Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Hanf: (fast) schon Alltag

Ob Acryl-Wasserpfeife oder Emaille-Feuerzeug: Was Kiffende brauchen, gibt es an der Hanfmesse in Bern zu sehen. swissinfo.ch

In Bern wurde am Freitag die zweite Hanf-Fachmesse eröffnet. Besucher aus In- und Ausland erfreuen sich drei Tage an der pragmatischen Schweizer Drogenpolitik und allen Hanfprodukten.

Keine Anti-Drogen-Plakate, keine besorgten Eltern, keine ums Seelenheil Fürchtende vor den BEA Hallen in Bern. Die Eröffnung der «Cannatrade 2002» konnte keine hanfkritischen Aktiven mobilisieren; letztes Jahr protestierten immerhin noch 15 Unentwegte gegen die Hanf-Messe.

Heute ist Hanf einfach ein Geschäft: 115 Aussteller aus 10 Ländern, so Messe-Organisator Marco Kuhn, sind vertreten. «Ich musste 20 Anfragen ablehnen», sagt er. Präsentiert wird bis am Sonntag-Abend alles, was mit Kiffen zu tun oder Hanf drin hat. Einzige Einschränkung: «Es werden keine Hanfderivate verkauft», betont Kuhn. Gemeint sind Substanzen, die gegen das geltende Betäubungsmittelgesetz verstossen.

SMS für Pflanzer

Aber auch ohne rauschbringendes Rauchbares gibt es genug zu sehen. Die neuesten Trends beim Indoor-Growing, also dem Aufziehen von Hanf-Setzlingen unter Kunstlicht, dominieren die holländischen Firmen. «Ich bin beeindruckt von der Professionalität der Messe und vom Interesse der Besucher», sagt ein Mitarbeiter des «Growshop de zwarte Roos» aus Dordrecht.

Hauptprodukt der «Zwarte Roos» ist ein Wandkästchen, welches das Indoor-Feld überwacht: Sinkt der Wasserstand, steigt die Temperatur, geht der Strom weg oder öffnen Unbefugte die Türe, schickt das eingebaute Mobiltelefon ein SMS aufs Handy des Besitzers. Kostenpunkt: 1041 Euro plus Steuern. «Das System ist teuer, aber es kann sich lohnen», ist der Verkäufer überzeugt. Für ihn ist die Schweiz ein erfolgsversprechender «prospective market».

Ebenfalls von der Schweiz begeistert ist ein französischer Buchhändler. Sein Verlag ist auf Drogen-Literatur, vor allem Hanf-Bücher, spezialisiert. «In Frankreich haben wir ständig Probleme mit dem Gesetz», sagt er und deutet auf einen «Freak-Brothers»-Comics-Band. «Der Staat sagt, wir fördern den Hanf-Konsum, weil die Figuren Joints rauchen.» Auch würden die französischen Buchhändler immer nur zwei oder drei Bücher bestellen. «Hier in der Schweiz kaufen die Läden gleich eine ganze Menge», freut er sich.

Weltweitze Präsenz

Gerade den ganzen deutschsprachigen Raum als Markt geortet hat das «Cannabis Culture Magazine» aus Vancouver, Kanada. Mit der Europa-Präsenz ist ein Skater aus New York betraut. «Demographische Erhebungen zeigen, dass Lifestyle-Magazine wie das unsere noch einen grossen Markt haben. Besonders die Bundesrepublik Deutschland hat einen enorm hohen Medienkonsum», sagt der Europa-Verantwortliche. Was er vom Schweizer Marktvolumen hält? «Wir erwarten gutes Feedback aus der Schweiz, aber wir sind vor allem in Bern, weil hier Leute aus der ganzen Welt hinkommen.»

Schweizer Hanf(läden)

Etwas über die Hälfte der Aussteller, so die Organisatoren, kommt aus der Schweiz. Aus allen Landesteilen haben sich denn auch Hanfläden eingefunden. Im Messe-Bereich «Natural Resources» zeigen die Eidgenossen Hanf-Kleider, Hanf-Schuhe, Hanf-Garn, Hanf-Kosmetika, Hanf-Wein und auch sonst alles, was der Rohstoff Hanf hergibt.

Dass das Hanf-Blatt vielleicht nur als verkaufsförderndes Logo für Lifestyle-Produkte herhalten muss, bestreitet Sylvia Weisskopf, Inhaberin eines Ladens in Basel-Land, energisch. «Die Qualität der Produkte ist meist sehr gut, es ist eher so, dass beim Marketing Fehler passieren. Viele der kleinen Hersteller haben damit noch sehr wenig Erfahrung.»

Lars Aegerter, Geschäftsleiter der «klon-tech pflanzenvermehrung gmbh» aus Nidau ist von der Messe begeistert: «Die Cannatrade entwickelt sich zur Leitmesse im Business to Business-Bereich», ist er überzeugt. «Es geht darum hier zu sein und die Leute zu treffen, mit denen wir das ganze Jahr über Geschäfte machen.»

Unverkennbarer Duft…

Die ausser-schweizerischen Besucherinnen und Besucher freut an der Cannatrade besonders der liberale Umgang mit dem Genussprodukt Hanf. «Ich bin hier um zu schauen, was es Neues gibt, in Deutschland siehst du nix an solchen Messen», sagt ein Jugendlicher aus dem nördlichen Nachbarland, bevor er weiter an seinem Joint schraubt.

«In Deutschland wäre es undenkbar, dass an der Messe mal eins gekifft wird, wir sind hier schon sehr viel liberaler», bestätigt auch der Schweizer Buchautor und Verleger Roger Liggenstorfer, «aber auch hier achten wir auf die bestehenden Gesetze.» So habe die Messeleitung durchaus ein Auge darauf, dass nichts verkauft werde.

Wer sich also eine Pausen-Joint gönnen will, muss das Gras selber mitbringen. Und das haben ausser dem deutschen Touristen, so der Augenschein, Einige getan: Gelegentliche Duftwölkchen beweisen, dass Hanf nicht nur als Biorohstoff für Kleider und Kosmetika nutzbar ist.

Dass die pragmatische Schweizer Politik ein Standortvorteil für die Messe ist, weiss auch Messe-Leiter Kuhn: «Die Besucher und auch die Aussteller schätzen, dass sie nicht Basilikum oder Kakteen ausstellen müssen, denn es geht ja um die Hanfpflanze.»

Philippe Kropf

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft