Grösste Regenzone der Welt wandert nach Norden
Schweizer und internationale Forscher haben herausgefunden, dass sich die regenreichste Zone der Welt nahe des Äquators in den letzten 300 Jahren nach Norden verschoben hat. Dies könnte für die eine Milliarde Menschen, die darunter lebt, zum Problem werden.
Die Studie der Universität Washington in Seattle in den USA wurde in der Juli-Ausgabe des Fachmagazins Nature Geoscience veröffentlicht.
Mitgemacht dabei hat auch Rienk Smittenberg von der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH Zürich.
Betroffen ist die intertropische Konvergenzzone nördlich des Äquators, in der Passatwinde von der nördlichen und der südlichen Hemisphäre aufeinandertreffen, während Hitze in die Atmosphäre strömt.
Das Resultat sind riesige Regenwolken, die an einigen Stellen für bis zu vier Meter Regen sorgen können.
Einige Wissenschafter bezeichnen dies als «das bedeutendste Regenphänomen des Planeten».
Das Studienteam setzte seinen Akzent auf den Zentralpazifik – von den westlichen Palau-Inseln bis zu den östlichen Galapagos. Sie fanden einige erstaunliche Dinge über den Regengürtel heraus.
Molekulare Forensik
«Vor einigen Jahrhunderten, als wir in Europa die Kleine Eiszeit hatten und es kalt war – die Gletscher in den Alpen waren viel länger –, lag dieser Regengürtel im Pazifik viel südlicher als heute», sagt Smittenberg gegenüber swissinfo.ch.
«Seither hat er sich in nördlichere Breitengrade verschoben.» Laut Berechnungen der Wissenschafter ist das Band etwa 500 km nach Norden gewandert. Das entspricht durchschnittlich 1,4 km pro Jahr in rund 300 Jahren.
Auf diese Resultate kamen die Forscher, indem sie den Schlick auf dem Grund von Seen und Lagunen auf vier pazifischen Inseln untersuchten.
Smittenberg ist ein Biogeochemiker, das heisst, er untersucht organische Reste von Algen, Pflanzen und Bakterien in den Schichten von Ablagerungen.
«Sie zeigen uns das Pflanzenleben, vergleichbar mit den Fossilien der Dinosaurier, jedoch auf molekularer Ebene. Wir erhalten durch sie eine Menge an Informationen», erklärt der Forscher.
Durch die chemische Analyse dieser «Molekularfossilien» waren die Wissenschafter in der Lage, herauszufinden, wie feucht oder trocken das Klima in früheren Jahrhunderten war.
Dramatische Veränderung
Auf der winzigen, feuchten und von tropischem Wald bedeckten Washington-Insel südlich von Hawaii war die Veränderung sehr gut sichtbar. Dort hatte Smittenberg Proben aus einem Süsswassersee genommen.
«In einem Meter Tiefe änderte das Sediment plötzlich seine Beschaffenheit von Ablagerungen tropischer Vegetation und Algen zu Überresten von Bakterien. Es sind genau die gleichen, die man heute auf der Weihnachtsinsel sieht, die 300 km südlicher liegt und auf der es recht trocken ist», sagt er.
«Zusätzliche Untersuchungen zeigten, dass der Süsswassersee auf der heute tropisch-feuchten Washington-Insel früher extrem salzhaltig gewesen sein musste und salztolerante Mikroben beherbergte. Wir haben dort eine sehr dramatische Veränderung gesehen.»
Strahlung als Grund?
Andererseits fanden die Forscher Beweise, dass die weit südlicher gelegenen und heute trockenen Galapagos-Inseln – berühmt geworden durch Charles Darwins Evolutionstheorie – während der Kleinen Eiszeit viel feuchter waren.
Über die Gründe aber, warum sich der Regengürtel nach Norden bewegt hat, wird immer noch diskutiert. Höchstwahrscheinlich hat es mit der Stärke der Sonneneinstrahlung oder Hitze zu tun, die auf den Planeten einwirkt, betont Smittenberg.
Während der Kleinen Eiszeit von 1400 bis 1850 hat die Erde weniger von dieser Strahlung erhalten und es wird spekuliert, dies habe dazu geführt, dass die Regenzone näher am Äquator verharrte, bis die Strahlung zunahm.
Die Zukunft
Die Wissenschafter aus Seattle wollen nun herausfinden, wie sich diese Veränderung in der Zukunft entwickelt.
Falls der Regengürtel weiterhin um 1,4 km pro Jahr nach Norden wandern wird, kommt die intertropische Konvergenzzone zum Ende dieses Jahrhunderts 126 km weiter nördlich zu liegen, sagt der Ozeanografie-Professor Julian Sachs.
Feuchte Gebiete auf Pazifikinseln könnten also trocken werden und umgekehrt, ergänzt er. Dies wäre ein schwerer Schlag für viele Menschen in den Tropen, die auf Regenwasser angewiesen sind, weil sie keinen Zugang zu Grundwasser haben.
Auch Menschen in tropischen Ländern weiter weg könnten laut Sachs von den Veränderungen betroffen sein, weil der Regengürtel auch die Kreisläufe in der Atmosphäre rund um die Erde beeinflusst.
Der Klimawandel könnte die Situation noch verschärfen: Die Autoren erwähnen, die Forschungsergebnisse würden darauf hinweisen, «dass ansteigende Treibhausgase das Regenband in den Tropen verschieben könnten – mit schwerwiegenden Auswirkungen auf jene Gesellschaften und Volkswirtschaften, die davon abhängen».
Isobel Leybold Johnson, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
«Southward movement of the Pacific intertropical convergence zone AD 1400-1850» wurde in der Juli-Ausgabe von Nature Geoscience publiziert.
Vorhergehende Studien zum Thema wurden auf oder nahe dem Festland durchgeführt und zeigten weniger klare Resultate, weil sie mehr durch Topografie und Jahreszeiten beeinflusst waren.
Die neue Studie beschränkte sich auf eine Region mit weniger Landfläche.
Erstmals wurde das gesamte Regenband über dem Pazifik von West nach Ost eingeschätzt.
Die Studie beinhaltete Feldarbeit in Seen und Lagunen auf den Inseln Palau, Washington, den Weihnachtsinseln und den Galapagos.
Ko-Autor Rienk Smittenberg war Mitglied des Forschungsteams um Julian Sachs und arbeitet heute in der Gruppe Klimageologie des Geologischen Instituts der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH Zürich.
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