Föderalismus löst nicht sämtliche Probleme
Die Welt wird regional. Für den ehemaligen Bundesrat Arnold Koller könnte dies ein Nachteil für die Schweiz sein, die keiner regionalen Organisation angehört.
Koller nahm an der 3. Internationalen Föderalismus-Konferenz vom 3. bis 5. März in Brüssel teil.
Über 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Politiker und Experten aus über 80 Ländern, haben in Brüssel das Thema Föderalismus erörtert. Dabei ging es um Möglichkeiten und Grenzen dieser Staatsform.
Es gebe kein Föderalismus-Modell, das auf alle Länder angewandt werden könnte, stellten die Teilnehmer fest. Jedes Land müsse seine Form finden und diese ständig weiterentwickeln
«Viele lieben das Wort an und für sich nicht, obwohl es oft eine geeignete Staatsform wäre», sagte Thomas Fleiner, Direktor des Föderalismus-Institutes an der Universität Freiburg. Die Englischsprechenden sähen darin fälschlicherweise einen befohlenen bürokratischen Regionalismus und die Afrikaner würde es an die Apartheid erinnern.
«So, wie er von der Schweiz praktiziert wird, bin ich überzeugt, dass Föderalismus unterschiedlichen Kulturen ein Zusammenleben erlaubt», sagt Fleiner weiter.
Auch der ehemalige Bundesrat Arnold Koller nahm an der Konferenz in Brüssel aktiv teil. Koller hatte bei der letzten internationalen Föderalismus-Konferenz im Jahre 2002 in St. Gallen den Vorsitz inne gehabt. swissinfo hat mit ihm über die Debatten in Brüssel gesprochen:
swissinfo: Die Konferenz in Brüssel stellte die Rolle des Föderalismus bei der Lösung von Konflikten in den Mittelpunkt. Kann Föderalismus Krieg vermeiden?
Arnold Koller: Die Erfahrung zeigt, dass Föderalismus dazu beitragen kann, ethnische Probleme zu lösen, und er kann präventiv wirken. Aber es wäre verfehlt zu sagen, dass eine föderale Staatsform dem Staat erlaubt, alle Probleme zu lösen. Doch bedenken wir, was im ehemaligen Jugoslawien geschehen ist.
swissinfo: Welches sind ihre Kernpunkte dieser 3. Föderalismuskonferenz?
A.K.: Sicher waren die Diskussionen rund um die neue Verfassung der Europäischen Union sehr wichtig. Das hat vor allem die Europäer interessiert aber auch Kanadier, Amerikaner und Afrikaner.
Generell stellte ich eine weltweite Tendenz zu einer Regionalisierung fest. Es entstehen zunehmend diesbezügliche regionale Organisationen. Das Modell der EU ist bekannt. Aber es gibt andere, wie der Mercosur oder die Nafta. Afrika will eine Afrikanische Union ins Leben rufen.
In meiner Arbeitsgruppe haben wir viel darüber gesprochen, ob die EU bereits ein föderales Gebilde sei oder nicht. Ich finde diese Debatte überflüssig. Es ist augenfällig, dass sich die EU zu einem regionalen Projekt entwickelt. Die Frage ist nun noch, wie eine entsprechende Verfassung die regionale Autonomie gewährleistet.
swissinfo: Welche Schlüsse oder Lehren ziehen Sie aus der Konferenz?
A.K.: Sollte sich der Prozess hin zu einer Regionalisierung in der Welt fortsetzten, dann wird die Schweiz ein Problem kriegen. Sie verweigert sich nämlich bislang dieser Regionalisierung. Wir werden mit den Nachteilen unserer Isolation konfrontiert werden. So, dass wir uns überall in Erinnerung rufen müssen: «Bitte vergesst uns nicht.»
swissinfo: In einem in der Schweiz vielbeachteten Studie wurde kürzlich verlangt, die Schweiz in neue Regionen aufzuteilen. Wie denken Sie darüber?
A.K.: An das glaube ich nicht. Es ist nicht realistisch. Wir sollten die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene verstärken. Da sehe ich die Zukunft für die Schweiz.
swissinfo, Barbara Speziali in Brüssel
(Übersetzung aus dem Französischen: Urs Maurer)
Die 3. Internationale Föderalismus-Konferenz fand vom 3. bis 5. März in Brüssel statt.
Etwa 600 Politiker und Experten aus rund 80 Ländern nahmen teil.
Nach Kanada (1999), Schweiz (St. Gallen 2002) und Brüssel 2005 wird die Konferenz vermutlich 2007 oder 2008 in Indien stattfinden.
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