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Gentech-Graben verläuft querbeet

Genetik-Experte Beda Stadler: Vieles an den Gentech-Diskussionen ist Glaubenssache. Uni Bern

Gentech gehört zu den Reizwörtern. Der Graben zwischen Gegnern und Befürwortern verläuft nicht mehr entlang der Front Erste gegen Dritte Welt.

Beda Stadler, kontroverser Direktor des Berner Immunologieinstituts, ärgert sich über den Disput, der als Glaubenskrieg ausgefochten werde.

Der Druck auf die Schweiz, ihre Agrarmärkte im Zug der Globalisierung zu öffnen, und der zunehmende Einsatz von genetisch veränderten Organismen (GVO) in der Landwirtschaft vieler Entwicklungsländer lenken die öffentliche Aufmerksamkeit auf die pflanzliche Gentechnologie.

Der Graben zwischen Gegnern und Befürwortern verläuft querbeet: Der Saatgutindustrie der Ersten und Dritten Welt stehen Nichtregierungs-Organisationen, Entwicklungs- und Ökologie-Fachleute sowie die nicht-industriellen Landwirte aus der ganzen Welt gegenüber.

Nicht alle Beteiligten wüssten wirklich, was Gentechnologie an Pflanzen bewirke und worin sie sich von der traditionell oder radioaktiv betriebenen Auslese und Züchtung unterscheide, meint Professor Beda Stadler, Direktor des Instituts für Immunologie der Uni Bern.

Die Auseinandersetzung nehme deshalb oft die Form von Glaubensdisputen an. Stadler vergleicht sie schon fast mit den Hexenprozessen vergangener Jahrhunderte.

swissinfo: Wie lange wird im Nutzpflanzen-Anbau schon gekreuzt und manipuliert?

Beda Stadler: Im letzten Jahrhundert wurde wild drauflos gekreuzt und gezüchtet, legitimiert durch Hunger und durch den Wunsch nach mehr Ertrag. Daran hat man sich gewöhnt. Denn heute gilt alles, was aus den damaligen Labors kam, als natürlich.

Man kreuzte sogar über die Artengrenze hinaus wie bei Triticale, einem wichtigen Futterkorn in der Schweiz, ohne dass sich Gegner formiert hätten. Mit radioaktiver Bestrahlung wurden über 2000 neue Pflanzenarten hergestellt – auch solche, die von Biobauern als natürlich verkauft werden.

swissinfo: Gentech-Gegner fürchten eine Katastrophe in der Landwirtschaft. Stillt Gentechnik wenigstens den Hunger?

B.S.: Es gibt keine Technik, die alleine den Hunger stillt. Doch Gentechnik wäre eine einfache Methode, damit die Dritte Welt auf einfache Weise mehr Ertrag und Export liefert.

Die Zunahme gentechnisch veränderter Pflanzen ist heute in der Dritten Welt am höchsten. Nur werden diese in der Schweiz auf unsinnige Einfuhrbestimmungen stossen. Damit bleibt unser Agrarprotektionismus erhalten, einfach unter anderen Vorzeichen.

swissinfo: Alles fürchtet den «Pollenflug» der GVO. Gleichzeitig beziehen wir ökologischen Kaffee aus Südamerika, dabei stammt Kaffee ja aus Afrika. Ist das ein erlaubter Pollenflug?

B.S.: Nein, das war kolonialistische Bio-Piraterie – Raubklau, so wie wenn heute jemand ein Software-Programm kopiert.

Das Gros der Pflanzen in den Schweizer Gärten stammt aus Ländern, die von den Schweizern nie besucht werden. Zudem sind es Pflanzen, die gar nicht ins hiesige Ökosystem gehören. Kartoffeln, Mais, etc. – den Indianern hat man auch nie etwas dafür vergütet, dass man die Pflanzen aus ihrem Ursprungsland stahl.

swissinfo: Ist es sinnvoll, den Schweizern GVO-Gemüse zu verbieten, während 80% aller Baumwollartikel aus den USA längst auf GVO basieren?

B.S.: Offenbar gehen die Nahrungsmittel gar nicht durch den Magen, sondern zuerst durch den Kopf. Und im Kopf herrscht nun mal die Angst vor. Obschon die gleiche Technologie, die bei Gentechnik verwendet wird, auch in der Biomedizin angewendet wird und dort nicht zu Protesten führt.

Niemand verlangt heute mehr ein Moratorium für gentechnisch hergestellte Medikamente. Und die gehen auch durch den Magen.

swissinfo: Ist die Gentechnologie nun schädlich oder sicher?

B.S.: 200 Millionen Amerikaner essen seit 20 Jahren Genfood und man hat keine Hinweise auf eine Gefährdung. Andererseits gibt es auch in der Biolandwirtschaft Skandale, von Dioxin bis krankmachenden Keimen.

swissinfo: Wo liegen denn die wirklichen Gefahren bei GVO?

B.S.: Es sind die gleichen wie in der traditionellen Zucht. Nur weiss man bei der Gentechnik genau, was man getan hat, und kann es rückgängig machen. Beim gängigen Züchten weiss man das nie so genau.

Die Gefahren sind massiv, aber das ist nichts Neues. So hat die Verbreitung des Zucht-Zuckerrohrs mit zur Sklaverei geführt. Der Kampf um Nahrungsmittel wird immer wichtiger. Gentech-Verhinderer werden deshalb gerade von der Drittwelt-Bevölkerung mit anderen Augen betrachtet als in hiesigen Breitengraden.

swissinfo-Interview: Alexander Künzle

Beda Stadler wurde 1950 in Visp, Wallis, geboren.
Als Biologe der Uni Bern machte Stadler sein Doktorat in Immunologie und Allergologie an der Uni Tübingen.
Es folgen Nachdiplom-Studien in den USA.
1991 wird Stadler Professor für Immunologie, 2001 ordentlicher Professor an der Uni Bern und Direktor des Immunologie-Instituts der Uni Bern.
Laufende Nationalfonds-Projekte.
Seit 2004 Kolumnist in der «Berner Zeitung».

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