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Gleiche Chancen für Mahmut und Markus?

Nur Ausbildung und Erfahrung zählen, um zu Vorstellungsgesprächen eingeladen zu werden. Keystone

Anonymisierte Lebensläufe in Bewerbungs-Verfahren sollen im Kanton Genf in einem Pilot-Versuch die Arbeitsplatz-Chancengleichheit sicherstellen.

Das Experiment, das erste seiner Art in der Schweiz, wird vom kantonalen Integrationsbüro und drei grossen Arbeitgebern durchgeführt.

In den nächsten drei Monaten müssen in Genf Stellensuchende bei der Migros, den Genfer Stadtwerken und der Gemeinde Vernier ihren Lebenslauf in anonymisierter Form einreichen.

Die drei Arbeitgeber haben eine entsprechende Charta unterzeichnet, wie die kantonale Stelle für die Integration von Ausländerinnen und Ausländern mitteilt.

So werden im Lebenslauf lediglich Berufserfahrungen und -kompetenzen aufgeführt. Name, Adresse, Alter, Geschlecht, Religionszugehörigkeit oder allfällige Behinderungen sowie das übliche Foto fallen weg.

Chancengleichheit bis Vorstellungsgespräch

Dank der Anonymisierung sollen alle Bewerbenden dieselbe Chance erhalten, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.

«Es ist zwar nicht möglich, genaue Zahlen zu nennen. Aber wir wissen, dass es in diesem Bereich viel mehr Diskriminierung gibt als uns bewusst ist», sagt Projektleiter André Castella gegenüber swissinfo. Denn Menschen mit anderer Hautfarbe, Nationalität oder Religion werden seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.

«Es ist wichtig, dass Kandidaten mit den nötigen Kenntnissen und Erfahrungen für einen Job vorgeladen und von uns angehört werden. Denn es gibt Arbeitgeber, die sind nicht einmal bereit, Afrikaner überhaupt nur anzuhören», so Castella.

Die Genfer sehen in ihrem Versuch in erster Linie ein Instrument gegen die Diskriminierung von Einwanderern. Gleichzeitig wollen sie damit aber auch gegen die Schlechterstellung von Frauen oder bestimmter Alterskategorien vorgehen.

In Frankreich bereits Usus

Der anonymisierte Lebenslauf hat im Nachbarland Frankreich bereits Einzug gehalten. Die Nationalversammlung hat Anfang März diese Form der Bewerbung für alle Untenehmen mit über 50 Angestellten obligatorisch erklärt.

Studien in Frankreich haben gezeigt, dass insbesondere maghrebinische Einwanderer viel schlechtere Anstellungs-Chancen haben als gleich qualifizierte Bewerber mit traditionellen französischen Namen.

Belegte Diskriminierung

Auch in der Schweiz sind im Land aufgewachsene Ausländer und Ausländerinnen bei der Arbeitssuche oft Diskriminierungen ausgesetzt. Im Nationalen Forschungsprogramm «Bildung und Beschäftigung» wurden drei erfundene Bewerbungen um insgesamt 819 ausgeschriebene Stellen eingesandt und getestet, wie die Arbeitgeber reagierten.

Die fingierten Kandidatenprofile unterschieden sie einzig durch den Namen und die Nationalität. Die Auswertung brachte ans Licht, dass rund 42% der Portugiesen (in der Westschweiz), 52% der Türken und 61 bis 70% der Kosovo-Albaner diskriminiert wurden.

Vorurteile hinterfragen

Deshalb sagt Jean-Charles Bruttomesso, Personaldirektor bei der Migros Genf: «Diese Initiative ist eine Gelegenheit für uns alle, unsere Vorurteile und vorgefassten Ideen zu hinterfragen.»

Er ist sich jedoch bewusst, dass ein anonymer Lebenslauf keine Garantie für Chancengleichheit ist. Diese hört nämlich beim Bewerbungsgespräch auf. Als wichtigen ersten Schritt sieht er die Initiative aber allemal.

Ein Name ist mehr als nur ein Wort

Der Nachname der Stellenbewerber spielt auch eine grosse Rolle. Denn mit einem «-ic» am Ende des Familiennamens ist auch ein eingebürgerter Schweizer weniger wert auf dem Arbeitsmarkt.

Und beim Vorstellungsgespräch hat der dunkelhäutige Mahmut weniger Chancen als der blonde Markus.

Diese Trends könnten auch die Integration, die sich bisher vor allem an der Arbeit orientiert hat, in Frage stellen. Denn die zweite Generation der ehemaligen Fremdarbeiter ist nicht mehr bereit, sich mit Benachteiligungen abzufinden, wie das die erste noch weitgehend getan hat.

swissinfo, Etienne Strebel

Gemäss dem kantonalen Integrationsbüro zählt der Kanton Genf 440’000 Einwohnerinnen und Einwohner.

39% sind Ausländerinnen und Ausländer
52% sind im Ausland geboren
66% der im Kanton lebenden Schweizer Bürgerinnen und Bürger haben einen ausländischen Elternteil.

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