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Gemischte Bilanz der biologischen Vielfalt

Reichtum an Artenvielfalt: Die Schweiz zählt rund 50'000 Tier- und Pflanzenarten. (J.Schmill)

Die Abnahme der Artenvielfalt in der Schweiz hat sich stabilisiert, bleibt aber fragil. Laut Experten sind gewisse Tier- und Pflanzenarten gefährdet.

Das Bundesamt für Umwelt stellte aus Anlass des internationalen Tages der Umwelt vom Montag erste Ergebnisse des seit fünf Jahren laufenden Biodiversitäts-Monitorings Schweiz (BDM) vor. Die Bilanz ist gemischt.

«Mit rund 50’000 Pflanzen- und Tierarten hat die Schweiz einen unglaublichen Reichtum an biologischer Vielfalt», sagt Bruno Oberle, Direktor des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), gegenüber swissinfo. «Das sind Naturschätze, zu denen wir Sorge tragen müssen.»

Als Zeichen der Verbesserung wertet das BAFU, dass die Zahl der heimischen Wirbeltiere nach den grossen Verlusten in den 80er-Jahren nun zwischen 1997 und 2005 praktisch stabil geblieben ist. Zwar verschwanden einige Arten, wie zum Beispiel die Bekassine oder der grosse Brachvogel. Umgekehrt seien aber neue Arten eingewandert oder heimisch geworden, so etwa der Wolf oder die Moorgrundel.

Trotzdem gemischte Bilanz

Trotzdem fällt die Bilanz des BAFU unter dem Strich gemischt aus.

Die Zahl der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten sei nach wie vor zu gross, mehr als jede zweite Art sei zumindest potenziell gefährdet. Viele Arten kämen nur noch in kleinen Beständen und an wenigen Stellen vor. Und die geschützten Biotope sind oft zu klein, um sie langfristig zu erhalten.

Das BAFU hält es demnach für wichtig, die Schutzgebiete noch auszudehnen.

Gegensatz zwischen Alpen und Mittelland

«Wir haben zwar eine erstaunlich grosse biologische Vielfalt in den Alpen und Voralpen», sagt Oberle. «Aber sie ist viel kleiner im Mittelland, wo es mehr wirtschaftliche Aktivitäten gibt. Hier müssen wir unsere Anstrengungen künftig konzentrieren.»

Im Walliser Mattertal zum Beispiel wurden etwa 80 verschiedene Arten von Tagfaltern gezählt. Im Mittelland dagegen wurde nur eine geringe Artenvielfalt festgestellt, was die Fachleute auf die intensive Landwirtschaft und den Siedlungsdruck zurückführen.

Auch das Mittelland weise eigentlich ein hohes ökologisches Potenzial aus, heisst es im BAFU. Wegen des grossen Nutzungsdrucks könne aber nur gehofft werden, dass die Talsohle schon durchschritten sei und sich dieses Potenzial weiter entfalten werde.

Jährliche Bilanz

Die biologische Vielfalt sei ein Reichtum, den die Schweiz hüten und pflegen müsse, so der BAFU-Direktor. Sie liefere Holz, Textilien und Nahrung und schütze vor Naturgefahren.

Oberle will darum künftig jedes Jahr zum 5. Juni, dem internationalen Tag der Umwelt, darlegen, was mit den Investitionen von rund einer halben Milliarde Franken in die Biodiversität erreicht wird.

Das Ziel des BAFU liege in erster Linie darin, den heutigen Bestand zu wahren. Es gehe nicht darum, aus der Schweiz einen botanischen Garten zu machen.

Massnahmen

Die Strategie der Schweiz zur Bewahrung der Biodiversität ist vielfältig und umfasst Bundesinventare zur Konservierung von Reservaten (Biotopen), «rote Listen» mit gefährdeten Arten, Banngebiete, ein nationales ökologisches Netzwerk zur Nutzung des schweizerischen «genetischen Erbes» sowie spezielle Aktionspläne für gefährdete Arten.

Oberle ist optimistisch, dass die Schweiz aufgrund des Biodiversitäts-Monitorings und der verschiedenen Massnahmen das Ziel des Umweltgipfels von Johannesbug erreichen kann, bis 2010 die Abnahme der Biodiversität rückgängig zu machen. «Aber ich befürchte, dass wir eines der wenigen Länder sein werden, die das getan haben.»

swissinfo und Agenturen

Die biologische Vielfalt (Biodiversität) misst sich an der Anzahl von Arten – Tiere, Pflanzen und Mikro-Organismen – in einer bestimmten Zone.

Die weltweite Abnahme der Biodiversität wird vor allem durch menschliche Aktivitäten verursacht: Landwirtschaft und Siedlungsdruck.

Am Umweltgipfel von Rio 1992 versuchten die Staaten, die negative Tendenz mit der Konvention über die Biodiversität, einem auf Freiwilligkeit beruhenden Vertrag, umzukehren. Am Umweltgipfel in Johannesburg 2002 bestimmten sie als Zieldatum dafür das Jahr 2020.

Seit 2001 liefert das Biodiversitäts-Monitoring Schweiz (BDM) eine wichtige Grundlage für die Überprüfung der Naturschutz-Massnahmen mit Feldaufnahmen aus über 2000 Zonen im ganzen Land.

Auf der Erde existieren zwischen 10 und 100 Millionen Tier- und Pflanzenarten.

Gemäss Union mondiale pour la nature (UICN) verschwinden jährlich 27’000 Arten. 24% der Säugetiere und 12% der Vogelarten sind bedroht.

Die Schweiz, die rund 50’000 Tier- und Pflanzenarten zählt, hat die UNO-Konvention über Biodiversität 1994 unterzeichnet.

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