Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Immer noch zuviel Gewalt an Kindern

In der Schweiz werden immer noch zu viele Kinder geschlagen. swissinfo C Helmle

Eltern schlagen ihre Kinder heute weniger oft als noch vor 15 Jahren. Wer als Kind geschlagen wurde, schlägt selber häufiger zu.

Über 35’000 Kinder bis zweieinhalb Jahre werden hierzulande mit Schlägen auf den Hintern bestraft, zeigt eine Studie der Universität Freiburg.

Eltern in der Schweiz wenden heute Körperstrafen als Erziehungsmassnahme weniger oft an als 1990, hält die Studie «Bestrafungsverhalten von Erziehungsberechtigten in der Schweiz» an der Universität Freiburg fest.

Bereits vor 15 Jahren wurde eine Repräsentativstudie zum Bestrafungsverhalten in der Schweiz erstellt. 2003 gab das Bundesamt für Sozialversicherung eine Wiederholung in Auftrag, um Vergleiche zu ermöglichen. Insgesamt wurden 1240 Fragebogen an Eltern von Kindern unter 16 Jahren aus allen Kantonen ausgewertet.

Ungehorsam, Schreien, Unhöflichkeit…

Über 13’000 Kinder bis zweieinhalb Jahre werden gemäss der Studie geohrfeigt, fast 18’000 an den Haaren gezogen und rund 1700 sogar mit Gegenständen geschlagen. «Körperstrafen verletzen die physische und psychische Integrität der Kinder. Je jünger sie sind, umso verletzbarer sind sie», schreiben die Autoren der Studie.

Häufigster Anlass für eine Strafe – in jeglicher Form – ist Ungehorsam. 70 Prozent der Eltern von Kindern bis zweieinhalb Jahre gaben dies als Grund an. Von so jungen Kindern absoluten Gehorsam zu erwarten, sei entwicklungspsychologisch fragwürdig, betont die Studie.

Rund die Hälfte dieser Eltern ärgern sich auch über häufiges Schreien, schlechte Tischmanieren und Unhöflichkeit.

Liebesentzug, Körperstrafen oder Verbote

Insgesamt sei die Sensibilität gegenüber Schlägen als inadäquate Erziehungsmassnahme gestiegen, heisst es. So habe sich gegenüber 1990 die Anzahl der Eltern von Kindern unter 16 Jahren verdoppelt, die angaben, von der Körperstrafe kaum Gebrauch zu machen.

Die Erziehungsberechtigten greifen vermehrt zu anderen Mitteln wie Verboten oder Liebesentzug. «Mütter neigen eher zur Bestrafung durch Liebesentzug, während Väter eher zu Körperstrafen und Verboten neigen», stellt die Studie fest. Auf Verbote stützen sich neben den Vätern vor allem jüngere Eltern.

Als besonders bestrafungswürdiges Verhalten nannten die Befragten: Geld stehlen, zurückschlagen, Buch zerreissen, zu spät nach Hause kommen, frech sein, Unterricht stören, schlechte Noten heimbringen und Essen verweigern.

Während Geld stehlen oft mit Liebesentzug bestraft wird, kommen bei schlechten Noten eher Verbote zum Einsatz.

Die Studie zeigt weiter, dass Eltern, die in ihrer eigenen Jugend körperlich bestraft wurden, eher bereit sind, ihre eigenen Kinder zu schlagen.

In der französischsprachigen Schweiz sind Mama und Papa zudem strenger: Sie bestrafen ihre Kinder häufiger.

«Es ist sicher positiv, dass man solche Untersuchungen macht», meint Franz Ziegler, Psychologe bei der Organisation «Kinderschutz Schweiz» gegenüber swissinfo. «Man hätte aber auch die Kinder fragen sollen.»

swissinfo und Agenturen

1990 gaben 14,5% der Eltern an, ihre Kinder in den letzten 7 Tagen geschlagen zu haben – heute sind es noch 7,5%.
1990 gaben 25,7% der Eltern an, ihre Kinder im lezten halben Jahr geschlagen zu haben – heute sind es noch 21,9%.
1990 gaben 13,2% der Eltern an, ihre Kinder nie zu schlagen – heute sind es 26,4%%

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft