Fenster zum UNESCO-Weltnaturerbe
Eine Ausstellung auf der Riederalp im Wallis zeigt, was mit dem Label UNESCO-Weltnaturerbe "Jungfrau-Aletsch-Bietschorn" gemeint ist.
Das Pro Natura-Naturschutzzentrum inmitten des Tourismusgebietes am Aletschgletscher will mit der Ausstellung «Tor zum Weltnaturerbe» sein.
Eigentlich findet die Ausstellung draussen in der freien Natur statt. Die Gegend rund um den Aletschgletscher, dem grössten Eisstrom der Alpen, gehört zu den eindrücklichen Sehenswüdigkeiten der Schweiz.
Deshalb wurde die Gegend im Dezember 2001 unter dem Namen «Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn» ins UNESCO-Weltnaturerbe (nicht zu verwechseln mit UNESCO-Welterbe) aufgenommen.
Zwar wird die Gegend auf Plakaten und in Broschüren als Weltnaturerbe angepriesen, nur weiss niemand so recht, was damit gemeint ist. «Vor allem mit dem Wort ‹Erbe› wissen viele nichts anzufangen», sagt Laudo Albrecht, Leiter des Pro Natura Zentrums Aletsch auf der Riederalp, gegenüber swissinfo.
Tourismus und Umweltschutz
Das Zentrum der Naturschutzorganisation befindet sich in der Villa Cassel. Diese ehemalige Ferienresidenz eines reichen englischen Bankiers, steht als erratischer Block hoch über der Riederalp. Ihre spannende Geschichte ist in einem Büchlein verewigt.
Nur soviel: Der gestresste Ernest Cassel baute sich Anfang des 20. Jahrhunderts in dieser – damals sehr armen – Gegend eine Villa, weil er auf Geheiss seines Arztes die heilende Wirkung der Alpen und des Aletschwaldes benötigte. Cassel wurde damit zum Mitbegründer des Tourismus auf dieser Walliser Alp.
Es begann nicht nur die touristische Nutzung des Gebietes rund um den Aletschgletscher, sondern auch die Auseinandersetzung zwischen der Tourismusbranche und den Naturschützern.
Dieser Kampf gipfelt heute in der Frage: «Lässt sich Tourismus und Umweltschutz unter einen Hut bringen.» Die UNESCO versucht das mit ihren Weltnaturerben.
Die Ausstellung in der Villa Cassel klärt die Besucher über dieses Weltnaturerbe der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf und versucht klar zu machen, dass dieses Gebiet möglichst unversehrt unseren Nachkommen vererbt werden sollte.
Die Kriterien
Die Pro Natura-Ausstellung orientiert über die Kriterien der UNESCO, damit Weltnaturerben wie beispielsweise die Galapagos-Inseln, die Serengeti, der Gran Canyon oder eben auch der Aletschgletscher in das Verzeichnis aufgenommen werden (Kriterien sind: Erdgeschichte, Ökologie, Ästhetik und Artenvielfalt).
Dann geht die Ausstellung eingehend auf das vor der Türe liegende Weltnaturerbe ein und macht klar, dass die Auszeichnung «Welterbe» nicht nur eine Ehre, sondern auch eine grosse Verpflichtung bedeutet.
Gezeigt werden die geographischen Aspekte, die Erdgeschichte, die Geschichte des Gletschers, all die ökologischen Prozesse und die Artenvielfalt in dieser alpinen Welt. Höhepunkt ist der virtuelle Adlerflug über das Gebiet.
Das Beispiel Birkhuhn
Neben dem UNESCO-Raum findet der Besucher, die Besucherin, ein Beispiel, was mit Naturerbe gemeint ist: Das Birkhuhn, ein schöner, doch bedrohter Vogel, wird uns nähergebracht.
Das Tier ist perfekt auf die – vor allem im Winter – extremen Bedingungen der Bergwelt ausgerichtet. Beispielsweise kann es im harten Winter nur überleben, wenn es seine Aktivitäten auf ein Minimum reduziert. Kurz gesagt, wenn es ruht und in Ruhe gelassen wird. Grade das aber tut der zunehmende Fun-Tourismus mit dem Varianten- und Helikopter-Skiing oder dem Snowboarden nicht. Was kümmert diese Leute ein Birkhuhn.
Wobei wir wieder beim Dauer-Konflikt zwischen Umweltanliegen und Tourismus wären. «Zur Zeit können wir gut miteinander sprechen», sagt Laudo Albrecht. «Doch unserer Arbeit ist immer eine – im wahrsten Sinn der Gegend – Gratwanderung.»
Managementplan fehlt noch immer
Die UNESCO verlangte 2001 innert drei Jahren einen Managementplan, wie diese Vorgaben von den Verantwortlichen umgsetzt werden. «Der Plan über unsere nachhaltige Entwicklung im Aletschgebiet ist erst als Entwurf vorhanden. Es wurde viel Papier produziert, aber der Managementplan ist der UNESCO noch nicht zugestellt worden, wir sind ganz klar im Verzug», sagt Albrecht.
Viele wollen das Gebiet touristisch weiter erschliessen. Die Fraktion, allen voran der Fun-Touristiker Art Furrer, will die Skigebiete Riederalp und Belalp mit Bahnen verbinden. Drehrestaurants auf den markanten Gipfeln sollen weitere Gäste anlocken.
«Das geht mit uns sicher nicht», sagt Albrecht, auch wenn Pro Natura eine Weiterentwicklung unterstützt. Die Gegenseite kontert mit «wer still steht, verliert Gäste, denn diese wollen ständig Abwechslung und neue Einrichtungen». Komme dazu, dass Wandertourismus nicht das grosse Geld und nicht die benötigte Menge Leute bringe.
Laudo Albrecht: «Von den rund 70’000 Besuchern des Aletschwaldes besuchen gut 10% die Villa Cassel und ihre Ausstellung.» Die Mehrzahl der Leute wird demnach auch in Zukunft nicht so genau wissen, was es denn mit dem UNESCO-Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn auf sich hat.
swissinfo, Urs Maurer, Riederalp
Die Villa Cassel auf der Riederfurka wurde in den Jahren 1901/02 gebaut.
Bauherr war der englische Bankier und Finanzmann Sir Ernest Cassel.
1924 wurde die Sommerresidenz verkauft und in ein Hotel umgewandelt.
1969 – nach 45 Saisons – wurde das Hotel Cassel geschlossen.
1973 kaufte die Umweltorganisation Pro Natura die Villa und baute sie zu einem «Visitor Center» nach Vorbild der amerikanischen Naturparks um.
Die Villa wird auch weiterhin als Hotel genutzt.
Die Pro Natura betreibt seit 1976 in der Villa Cassel ein Informationszentrum.
Die Ausstellung 2005 informiert über das UNESCO-Welterbe «Jungfrau – Aletsch – Bietschhorn».
Die Informationen können auch auf dem Computer via Touchscreen abgerufen werden.
In der Wechselausstellung wird das seltene Birkhuhn vorgestellt.
Die Ausstellung ist auch für Kinder geeignet
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
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