In der Südschweiz entsteht ein neuer Urwald
Im Misox, im italienischsprachigen Süden des Kantons Graubünden, entsteht das grösste Schweizer Waldreservat ausserhalb des Nationalparks. Der Schutzvertrag wurde am Freitag unterzeichnet.
Der neue Waldpark umfasst eine Fläche von 15 Quadratkilometern. Darin existieren nicht weniger als 26 verschiedene Waldtypen, deren Nutzung untersagt ist.
Vertreter der Umweltschutzorganisation Pro Natura, des Kantons Graubünden sowie der Misoxer Gemeinden Cama, Leggia und Verdabbio setzten am Freitag in Verdabbio ihre Unterschrift unter den Schutzvertrag.
Für die nächsten 50 Jahre darf am Osthang des südlichen Misox auf rund zwölf Quadratkilometern kein Holz mehr geschlagen werden, keine Beweidung mehr erfolgen und kein liegendes Holz mehr gesammelt werden. Erlaubt ist aber weiterhin – innerhalb der gesetzlichen Vorgaben – das Sammeln von Beeren und Pilzen sowie die Jagd.
Nutzung am Rande
Auf weiteren rund vier Quadratkilometern bleibt zusätzlich eine Beweidung durch Kühe, Rinder, Schafe oder Ziegen möglich. Zu erreichen ist das Reservat nur auf Wanderwegen. Strassen gibt es nicht.
In der Gegend von Val Cama und Val Leggia würden über 25 Waldarten gezählt, sagte Regionalforstingenieur Luca Plozza. Er erwähnte unter anderem die Wälder mit Hopfenbuchen, Buchen- und Eichenwälder sowie die Alpenrosen-Bergföhrenwälder oder den Rapunzel-Kastanienwald. Die Vielfalt werde bestimmt von der Geologie und der Höhenlage von 450 bis 2200 Meter über Meer.
Waldeigentümer ziehen mit
Ein Grundsatz bei der Schaffung von Reservaten sei die Mitwirkung der Waldeigentümer, sagte der Bündner Regierungsrat Stefan Engler. Ohne deren Einverständis und Engagement könne kein Reservat entstehen.
Bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die nun geschützten Wälder intensiv genutzt, denn die Industrie benötigte Holz und Holzkohle. In den letzten 50 Jahren war die Nutzung stark zurück gegangen. Deshalb sind die Wälder in einem recht natürlichen Zustand.
Oase der Ruhe
Pro-Natura-Präsidentin Silva Semadeni sagte, die Bedeutung des Reservats sei noch grösser angesichts der Tatsache, dass der ökonomische Druck auf die Wälder wegen der steigenden Holzpreise zunehme. «Wald hat in unserer Gesellschaft auch eine Aufgabe als wertvoller Erholungsraum für uns Menschen», sagte die Bündnerin.
Die Region erhofft sich vom neuen Waldreservat denn auch eine Zunahme des nachhaltigen Tourismus, wie Antonio Spadini, der Gemeindepräsident von Verdabbio, sagte.
Für die Schaffung der Schutzzone stellte eine private Stiftung der Pro Natura 370’000 Franken zur Verfügung. Den grössten Teil dieses Geldes erhalten die Gemeinden für den Verzicht auf die Nutzung. Weitere 99’000 Franken stellte der Kanton Graubünden zur Verfügung.
swissinfo und Agenturen
Die Schweiz kennt seit 2006 drei Kategorien von Pärken: Nationalpärke (ursprünglicher Naturcharakter), regionale Naturpärke (Schutz von Kulturlandschaft) und Naturerlebnispärke.
Die Idee der Naturpärken ist wenig bestritten, dafür aber die entsprechende Verordnung. Neue Naturpärke seien kaum mehr möglich, so die Kritik.
Die Verordnung soll nun noch einmal überarbeitet werden und Anfang 2008 in Kraft treten.
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Die Schweiz besitzt bislang einen einzigen Nationalpark im Engadin (Kanton Graubünden).
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