Gegen Filz – für mehr Transparenz
Die Ärzteschaft gibt sich für ihre Zusammenarbeit mit der Pharma-Industrie ethische Leitplanken.
Auslöser für diesen Schritt war die zunehmende Kritik an der engen Verflechtung zwischen der medizinischen Forschung und der Pharma-Industrie.
Im vergangenen Herbst hatten 13 Chefredaktoren renommierter medizinischer Fachblätter Alarm geschlagen: «Pharma-Firmen übernehmen immer häufiger die Interpretation von Daten klinischer Tests und verhindern deren Veröffentlichung, wenn ihnen die Ergebnisse nicht gefallen», stand im «British Medical Journal» geschrieben.
Diese harsche Kritik wurde auch in der Schweiz gehört, denn dass es auch hierzulande finanzielle Verflechtungen, mangelnde Transparenz und Interessenskonflikte gibt, liegt auf der Hand, sind hier doch 790 Pharmafirmen angesiedelt.
Praktisch alle Medikamenten-Studien sind von der Pharma-Industrie gesponsert. Sie finanziert aber auch Dozentenstellen: In Bern sponsert Novartis für 2,5 Mio. Franken einen Lehrstuhl für Psychosomatik und Rehabilitation. Und Roche lässt sich einen Lehrstuhl für Immunologie 12 Mio. Franken kosten.
Für mehr Unabhängigkeit
Medizinische Forschung sei ohne eine starke Beteiligung der Industrie nicht mehr denkbar, erklärte der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) bei der Präsentation von berufs-ethischen Leitplanken in Bern.
Mit der Veröffentlichung der Empfehlungen «Zusammenarbeit Ärzteschaft – Industrie» unterstreicht die Ärzteschaft, dass Handlungsbedarf besteht. Sie haben zum Ziel, die Unabhängigkeit von Ärzteschaft und Forschung zu wahren und mehr Transparenz zu schaffen.
Die Empfehlungen halten fest, dass die an klinischer Forschung beteiligten Wissenschafter kein finanzielles Interesse an einem Versuch haben dürfen und ihre Interessenbindungen offen legen müssen.
Mehr Transparenz
Weiter soll sichergestellt werden, dass die auftraggebende Firma unerwünschte Resultate eines Versuchs nicht unter Verschluss hält.
Ausserdem wird eine bessere Transparenz über die Geldflüsse und die Sponsoren bei der klinischen Forschung angestrebt.
Auch Veranstaltungen der Universitäten sollen nicht von der Pharma-Industrie gesponsert werden. Bei Weiter- und Fortbildungs-Veranstaltungen müssen Referenten ihre Interessenbindungen offen legen.
Moralischer Appell
Was die SAMW ihren Mitgliedern empfiehlt, hat keinen bindenden Charakter, sondern ist als Appell an das persönliche Verantwortungs-Bewusstsein jeder Ärztin und jedes Arztes zu verstehen, wie SAMW-Präsident Werner Stauffacher am Dienstag vor den Medien erklärte.
Monique Helfer von der Pressestelle der Swissmedic, zuständig für die Kontrolle und Zulassung von Heilmitteln in der Schweiz, ist überzeugt, dass die Empfehlungen einen Beitrag zur Qualität der Forschungsarbeit leisten: «Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften werden stark beachtet. Die SAMW geniesst grossen Respekt.»
Möglich, dass die ethischen Richtlinien die Missstände etwas entschärfen helfen. Es bleibt aber ein Problem, dass Mediziner und Medizinerinnen, die Karriere machen wollen, dies fast nur in Forschungs-Bereichen tun können, die zumindest indirekt von der Pharma-Industrie abhängig sind.
Gaby Ochsenbein und Agenturen
Bei der Publikation der Forschungsergebnisse soll der Sponsor genannt werden.
Wissenschafter sollen kein finanzielles Interesse am Versuch haben.
Universitäre Veranstaltungen sollen nicht von der Pharma-Industrie gesponsort werden.
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