Gleichstellung oder die Geduld des Papiers
Zum 10. Jahrestag des Frauenstreiks von 1991 haben Frauen in der ganzen Schweiz an ihre Anliegen erinnert. In mehreren Städten fanden am Donnerstag (14.06.) Kundgebungen für die noch immer ausstehende Gleichstellung von Mann und Frau statt. Grössere Aktionen blieben aus.
In Bern, Lausanne, Neuenburg und Luzern nahmen insgesamt 100 bis 150 Frauen an Kundgebungen der Gewerkschaft vpod teil. Die Aktionen richteten sich gegen «Arbeit auf Abruf», von der Frauen besonders betroffen sind, und die damit verbundenen unsicheren Löhne.
Kritik an LINK und SF DRS
Stellvertretend wurde das Meinungsforschungsinstitut LINK an den Pranger gestellt. Von 200 LINK-Angestellten verfügten 188 über keine klaren Arbeitsverträge, hiess es. Dem Bundesamt für Statistik als Auftraggeberin wurde ein Protest-Schreiben überreicht.
Kritik erntete auch SF DRS. Die Mediengewerkschaft SSM warf dem Schweizer Fernsehen in ihrer Bilanz einen «Stillstand» in Sachen Gleichstellung vor.
Sensibilisierung in Betrieben
Gegen Stillstand in Betrieben ankämpfen wollen die Gewerkschaften SMUV und GBI. Während eines Jahres soll jeden Monat in einem Betrieb eine Aktion durchgeführt werden, wie sie ankündigten. Ziel ist die Sensibilisierung aller Mitarbeitenden.
Der Schweizerische Kaufmännische Verband (SKV) will seinerseits Betriebe auszeichnen, die sich besonders engagieren. Zum zweiten Mal hat er den Prix Egalité ausgeschrieben. Bis Ende September können sich Unternehmen melden. Schwerpunktthema in diesem Jahr ist die Regelung der Sozialversicherung bei Teilzeit-Arbeitenden.
Das Problem der fehlenden Kinderbetreuungsplätze stellten Frauenorganisationen in Basel ins Zentrum. Passantinnen und Passanten lockten sie mit Liegestühlen zu einer «öffentlichen Denk-Pause».
Ernüchternde Bilanz
Insgesamt hielten die Gewerkschaften fest, dass zwanzig Jahre nach dem Gleichstellungsartikel in der Verfassung, zehn Jahre nach dem Frauenstreik und fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gleichstellungs-Gesetzes viele Ziele noch nicht erreicht sind.
Im Grunde genommen – so der Grundtenor – existiere die Gleichstellung lediglich auf dem Papier: So sei etwa das Kinderbetreuungs-Angebot nach wie vor mangelhaft, oder bestünden zwischen den Geschlechtern noch immer Lohndifferenzen bei gleicher Ausbildung und Arbeit.
Am 14. Juni 1991 hatten mehrere zehntausend Frauen in der ganzen Schweiz aus Protest gegen Chancen-Ungleichheit ihre Arbeit niedergelegt.
swissinfo und Agenturen
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch