Forschung für Millenniumsziele
Ein Schweizer Forschungsinstitut engagiert sich, damit Entwicklungsländer ihre Trink- und Abwasserprobleme in den Griff bekommen.
Rund 1 Mrd. Menschen fehlt der Zugang zu sauberem Trinkwasser und bei 2,6 Mrd. herrschen ungenügende Hygiene-Standards bei der Fäkal- und Abwasser-Entsorgung.
Mit sauberem Wasser und einer besseren Entsorgung von Fäkalien und Siedlungsabfällen will die Eawag, das Schweizer Wasserforschungs-Institut der Eidg. Technischen Hochschule Zürich (ETH) den von der UNO deklarierten Millenniums-Entwicklungszielen gerecht werden.
Sonnenlicht + PET = keimfreies Wasser
Die Eawag hat kürzlich Projekte vorgestellt, wie sauberes Trinkwasser mit einfachsten Mitteln von Fäkalbakterien gereinigt werden kann.
Zur solaren Trinwasserdesinfektion (SODIS) braucht es lediglich eine einfache PET-Flasche, ein heisses Dach und ein paar Stunden Zeit. Durch die natürliche Aufheizung des Wassers werden gefährliche Keime abgetötet, gewissen Krankheiten wie Durchfall wird ein Riegel geschoben.
Grosse Auswirkungen
Das hört sich vielversprechend an aber nicht spektakulär. Die Wichtigkeit erschliesst sich jedoch, wenn man daran denkt, dass in einem Entwicklungsland alle 15 Sekunden ein Kind an den Folgen einer Magen-Darm-Erkrankung stirbt.
Alle 15 Sekunden ein totes Kind, das entspricht 2 Mio. Todesopfern pro Jahr, also dem Absturz eines vollbesetzten Jumbos alle 90 Minuten oder monatlich einer Tsunami-Katastrophe wie jener vom 26. Dezember 2004, wie die Eawag kürzlich berechnet hat.
Bekannt machen
«Wir haben durch unsere Forschung aufgezeigt, dass mit SODIS Cholera-Erreger, Viren- und Bakterien abgetötet werden. Jetzt beschäftigt uns die Frage, wie diese Technologie unter die Leute gebracht werden kann», sagt Christian Zurbrügg gegenüber swissinfo. Er ist Leiter der Abteilung Wasser- und Siedlungshygiene in Entwicklungsländern bei der Eawag.
«Wir haben nämlich feststellen müssen, dass sich diese Erkenntnis nicht so lawinenartig weiterverbreitet hat, wie wir erwartet hatten», erklärt Zurbrügg.
Ein Grund: Die Technologie ist sehr simpel und gratis. «Und wenn etwas gratis ist, kann es auch nichts wert sein.»
Zurbrügg weiter: «Also versuchen wir, SODIS als Produkt zu vermarkten. Kleinunternehmer bieten die Flasche mit einem Ständer, mit einer Verpackung an.»
Und wenn man für ein Produkt bezahle, trage man mehr Sorge dazu. «Vor allem ist es dann nicht mehr ein Produkt für Arme. Die Menschen wenden nicht gerne etwas an, das für die Armen deklariert ist.»
Nicht nur sauberes Wasser!
Sauberes Trinkwasser ist eine Komponente für gesunde Lebensbedingungen. Genauso wichtig ist auch die wirksame Entsorgung von Abwasser und Fäkalien.
In vielen Ländern des Südens und Ostens ist eine Abwasser-Kanalisation meist zu unwirtschaftlich, zu teuer und es mangelt meist auch an Wasser.
So benutzen die meisten Menschen in den Entwicklungsländern, auch jene in den Millionenmetropolen Bangkok, Manila oder Jakarta, Fäkaliengruben. Bangkok beispielsweise produziert täglich rund 3000 m3 Fäkalienschlamm. Das entspricht 50 Bahn-Tankwagen. Und diese Menge muss auch entsorgt werden.
Leider landet der Schlamm oft in Gewässern, auf unbenutzten Landflächen, Gemüsefeldern, in den Quartierstrassen oder auf freien Nachbargrundstücken, oft dort, wo Kinder ihre Spielplätze haben.
Die Wissenschafter haben technische Lösungen, wie die Entsorgung in speziellen bepflanzten Beeten, erforscht. Die technischen Verfahren reichen jedoch nicht aus. «Man muss Einsammlungsverfahren entwickeln, damit die eingesammelten Fäkalschlämme auch wirklich zur Anlage gebracht und nicht wild deponiert werden», so Zurbrügg.
Deshalb hat die Eawag mit Stadtverwaltungen, Bewohnern und Entsorgungsbetrieben regionale Entsorgungs-Konzepte entworfen. «Einmal realisiert lassen sich solche Konzepte relativ einfach auch auf andere Gemeinwesen adaptieren», erklärt Zurbrügg.
Kompostieren – Lösung für vielschichtige Probleme
Weiter lassen sich Fäkalien und organische Abfälle mit Quartier- oder regionalen Kompostierungsanlagen leicht verarbeiten. Das hilft auch gegen die Erderwärmung, da mit der Kompostierung sehr viel Methangas eingespart wird.
Und das ist auch interessant für die Schweiz, kann sie doch mit der Unterstützung von derartigen Projekten in den Handel von so genannten CO2-Emissionen einsteigen.
Millennium-Entwicklungsziele
Damit die knappen finanziellen Ressourcen möglichst effizient eingesetzt werden, versucht die Eawag nur jenen Teil der Forschung in der Schweiz zu behalten, der in Entwicklungsländern nicht realisierbar ist.
So werden die «teuren» Schweizer Forscher mit der Ausbildung ihrer «günstigeren» Kollegen in den Entwicklungsländern im Süden und Osten beauftragt. Ziel: In Zukunft soll qualitativ hochwertige Forschung in diesen Ländern betrieben werden.
Weiterer Vorteil: Schweizer Forschende und Studierende erhalten Zugang zu ausländischen Forschungs-Institutionen.
swissinfo, Etienne Strebel
189 Staats- und Regierungs-Chefs haben 2000 am UNO-Millenniumsgipfel die Millenniums-Deklaration verabschiedet. Nachfolgend die 7 Ziele der Millenniums-Erklärung:
1. Frieden, Sicherheit, Abrüstung
2. Entwicklung und Armutsbeseitigung
3. Schutz unserer gemeinsamen Umwelt
4. Menschenrechte, Demokratie und gute Regierungs-Führung
5. Schutz der Schwächeren
6. Deckung der besonderen Bedürfnisse Afrikas
7. Stärkung der Vereinten Nationen (UNO)
Auf der Grundlage der Ziele wurden 8 Millenniums-Entwicklungs-Ziele vereinbart, die bis 2015 erreicht werden sollten:
1. Halbierung der extremen Armut und des Hungers
2. Verwirklichung der allgemeinen Primarschulbildung
3. Forderung der Gleichstellung der Geschlechter und Ermächtigung der Frauen
4. Senkung der Kindersterblichkeit um zwei Drittel
5. Verbesserung der Gesundheit von Müttern
6. Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen Krankheiten
7. Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit
8. Aufbau einer weltweiten Entwicklungs-Partnerschaft
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