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G-8-Gipfel erhitzt auch Klima in der Schweiz

Globalisierungsgegner im Kostüm der G-8-Führer posieren im Hafen von Rostock. Keystone

Im norddeutschen Heiligendamm treffen sich die acht Staaten der Welt, die sich als die Grössten erachten, zum jährlichen informellen G-8-Gipfel. Prioritär ist das Traktandum Klimaschutz.

In der Schweiz ist die G-8 umstritten. Informell versucht die Regierung, ihre klimapolitischen Ideen auf Umwegen einzubringen. swissinfo hat Stimmen eingeholt.

Die Schweiz hat keinen direkten Einfluss auf die Mitgliedstaaten des G-8-Clubs. Und «innerhalb der Klima-Debatte dürfte sie wohl ziemlich irrelevant sein», schätzt Silvio Borner, Professor an der Uni Basel.

Ähnlich wie das Davoser Weltwirtschafts-Forum (WEF) provoziert die seit 1975 existierende, selbst proklamierte Macht-Institution G-8 auch schweizerische Nicht-Regierungs-Organisationen und Globalisierungs-Gegner, die dieses Jahr erneut zahlreich ans Treffen gereist sind.

Die Schweizer Regierung ihrerseits hat dieses Jahr informell versucht, ihre Klima-Anliegen über das EU-Umweltminister-Treffen in Essen auch in Heiligendamm einzubringen.

Informelle Kontakte unter Umweltministern

Weil die Klimafrage am Gipfel das wichtigste Thema sein wird, hatte sich Umweltminister Moritz Leuenberger noch am vergangenen Wochenende bemüht, «die schweizerischen Umweltanliegen über informelle Kontakte einzubringen», sagt UVEK-Sprecher Harald Hammel gegenüber swissinfo.

«Aus Aktualitätsgründen hat Moritz Leuenberger letztes Wochenende mit dem deutschen Umweltminister Sigmar Gabriel besonders ausführlich über die Klimavorschläge von US-Präsident George Bush diskutiert», so Hammel.

«Bemerkenswerte Kehrtwendung»

Bushs Ankündigung bedeutet laut Leuenberger eine «bemerkenswerte Kehrtwendung». Dass sie von der Administration Bush vollzogen werden musste, so der Vorsteher des Umweltministeriums, zeige auch, wie dringlich dem Klimawandel entgegen gewirkt werden müsse.

Leuenberger hält im Gegensatz zu Bush fest: «Die Reduktionsziele müssen global und verbindlich festgelegt werden.» Das möchte auch Deutschland am G-8-Gipfel erreichen.

Schweizer demonstrierten

Zahlreiche Schweizer Globalisierungsgegner waren bereits am vergangenen Wochenende nach Rostock gereist. Die globalisierungskritische Bewegung Attac organisierte einen Extrazug ab Basel.

So auch ein 23-jähriger Jus-Student aus Bern (Name der Redaktion bekannt). «Unser Ziel in Rostock ist es, die G-8 zu delegitimieren», sagte er gegenüber swissinfo. Mit verschiedenen Aktionen wollten sie versuchen, den Gipfel zu stören, «zum Beispiel um zu verhindern, dass die Kaviarlieferanten in Heiligendamm ankommen».

Das Grossaufgebot von Polizisten nimmt der junge Globalisierungsgegner als erdrückend wahr. Es gebe in der ganzen Stadt keine Strasse ohne Polizeipräsenz. Immer wieder würden Leute aus unerfindlichen Gründen verhaftet, und überall stünden Wasserwerfer. Verhaftet, aber tags darauf wieder auf freien Fuss gesetzt, wurde auch einer seiner Kollegen aus Bern.

Mit der Gewalt militanter Gruppen unter den Demonstranten habe er Mühe. Aber es sei – angesichts der Kriege, die auch von den G-8-Staaten geführt würden – «grotesk, über einige zerbrochene Scheiben zu diskutieren», meint der junge Mann.

«Inszenierung der Ohnmacht»

Oliver Classen, Sprecher der NGO «Erklärung von Bern» (EvB), sagt: «Dass es einer derartigen Inszenierung der Macht bedarf, die jetzt umschlägt in eine Inszenierung der Ohnmacht, zeigt, dass diese Form von Gipfeltreffen überholt ist.» Das sehe man schon an der überholten Konstellation der Zusammensetzung der G-8-Länder: «China ist nicht dabei, Italien jedoch immer: Mit weltwirtschaftlicher Realität hat das nichts mehr zu tun.»

Während die EvB die UNO, die sich aus mehrheitlich demokratisch gewählten Staaten zusammensetze, grundsätzlich gutheisse, habe man mit «exklusiven Zirkeln» wie der G-8 oder dem WEF in Davos Mühe.

«Aufmerksamkeits-Ökonomie»

Gewaltausbrüche verurteilt Classen in aller Form, weil sie kontraproduktiv seien für alle Beteiligten.

Laut dem EvB-Sprecher gehe es dabei, wie die Erfahrungen bereits 1999 in Seattle und 2001 in Genua zeigten, um «Aufmerksamkeits-Ökonomie»: «Brennen die Barrikaden, werden die Inhalte verschüttet, auch jene der Globalisierungs-Gegner.»

Zwar hätten sich bei den Leuten viele Ohnmachtsgefühle angestaut, doch handle es sich bei den Gewalttätigen um inhaltsleere Event-Touristen, die ein destruktives Show-Business aufführten, so Classen.

swissinfo, Alexander Künzle und Jean-Michel Berthoud

Die G-8 («Gruppe der Acht») sei eines der wichtigsten internationalen Foren globaler Verantwortung, schreibt die deutsche Bundesregierung.

Die Organisationsgewalt und die Themenausrichtung des Gipfels liegen in den Händen der jeweiligen Präsidentschaft, dieses Jahr Deutschlands.

Zum ersten Mal trafen sich 1975 im französischen Rambouillet Staats- und Regierungschefs wichtiger Industrienationen, um über die Entwicklung der Weltwirtschaft zu diskutieren.

Sie repräsentierten damals die 6 resp. 7 grössten Volkswirtschaften der Welt.

Die G-8 ist ein informelles Forum und keine internationale Organisation. Es gibt weder einen eigenen Verwaltungsapparat mit Sekretariat noch eine permanente Vertretung.

2003 fand der Gipfel im französischen Evian am Genfersee statt. Dabei wurde die Schweizer Seeseite, besonders Genf, von den Krawallen und Ausschreitungen gewalttätiger G-8-Gegner betroffen.

Vom 6. bis 8. Juni treffen sich in Heiligendamm die Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten zu ihrem jährlichen Gipfel.
Der G-8 gehören Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, USA, Kanada (seit 1976) und Russland (seit 1998) an.
Ausserdem ist die Europäische Kommission bei allen Treffen vertreten.
«Wachstum und Verantwortung» – dieses Leitmotiv beschreibt die deutsche G-8-Präsidentschaft 2007.
Die Ausgestaltung der globalisierten Weltwirtschaft und die Entwicklung Afrikas stehen im Mittelpunkt des Gipfels in Heiligendamm.

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