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Geothermie ist ökologisch, aber nicht risikofrei

Baustelle des Pilotprojekts Geothermie-Kraftwerk Basel. geopowerbasel.ch

Die vom geothermischen Kraftwerk-Projekt in Basel hervorgerufenen Erdstösse am letzten Freitag haben über die Region hinaus zahlreiche Fragen aufgeworfen.

Am Dienstag hat sich die Basler Baudirektorin bei der Bevölkerung wegen mangelnder Information entschuldigt. Man habe mit zu wenig Nachdruck auf mögliche Erschütterungen hingewiesen.

Die Baselstädtische Baudirektorin Barbara Schneider entschuldigte sich für die in der Bevölkerung entstandenen Ängste, die das Beben der Stärke 3,4 verursacht hatte.

Kritik an der mangelnden Information war auch aus den grenznahen Gebieten Südbaden (D) und Elsass (F) gekommen.

Die Erdstösse förderten zu Tage, dass diese vielversprechende saubere Energiequelle nicht risikofrei ist.

Eine der häufig genannten Fragen war jene, weshalb solche Pilotprojekte ausgerechnet in Ballungsgebieten, zudem in einem erdbebengefährdeten Gebiet, vorgenommen werden?

Wirtschaftliche und geologische Gründe

Es gibt verschiedene Gründe, weshalb ausgerechnet Basel als bester Standort für geothermische Projekte in der Schweiz gilt: Einerseits geologisch-tektonische, und andererseits wirtschaftliche.

So gehört die Region am Rheinknie gemäss Projektleiter Markus Häring zu den geologisch best möglichen Schweizer Standorten für geothermisches «Deep Heat Mining» (DHM) respektive Wärmebergbau.

Bei dieser Methode wird kilometertief unter der Erdoberfläche vom heissen Gestein erhitztes Wasser für Stromproduktion und Wärme genutzt. Dazu muss das Wasser zuerst ins Erdinnere gepumpt werden.

Thermische Anomalie

Im Rheinknie habe man es ausserdem mit einer «thermischen Anomalie» zu tun, sagt Manfred Baer, Leiter des seismischen Messnetzes Schweiz und Sprecher beim Schweizerischen Erdbebendienst (SED). Die Erdwärme reiche vergleichsweise höher hinauf als anderswo in der Schweiz.

Mit anderen Worten: Man muss weniger tief bohren, bis man die tektonisch bereits genügend heissen Schichten erreicht, die das hinuntergepumpte Wasser genügend erwärmen können.

Nähe zu den Verbrauchermassen

«Im Fall des Standorts Basel kommt ausser der günstigen Geologie noch ein weiteres Kriterium dazu, nämlich die Wirtschaftlichkeit», erklärt Baer gegenüber swissinfo. «Elektrizität ist zwar über Distanzen transportierbar, aber Wärme nicht.»

Wenn das im Erdinnern erwärmte Wasser von unten unter Druck die Turbinen des Kraftwerks durchflossen hat, wird es als «Restwärme» in die Fernwärmenetze grosser Städte und Siedlungsgebiete eingespiesen.

Das müsse in nächster Nähe erfolgen, sonst kühle sich das Wasser zu sehr ab, so Baer. Erst mit dieser Doppelnutzung von Fernwärme und Strom werde ein geothermisches Kraftwerk auch rentabel.

Marc Keller vom Baselstädtischen Baudepartement bestätigt: «Einer der Hauptgründe, weshalb am Rheinknie gebohrt wird, ist der Umstand, dass Basel bereits ein sehr gut ausgebautes Fernwärmenetz besitzt.»

Dieser Umstand hat nun im Fall von Basel aber auch seine Kehrseite offenbart: Das vom Wasser hervorgerufene Erdbeben vom Freitag war, da in einer Tiefe von nur 5 km relativ nahe an der Oberfläche, entsprechend spürbar.

«Katastrophe nicht möglich»

Die Verantwortlichen hatten zwar auch mit Erdstössen gerechnet, die sich anderswo bei Versuchen bereits ereignet haben. Aber nicht in dieser Intensität. «Bei den am Freitag Abend gemessenen 3,4 auf der Richterskala bröckelt erst der Verputz», sagt Baer.

