersuchte deshalb, wie sich die Kosten entwickeln, falls die Menschen die Pflege durchschnittlich ein Jahr später in Anspruch nähmen.
Dadurch würde insbesondere die Zahl der Patienten in den Pflegeheimen langsamer ansteigen. Die Kosten im Jahr 2030 beliefen sich auf 13,1 Mrd. Franken – 2,2 Mrd. weniger als beim Grundszenario.
Grosse Einsparungen gäbe es auch bei einem langsameren Anstieg der medizinischen Kosten: In einem dritten Szenario rechnete die Studie mit einer jährlichen Wachstumsrate von 1,5% statt 2,6% wie beim Grundszenario. Dies würde zu einer Kostenreduktion von 1,7 Mrd. Franken führen.
Einfluss der Alterung
Einen eher geringen Einfluss haben laut Obsan die unterschiedlichen demografischen Szenarien des Bundesamtes für Statistik. Bei einer verstärkten Alterung der Bevölkerung würden die Kosten im Jahr 2030 um 880 Mio. Franken steigen, bei einer abgeschwächten um 480 Mio. sinken.
Die Ergebnisse verdeutlichen laut Obsan, wie wichtig präventive Massnahmen sind, welche den Gesundheitszustand älterer Leute verbessern. Weitere Forschung sei nötig, um auf der Kostenseite – bei den Fallkosten – ansetzen zu können. Wieso diese so stark anstiegen, sei noch zu wenig bekannt.
Politische Diskussionen
Auf politischer Ebene wird derzeit darüber diskutiert, wie die Pflegeleistungen in Zukunft finanziert werden sollen. Der Bundesrat wollte ursprünglich die so genannte Behandlungspflege voll den Krankenkassen aufbürden, sie bei der Grundpflege hingegen nur zu einem fixen Frankenbetrag verpflichten.
Die vorberatende Kommission des Ständerates hat diese Unterscheidung aber inzwischen abgelehnt und neue Modelle verlangt.
swissinfo und Agenturen
In der Schweiz werden die Gesundheitskosten auf rund 50 Mrd. Franken pro Jahr geschätzt. Davon betragen allein die Langzeitpflegekosten rund 6,5 Mrd. Franken.
Gemäss der am Dienstag publizierten Studie werden sie im Jahr 2030 auf gut 15,3 Mrd. Franken steigen.
Im Jahr 2000 waren rund 15% der Bevölkerung älter als 65 Jahre.
2040 wird dieser Anteil wahrscheinlich 25% betragen.
Das Obsan ist eine Organisationseinheit des Bundesamtes für Statistik. Es analysiert Gesundheits-Informationen in der Schweiz.
Die Studie zur Langzeitpflege wurde durchgeführt vom «Institut de recherches économiques» der Universität Neuenburg.
Sie beinhaltet eine Prognose der Kosten der medizinischen und sozialen Einrichtungen sowie der Hilfs- und Pflege-Dienste zu Hause für das Jahr 2030.
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