Gegen Spritfresser – für Kyoto
Die Schweiz wird ihre Klimaziele ohne Zusatzmassnahmen nicht erreichen können, ist die parlamentarische Gruppe Peak Oil überzeugt. Am Beispiel der Energie-Effizienz bei Personenwagen zeigt sie auf, dass es mehr braucht als freiwillige Massnahmen.
Die Schweiz stellt die klimaschädlichste Neuwagenflotte Europas. So hat 2007 ein Neuwagen in der Schweiz im Durchschnitt rund 180 Gramm CO2 pro Kilometer ausgestossen. In der Europäischen Union waren es unter 160.
Dies zeigen Zahlen, welche die Schweizerische Energiestiftung an der Frühlingsveranstaltung der parlamentarischen Gruppe Peak Oil präsentierte.
Statt der anvisierten 14,2 Mio. Tonnen CO2 aus Treibstoff-Emissionen fielen in der Schweiz im Jahr 2008 deren 17,7 Mio. an.
Die Gruppe Peak Oil will der Öffentlichkeit klarmachen, dass die Ölförderung ihren Zenit erreicht hat, dass fossile Energieträger wie Erdöl, Gas und Kohle endlich sind. Aber auch klimaschützerische Gründe sprechen dafür, dass sich der Mobilitätssektor rasch von der Erdölabhängigkeit lösen sollte.
Die Schweizer Klimapolitik muss Ihren Teil dazu beitragen, um die weltweite Erhöhung der Durchschnittstemperaturen gegenüber der Zeit vor der Industrialisierung auf höchstens 1,5 Grad zu beschränken.
Freiwilligkeit ist kein Patentrezept
Bis jetzt haben sich die Gegner einer CO2-Steuer hinter dem Argument verschanzt, Verbote oder Gebote würden keine oder zu wenig Wirkung zeigen. Die Klimaziele sollten mit freiwilliger Selbstbeschränkung erreicht werden.
Ein Blick auf die steigenden Verbrauchszahlen könnte auch ihnen klarmachen, dass die vielzitierte Freiwilligkeit nicht ausreicht, die Kyoto-Ziele zu erreichen.
Es stimmt zwar, dass Motoren und Technik der Neuwagen in den letzten Jahren tiefere Verbrauchswerte erzielten. Ein grosser Teil der daraus resultierenden Treibstoff- und Treibhausgas-Einsparungen wurde jedoch wegen des markant höheren Gewichts der Fahrzeuge wieder zunichte gemacht.
Auch die vielgepriesenen Elektrofahrzeuge, welche viele als Ausweg aus der drohenden Misere ansehen, sind (noch) nicht in der Lage, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Dazu reicht ein Blick in die Verkaufsstatistik der vergangenen Jahre: 2008 wurden 287‘971 neue Personenwagen verkauft. Ganze 4 davon waren Elektro-Personenwagen.
Zertifikate
Umweltorganisationen aber auch der Bund sind sich einig, dass etwas getan werden muss. Über das Wie und Was ist man sich nicht einig. Ökoorganisationen wie Greenpeace befürworten die Einführung von handelbaren Verbrauchsgutschriften für Neuwagen.
Wie funktioniert das? Der Bund setzt ein Ziel fest, zum Beispiel, die Senkung des CO2-Ausstosses von 178 auf 170 Gramm pro Kilometer CO2 im ersten Jahr. Wer ein Auto kauft, das nur 160 Gramm pro km CO2- ausstösst, erhält für jedes Gramm unter dem Richtwert eine Gutschrift.
Der Käufer eines Neuwagens mit einem CO2-Ausstoss von 180 g/km muss hingegen Gutschriften für 10 Gramm erwerben. So wird der Durchschnitts-Zielwert eingehalten. Der Preis für die Gutschriften wird jeweils ausgehandelt.
Peter Marti, Mitglied des Verwaltungsrates des Ingenieurbüros Metron im aargauischen Brugg, steht gegenüber swissinfo.chzu der von seiner Firma für Greenpeace entwickelten Studie: «Rein von der Idee her kann kein Zweifel bestehen, dass ein solches Instrument funktionieren würde.»