«Ab 4,5 beginnen die Kamine auf den Dächern zu wackeln, und ab 5 können Gebäudestrukturen Schaden nehmen.» Doch die Erde dämpfe Schwingungen, so Baer. Da normale Erdbeben aber tiefer stattfinden, werde ihr Effekt an der Oberfläche entsprechend gedämpft.

Auch für Häring war diese Belastung für die Bevölkerung zwar klar inakzeptabel. Doch die Befürchtungen, es hätte zu noch stärkeren Erdbewegungen kommen können, relativierte er im Tages Anzeiger.

«Für ein grosses Erdbeben bräuchte es Energien und Spannungen, die wir nicht erzeugen können.»

Umweltverträglichkeits-Prüfung

Waren sich die zuständigen Stellen im Baselstädtischen Baudepartement des Risikos bewusst? Eine Umweltverträglichkeits-Prüfung sei im Rahmen der Baubewilligung erstellt worden, sagt Keller gegenüber swissinfo.

«Eines der Resultate war, dass als Auflage ein Höchstwert für Erschütterungen festgelegt wurde», so Keller. «Und dieser wurde überschritten.»

In verschiedenen Mitteilungen habe das Departement darauf hingewiesen, dass es zu Erschütterungen kommen könne, aber dass sie nicht spürbar sein würden.

Doch diese Information sei in den Medien wohl etwas untergegangen. «Vermutlich wurde von Behördenseite zu wenig auf diesen Punkt aufmerksam gemacht», gibt Keller zu.

International: Grosses Wachstums-Potenzial

Die Internationale Energie-Agentur IEA schätzt die Wachstumsraten im geothermischen Energiebereich auf jährlich 15% bis 2010. Bis ins Jahr 2020 sollen über 5% des weltweiten Elektrizitäts-Angebots aus geothermischen Quellen stammen.

Damit wäre, so die IEA, die Einsparung an fossilen Energiequellen und am CO2-Ausstoss als signifikant einzustufen.

Auch in der Schweiz wird das Potenzial der geothermischen Energie als sehr gross erachtet, zitiert Roland Wyss von der Schweizerischen Vereinigung für Geothermie eine Potenzialabschätzung der Axpo.

«Doch vom Potenzial lässt sich nicht auf die Nutzungs-Möglichkeiten schliessen. Die Frage der Erschliessung ist noch nicht beantwortet.»

Das geothermische Deep Heat Mining-Projekt war 1996 vom Bundesamt für Energie (UVEK) initiiert und teilweise finanziert worden. Das Haupt-Pilotprojekt läuft in Basel.

1998 wurde ein weiteres Projekt im Kanton Genf lanciert, als Alternative oder Zweitprojekt. In Genf würde die Bohrtiefe 3 bis 4 km betragen.

swissinfo, Alexander Künzle

Geothermie-Wärme: Ist in der Schweiz im internationalen Vergleich sehr gut erschlossen (Gebäude-Heizung über Sonden ins Erdinnere).

Geothermie-Stromproduktion: Existiert in der Schweiz noch nicht.

Geothermie im Ausland: Stromerzeugung erfolgt bereits in vulkanischen Regionen, wo weniger tief gebohrt werden muss als in Basel.

In Deutschland wird ein erstes Kraftwerk ans Stromnetz geschaltet, das jedoch im Gegensatz zu Basel kein Wasser nach unten pumpen muss.

Das heisse Wasser ist dort bereits vorhanden und kommt von selbst an die Oberfläche.

Erdwärme nennt man Geothermie. Diese Wärme stammt hauptsächlich aus der natürlichen Radioaktivität des Gesteins der Erdkruste.

Geothermische Energie ist die einzige erneuerbare Energiequelle, die ständig genutzt werden kann, ohne dass Lagerungskosten anfallen.

Mit Sonden lässt sich die nähere Erdwärme zu Heizzwecken nutzen.

Erst die Erschliessung tieferer Schichten ermöglicht dann auch Strom-Erzeugung (über ein künstlich geschaffenes geothermisches Reservoir).

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