Führt Cannabis-Konsum zu Schizophrenie?
Eine Studie der Universität Zürich, die behauptet, es gebe eine Verbindung zwischen Cannabis-Konsum und dem Entstehen von Schizophrenie, hat in der Schweiz eine Debatte ausgelöst.
Forscher haben unter jungen Leuten der liberalen 1990er-Jahre eine auffallend hohe Schizophrenie-Rate festgestellt. Allerdings sei unklar, wie viele dieser Patienten Cannbis konsumiert hätten, sagen kritische Stimmen.
Die Studie hat Daten von 8000 Patientinnen und Patienten des Kantons Zürich untersucht, bei denen zwischen 1977 und 2005 erstmals Schizophrenie aufgetreten ist.
Dies traf vermehrt in den 1990er-Jahren bei den Altersgruppen zu, die häufig Cannabis rauchen.
Laut der am Montag veröffentlichten Studie trat die Krankheit bei Männern zwischen 15 und 19 Jahren drei Mal häufiger, bei Männern zwischen 20 und 24 zwei Mal häufiger auf als im Durchschnitt.
Wie Wulf Rössler, Co-Autor der Studie gegenüber swissinfo sagte, beweisen die Resultate eine direkte Verbindung zum Cannabis-Konsum: «Wir wissen aus anderen experimentellen Studien, dass Cannabis eine Psychose bewirken kann, doch jetzt haben wir zum ersten Mal einen klaren Hinweis auf Schizophrenie.»
Bei gelegentlichem Rauchen der Droge erhöhe sich das Risiko nicht, aber bei täglichem Konsum während Jahren steige das Risiko zwei bis drei Mal. «Das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, hat eine direkte Beziehung mit der Häufigkeit des Drogenkonsums», führt Rössler aus.
Nicht überzeugt
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist allerdings nicht überzeugt von der Studie und verweist auf einen weiteren plötzlichen Anstieg von Schizophrenie in der Mitte der 1980er-Jahre und die Tatsache, dass die Drogengeschichten der Patienten und andere medizinische Details ungeklärt bleiben.
«Die Studie kann die Krankheitsgeschichten der Patienten nicht aufzeigen, etwa den Konsum von psychotischen Substanzen oder anderen Faktoren, die zu psychotischen Erkrankungen führen», schreibt das BAG in einem Communiqué.
Der Zusammenhang zwischen Schizophrenie und Cannabis-Konsum sei noch nicht bewiesen, heisst es.
Ambros Uchtenhagen, ein Drogenexperte im Institut für Sozial- und Präventivmedizin in Zürich, begrüsst den Bericht, meldet allerdings Vorbehalte gegen die Ergebnisse an.
«Die Resultate sind rein hypothetisch und sollten nicht missbraucht werden, insbesondere nicht für politische Zwecke, um zu sagen, dass Cannabis mit Sicherheit Schizophrenie verursache», sagt Uchtenhagen gegenüber swissinfo.
Warnung an gefährdete Personen
«Niemand weiss, ob diese Personen jemals Cannabis geraucht haben. Es ist eine interessante Hypothese und eine Einladung, genauer zu untersuchen, was wirklich geschah», sagt Uchtenhagen weiter.
Die schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) findet die Hypothese «ziemlich einleuchtend», aber nicht bewiesen. Sie verweist auf andere Untersuchungen, die eine Beziehung zwischen Cannabis-Konsum und Schizophrenie annehmen.
SFA-Sprecherin Gerlind Martin warnt anfällige Leute vor dem Experimentieren mit Drogen: «Junge Menschen, die in der Entwicklung stecken, und Erwachsene in schwierigen Lebenssituationen sollten keine Drogen konsumieren, auch kein Cannabis.»
swissinfo, Matthew Allen
(Übertragung aus dem Englischen: Susanne Schanda)
Rund 1% der Weltbevölkerung, quer durch alle Rassen und Länder, leidet laut Schätzungen an Schizophrenie. Oft sind junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren betroffen.
Nicht jeder Betroffene leidet an den gleichen Symptomen. Das Hören von Stimmen tritt allerdings bei vielen Patienten auf.
Schizophrenie verändert die Art zu denken und zu fühlen und kann zu veränderter Wahrnehmung und gestörtem Denken führen.
Ursache und Heilung sind immer noch schwer fassbar, aber die Wirkungen können mit Behandlung und Unterstützung kontrolliert werden. Rund ein Viertel aller Patienten werden wieder ganz gesund.
Ein UNO-Bericht von Anfang dieses Jahres hat festgestellt, dass der Konsum und die Produktion von Cannabis in der Schweiz zunehmen. Fast 10% der 15- bis 64-Jährigen konsumieren die Droge.
Dagegen zeigt eine Studie der schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme vom Februar zum ersten Mal in den letzten 20 Jahren eine Abnahme des Cannabis-Konsums bei 15-Jährigen.
Eine schweizerische Gesundheitsumfrage von 2002 ergab, dass 28% der befragten 15- bis 39-Jährigen mindestens ein Mal in ihrem Leben Cannabis geraucht hatten.
Eine Gruppe Politiker und Drogenexperten lancierte letztes Jahr einen Versuch zur Entkriminalisierung von Cannabis. Sie wollen eine nationale Abstimmung durchführen mit dem Ziel, Besitz und Konsum der Droge unter kontrollierten Bedingungen legal zu machen. Die Abstimmung ist nicht vor nächstem Jahr zu erwarten.
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