Dieser Handel hätte sogar den Vorteil, dass er fast garantiert wäre, weil es so viele Interessenten gebe, so viele Marktteilnehmende. Marti nennt weitere Beispiele handelbarer Zertifikate: CO2-Zertifikate, Kohlekraftwerk-Ausstosszertifikate, Schadstoffzertifikate.
Widerstand
Trotzdem schlägt dem an sich bewährten Konzept viel Widerstand entgegen. Neues sei mit Risiken verbunden, man wolle sich nicht auf Experimente einlassen, werde da ins Feld geführt. «Dann gibt es noch die emotionale Seite. Man hat einfach Angst, man werde in seiner Kauffreiheit eingeschränkt, man könne nicht mehr kaufen, was man wolle.»
Diese Angst hält Marti für unbegründet: «Für jeden Geschmack, für jeden Komfortanspruch ist etwas da. Und immer ist auch ein Fahrzeug da, das wenig Treibstoff verbraucht und wenig CO2 ausstösst. So müsste also niemand eine Einbusse seiner Lebensqualität riskieren.»
Kleine Schritte
Das Bundesamt für Energie (BFE) setzt dagegen auf die Nachfolgerin der Energie-Etikette, die Umweltetikette. Diese listet nicht nur die Energie-Effizienz des Neufahrzeugs auf, sondern versucht darzustellen, wie umweltverträglich das entsprechende Fahrzeug ist.
Das System Umweltetikette soll noch in diesem Frühjahr vom Bundesrat verabschiedet werden. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (UREK-N) schlägt zudem vor, den CO2-Ausstoss der Neufahrzeuge bis 2012 auf 130 Gramm/km zu senken, also auf den Stand, welcher der Europäischen Union entspricht.
Weiter möchte die UREK-N die kantonalen Motorfahrzeug-Steuern «ökologisieren», sprich, wer viel fährt, bezahlt höhere Fahrzeugsteuern, wer wenig fährt, zahlt weniger.
«Es ist sicher, dass es eine Vielfalt von Instrumenten brauchen wird. Mit allen Instrumenten, die Sinn machen, würden wir das Kyoto-Ziel erreichen. Da habe ich keinen Zweifel», sagt Peter Marti.
Etienne Strebel, swissinfo.ch
Die Schweiz hat 1997 das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und sich damit verpflichtet, ihre Emissionen der klimawirksamen Gase zu reduzieren. Das Gesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen verlangt, dass der CO2-Ausstoss bis zum Jahr 2010 gegenüber 1990 um 10% reduziert wird.
Es gibt dem Bundesrat die Kompetenz, eine CO2-Abgabe einzuführen, wenn dieses Ziel mit den ohnehin geplanten und den freiwilligen Massnahmen nicht erreicht werden kann.
Das Protokoll legt erstmals völkerrechtlich verbindliche Reduktionsziele für Treibhausgas-Emissionen für alle Industriestaaten fest. Im Zeitraum 2008-2012 soll erreicht werden, dass der CO2-Ausstoss der Industriestaaten gegenüber 1990 um 5,2% tiefer liegt. Die Schweiz und die EU haben sich zu einer Reduktion um 8% verpflichtet.
Das Kyoto-Protokoll ist ein am 11. Dezember 1997 beschlossenes Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) mit dem Ziel des Klimaschutzes.
In der Fachsprache wird Peak Oil als das Erreichen und Überschreiten der maximalen Ölförderrate eines Ölfelds bezeichnet. Er ist nicht identisch mit dem Ende der Ölreserven.
Viele Experten sind der Ansicht, dass der weltweite Peak Oil bereits erreicht ist oder bald erreicht sein wird. Dafür sprächen die stark steigenden Energiepreise, die auf eine zunehmende Verknappung von Erdöl und Erdgas hindeuteten.
Der Peak Oil lässt sich aber erst unumstösslich definieren, wenn die Förderrate auf Dauer unumkehrbar ist. Ab diesem Zeitpunkt wird die Nachfrage das Angebot endgültig übersteigen, was sich auch auf den Ölpreis auswirken wird.
Ökonomen sind der Ansicht, dass dies drastische Auswirkungen auf die Industrienationen haben wird.
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