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Geburtenrate in der Schweiz auf Tiefstand

Das Zahlen-Verhältnis von alten zu jungen Menschen wird sich in Zukunft weiter zugunsten der Alten verschieben. Keystone

Die Zahl der in der Schweiz geborenen Babys ist auf das tiefste Niveau seit 25 Jahren gefallen.

Tiefe Geburtenraten werden in Zukunft wahrscheinlich zunehmen, da sich Familien-Strukturen ändern und mehr Frauen versuchen, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen.

In der Schweiz kamen im vergangenen Jahr 71’800 Kinder zur Welt. Das sind 0,7 Prozent weniger als 2002, meldet das Bundesamt für Statistik (BFS). Der Geburtenanteil ist seit 1993 konstant gesunken.

Nur 1978 und 1979 und in den 1930er-Jahren war die Zahl der Geburten noch tiefer. Im Jahr 2003 kamen auf eine Frau 1,37 Kinder, laut BFS ein Rekordtief. 1990 war dieser Mittelwert noch bei 1,59 Kindern pro Frau gelegen.

Das Alter der Gebärenden steigt im Gegenzug stetig an. Drei von fünf Frauen sind älter als 30 Jahre, wenn sie ein Kind bekommen. Rund jedes achte Kind stammt aus einer nicht ehelichen Beziehung.

Im Trend

Beat Fux vom Soziologischen Institut der Universität Zürich verweist darauf, dass die Schweiz mit ihren geringeren Geburtenraten nicht allein da stehe. In den meisten Staaten Westeuropas sei die Anzahl der Neugeborenen in den letzten 40 Jahren gesunken.

«Seit den späten 60er-Jahren hat sich das Wertesystem verändert. Der Geschlechter-Gleichheit wird heutzutage viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet», erklärt Fux gegenüber swissinfo.

Zudem seien die Frauen heute besser ausgebildet. Dank dieser Ausbildung seien sie auch mehr daran interessiert, am Arbeitsmarkt teilzuhaben.

Hindernisse

In der Schweiz existiert noch immer keine staatliche Mutterschafts-Versicherung. Der Dachverband der Arbeitnehmenden Travail.Suisse wies diese Woche in einem Communiqué darauf hin, die betroffenen Frauen würden ihre Rechte nur ungenügend kennen. Auch hielten sich die Arbeitgeber oft nicht an Gesetze und Schutzbestimmungen oder setzten schwangere Frauen und stillende Mütter gar unter Druck.

Das Schweizer Volk wird Ende September über einen 14-wöchigen Mutterschafts-Erwerbsersatz abstimmen. Vor 59 Jahren hatten die Schweizer Stimmbürger zwar einen Verfassungsartikel zur Einführung einer Mutterschaftsversicherung angenommen. Seither wurden jedoch sämtliche Vorlagen zur Umsetzung dieser Verfassungs-Grundlage abgelehnt.

Ohne Trauschein

Die wachsende Zahl der Kinder von unverheiratetern Müttern in der Schweiz sei eine interessante Entwicklung, sagt Fux weiter.

Eine Untersuchung zeigt einen Anstieg der Geburtsrate unverheirateter Frauen im Jahr 2003 auf 12,4% (11,7% im Jahr 2002). Seit den 1990er-Jahren wurde eine starke Zunahme verzeichnet, hatte doch die Rate 1992 erst bei 6,2% gelegen.

«Es scheint, dass es bis in die späten 90er-Jahre für Unverheiratete relativ schwierig war, Kinder in die Welt zu setzen. Nun aber wird das mehr und mehr akzeptiert,» sagt Fux gegenüber swissinfo.

Getrübte Zukunft

Laut dem Soziologen Fux könnte die sinkende Geburtenrate in der Schweiz negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben: «Die Überalterung der Gesellschaft wird voranschreiten. Und dies wird die Finanzierungs-Probleme der Sozialversicherungen verstärken.»

Trotz dieser Aussichten ist Fux über die fallende Geburtsrate nicht allzu besorgt. Die Gesellschaft werde in Zukunft mit diesem Problem umzugehen wissen.

Laut Fux könnten verbesserte Rahmenbedingungen Frauen veranlassen, Mutterschaft und Beruf zu kombinieren. Anstrengungen, Frauen zu unterstützen, mehr Kinder zu haben, seien jedoch normalerweise nicht sehr erfolgreich.

«Keines der hoch entwickelten Länder gibt zur Hoffnung Anlass, die Geburtenrate bewege sich wieder nach oben», betont Fux.

«So müssen wir uns halt auf eine tiefere Geburtenrate einstellen, mit der die Erneuerung der Bevölkerung in Zukunft nicht mehr garantiert ist.»

swissinfo, Isobel Leybold-Johnson
(Aus dem Englischen übertragen: Etienne Strebel)

2003 wurden in der Schweiz 71’800 Kinder geboren – 0,7% weniger als 2002.
Das ist die tiefste Geburtenrate seit 25 Jahren.
Die Zahl der Kinder, die eine Frau durchschnittlich zur Welt bringt, ist auf 1,37 gefallen.
Drei von fünf gebärenden Müttern sind über 30 Jahre alt.

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