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Himmelsscheibe in Basel zu sehen

Die Himmelsscheibe von Nebra, 1600 v. Chr. Historisches Museum Basel (hmb)

Die Ausstellung "Der geschmiedete Himmel" im Basler Historischen Museum zeigt die Himmelscheibe von Nebra. Die weltweit älteste konkrete Kosmos-Darstellung.

Daneben sind weiter Gegenstände aus der Bronze-Zeit – auch aus der Schweiz – zu sehen. Die Ausstellung in Basel gilt als eine der bisher besten.

Das rund 3600 Jahre alte Kultobjekt ist eine komplexe astronomische Uhr. Sie verbindet Sonnen- und Mondkalender miteinander. Die Sonne gab Tag und Jahr vor, der Mond den Monat.

Allerdings ist das Mondjahr elf Tage kürzer als das Sonnenjahr. Das musste im Kalender berücksichtig werden. Und in der Zeit, als die Scheibe in Gebrauch war, wurde ein Schaltmonat eingefügt.

Damit machten die Leute in der Bronze-Zeit in Mitteleuropa die gleichen astronomischen Beobachtungen, die erst tausend Jahre später die Babylonier erstmals beschrieben.

Die Scheibe beschreibt das Weltbild der Bronze-Zeit: Die Erde wurde als Scheibe gesehen, über der sich kuppelförmig der Himmel wölbt.

Bronzezeitliche High-Tech

«Vereinfacht ausgedrückt diente die Scheibe den Bronzezeit-Menschen, oder wenigstens der damaligen Elite, dazu, den Frühlings- oder den Herbstanfang zu bestimmen – die Jahreszeiten überhaupt», sagt Eliane Tschudin, Mediensprecherin des Basler Historischen Museums, gegenüber swissinfo.

«Ihnen war der uns heute geläufige Kalender mit Tagen und Monaten und ihren Namen unbekannt», fügt Tschudin hinzu. «Wenn die Himmelskonstellation gleich wie diejenige auf der Scheibe war, dann war zum Beispiel Frühlingsanfang.»

Für Ralph Hansen vom Hamburger Planetarium, der sich eingehend mit der Himmelsscheibe von Nebra beschäftigte, bildete dieses Wissen damals einen grossen Gewinn. Es könne als «bronzezeitliches High-Tech-Know-how» angesehen werden.

«In einer Zeit, in der noch keine numerischen Schaltregeln zur Verfügung standen, musste die Beobachtung am Himmel den Mond- und Sonnenlauf harmonisieren», schreibt Hansen.

Hilfe für Laien

Selbst 3600 Jahre nach ihrer Erschaffung gibt die Himmelsscheibe dem Laien viele Rätsel auf. Die älteste Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte ist allerdings ein Schlüsselfund für Archäologie, Astronomie und Religionsgeschichte.

Die rund zwei Kilogramm schwere und 32 Zentimeter Durchmesser aufweisende Scheibe wurde zusammen mit Prunkschwertern, Schmuck und anderem im deutschen Mittelberg bei Nebra vergraben.

«Damit die Laien in etwa begreifen, was die Scheibe darstellt, sind in der Ausstellung drei Filme zu sehen. Nachher versteht der Besucher, die Besucherin, die Scheibe besser», sagt Elina Tschudin. Auch Computer-Animationen helfen beim Verständnis.

Kriminelle Wege enden in Basel

Laut Tschudin ist der 200 Meter hohe Mittelberg eine bekannte Stelle für Ausgrabungen aus früheren Zeiten. Er gelte als «vergrabenes Geschichtsbuch», weil es dort tausende von Grabhügeln gebe.

Deshalb tummelten sich dort auch Raubgräber. Angeblich entdeckten 1999 zwei dieser Raubgräber die Himmelsscheibe zusammen mit einem Bronze-Schatz.

Sie hielten die Scheibe für eine Art Deckel und verkauften das Objekt weiter. Eigentlich würden Fundgegenstände dem Land Sachsen-Anhalt gehören.

Erst drei Jahre später konnte die Polizei – Ironie des Schicksals – zwei Hehler bei einer fingierten Verkaufsaktion im Basler Hilton Hotel festnehmen. Finder und Hehler sind inzwischen verurteilt.

Die Geschichte sei leider kein Einzelfall, sagt Tschudin. Heute würden weltweit enorme Warenströme an illegal gehandelten Kulturgütern verschoben.

Schweizer Ergänzungen

Die Ausstellung in Basel wurde um Schweizer Aspekte und Exponate ergänzt. So ist die Goldschale zu sehen, die in Zürich-Altstetten gefunden wurde, und deren Herstellung auf rund 1000 v. Chr. datiert wird. Auch sie weist die bislang älteste Darstellung von Sonne, Sichel- und Vollmond auf.

Weiter ist ein Goldbecher mit Fundort Eschenz im Kanton Thurgau zu sehen. Er ist gleich alt wie die Himmelsscheibe.

Auch der Sonnenwagen von Trundholm (Dänemark) ist in Basel ausgestellt. Daneben viele Grabbeigaben, Kultgeräte, Goldschmuck und verzierte Waffen.

Fachleute bewerten die Scheiben-Schau in Basel – auch dank der raren Leihgaben – als bisher beste Ausstellung mit Exponaten aus der Bronzezeit.

swissinfo, Urs Maurer

Die Himmelsscheibe von Nebra gilt als eine der bedeutenden archäologischen Entdeckungen unserer Zeit.
Die Ausstellung «Der geschmiedete Himmel» ist bis 29. Januar 2007 im Historischen Museum in Basel (Barfüsserkirche) zu sehen.
Die Ausstellung machte bislang in Halle, Kopenhagen, Wien und Mannheim halt. Die Basler Ausstellung ist mit Leihgaben und Schweizer Exponaten ergänzt.

Die Himmelsscheibe von Nebra stammt vom Gebiet des Mittelbergs im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt, wo es tausende von Grabhügeln gibt.

Der Berg sei von Raubgräbern «durchbohrt, wie ein Schweizer Käse». Solche Raubgräber fanden 1999 die Himmelsscheibe und schleusten sie in den illegalen Kulturhandel.

Der Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle (Deutschland) erfuhr auf Umwegen, dass ein wichtiges Objekt aus seinem Gebiet auf dem Schwarzmarkt angeboten werde.

Er gab sich als Kaufinteressent aus, zog die Behörden bei und liess sich 2002 auf ein Treffen mit den Scheiben-Verkäufern in Basel ein.

Vom Hotel rief er aus dem WC die Polizei an, als er die Scheibe erkannte, und die Hehler – zwei Deutsche – wurden festgenommen.

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