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Garantierte Menschenwürde für Tausende

Familiennachzug für Ausländer, ein Akt der Menschenwürde. swissinfo.ch

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus, EKR, verlangt Verbesserungen bei Personen, die vorübergehend in der Schweiz aufgenommen werden.

Wer über eine Aufenthalts-Bewilligung F verfüge, müsse mit beträchtlichen Nachteilen leben.

Zwei Studien im Auftrag der EKR kommen zum Schluss, dass rund 80% der 26’000 in der Schweiz vorläufig Aufgenommenen mit Aufenthaltsbewilligung F statusbedingte Nachteile in Kauf nehmen müssen, die gesellschaftliche Nachteile nach sich ziehen. Dies, weil die Betroffenen länger als 5 Jahre – viele sogar mehr als 10 Jahre – mit den Einschränkungen der Bewilligung F leben müssen.

Einen Ausweis F haben zur Zeit vor allem Menschen aus Serbien/Montenegro, Sri Lanka, Somalia und Bosnien-Herzegowina.

Warum wurden die Studien gemacht? Schon seit einiger Zeit hätten Private und Nichtregierungs-Organisationen das Problem der vorläufigen Aufnahme mit Ausweis F an die EKR herangetragen, schreiben die Autoren der Studie «Aufgenommen aber ausgeschlossen». Dies mit der Bitte, «Ungerechtigkeiten», Härten und bestehende Vorurteile gegenüber Menschen mit diesem Status zu bekämpfen.

Neues Asylrecht

Mit der Publikation der Studien soll laut EKR die öffentliche Debatte über das Thema angestossen werden. Zudem stünden sie dem Parlament zur Verfügung, das demnächst über die Asylgesetzrevision berate.

Die Studie «Aufgenommen aber ausgeschlossen» beruht auf insgesamt 48 persönlichen Interviews mit Fachexperten und –expertinnen des Bundes, kantonalen Behörden, nicht-staatlichen Stellen sowie mit vorläufig aufgenommenen Personen selbst.

Aufgrund der Studien hat die EKR nun Vorschläge ausgearbeitet, welche den am Sonntag neu gewählten Parlament im Hinblick auf die Revision des Asylrechtes vorgelegt werden sollen. Dem selben Zweck und Hintergrund dient auch die zweite Studie «Vorläufig aufgenommen.»

Status verbessern

Erläutert und thematisiert wird in den Studien, wie ein vorläufig gewährter Aufenthalt in der Schweiz gemäss Aufenthaltsbewilligung F die Garantie der Menschenwürde tangieren kann.

Es liege im Interesse der Kommission, zur Verbesserung des Aufenthaltsstatus vorläufig Aufgenommener beizutragen und den Betroffenen «echte Integrationsmöglichkeiten zu bieten», schreibt EKR-Präsident Georg
Kreis im Vorwort zu den beiden Studien.

Konkret gehe es dabei etwa um Fragen des Familiennachzugs, der Mobilität oder des Zugangs zum Arbeitsmarkt, Bildung und Sozialhilfe. In dieser Hinsicht seien nicht zuletzt auch Kinder und Jugendliche vom Ausschluss besonders betroffen, schreibt die EKR.

Humanitäre Aufnahme

Doris Angst, die Leiterin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, sagte gegenüber swissinfo, dass nicht alle mit der Aufenthaltsbewilligung F nun einen B-Status erhalten sollen.

«Wenn jemand einige Monate bis maximal drei Jahre in der Schweiz ist, kann man ihm die Einschränkungen des Ausweis F zumuten», sagt Angst. Das verstosse auch nicht gegen die Grundrechte der Verfassung.

«Ist die Verweildauer in der Schweiz aber länger, dann sollte eine humanitäre Aufnahme, wie das mit dem Ausweis B möglich ist, gestattet werden.» Denn die Einschränkungen mit dem Ausweis F seien doch markant: kein Familiennachzug, keine Arbeits- und Ausbildungsbewilligung, weniger Sozialhilfe und eingeschränkte Mobilität.

Ein neuer Status in Form einer humanitären Aufnahme für jene Personen, welche die Flüchtlingseigenschaften nicht erfüllen und im Fall einer Wegweisung in eine schwere Notlage gerieten, wäre daher in jedem
Fall ein Fortschritt, heisst es auch in der beiden Studien.

Ungelöst bliebe in einem solchen Fall jedoch die grundsätzliche Problematik rund um das Provisorium eines Aufenthalts.

Demnächst im Parlament

Im Hinblick auf den juristischen Status vorläufig Aufgenommener kommt das Institut für öffentliches Recht der Universität Bern zum Schluss, dass sich Einschränkungen im Bereich des Familienlebens, der Arbeit oder der Sozialhilfe zwar für kurze Dauer rechtfertigen lassen.

Blieben sie allerdings über längere Zeit wirksam, könne dies die Garantie der Menschenwürde tangieren. Mit Befriedigung habe die EKR aber schon heute davon Kenntnis genommen, dass mit der neuen Integrations-Verordnung künftig auch Menschen mit einer F-Bewilligung in den Genuss von Integrations-Massnahmen kommen sollen.

Doris Angst findet auch, dass die Vorschläge der Kommission auf der Linie der Regierung bei der Revision der Asylgesetze liegen. Sie erwartet aber, dass im neugewählten Parlament Befürworter und Gegner mit «harten Bandagen» kämpfen werden.

swissinfo und Agenturen

Ausweis F

Gemäss der Untersuchung des Schweizerischen Forums für Migrations- und
Bevölkerungsstudien (SFM) wird eine so genannte F-Bewilligung jeweils für eine Dauer von zwölf Monaten erteilt, wobei eine Wegweisung allerdings jederzeit möglich bleibt.

Diesen Ausweis erhalten ausländische Personen, die zwar aus der Schweiz weg- oder ausgewiesen sind, bei denen ein Vollzug dieser Ausweisung jedoch vorläufig nicht möglich oder zumutbar ist. Aus diesem Grund verfügt das Bundesamt für Flüchtlinge eine vorläufig Aufnahme.

Zu den wichtigsten Herkunfts-Gruppen mit Ausweis F gehören Menschen aus Serbien/Montenegro und aus Sri Lanka (je rund 30%), darauf folgen Somalia (13%) und Bosnien-Herzegowina (8%).

Ausweis B

Unterscheidet zwischen EU-Bürgern und Nicht-EU-Bürgern.
EU-Bürger erhalten eine Aufenthalts-Bewilligung für die ganze Schweiz. Für die andern gilt nur Aufenthalt im Kanton, der die Bewilligung ausstellte.

Die Bewillgung ist für EU-Bürger auf 5 Jahre befristet, für die andern zwischen 12 und 48 Monaten.

Eine Verlängerung ist möglich.

Es besteht für beide Kategorien ein Anspruch auf Familiennachzug.

Der erste Stellenantritt ist bewilligungspflichtig. Nicht-EU-Bürger müssen auch einen Stellenwechsel bewilligen lassen.

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