Interview zur Vielsprachigkeit und zum Sprachengesetz mit Roland Ris, Präsident SAGW
Wieso braucht die Schweiz ein Sprachengesetz?
In den letzten Jahren hat es viele Veränderungen gegeben. Einige Sprachen haben an Attraktivität gewonnen, andere verloren. Wichtig ist nun ein rechtliche Regelung, die Schaffung von Rechtssicherheit.
Wie schätzen Sie den administrativen Mehraufwand ein, den das neue Sprachengesetz verursachen könnte?
Das kommt natürlich auf die Interpretation des neuen Gesetzes an. Es ist eine Gratwanderung zwischen Sprachenfreiheit einerseits und der Festlegung von Grenzen andererseits. Ersteres würde natürlich zu einer unglaublichen Aufblähung des Staatsapparates führen. Diesbezüglich würde es sicher auch zu grossen Widerständen seitens der Kantone führen.
Studien zufolge scheint die schweizerische Bevölkerung dem Englischen den Vorzug zu geben. Wir das neue Sprachengesetz dieser Tatsache gerecht?
Dieses Thema ist so heikel, dass sich das neue Sprachengesetz dazu nicht äussern will. Tatsache ist, dass die deutsche Sprache in der Westschweiz einen grösseren Stellenwert hat als das Französische in der deutschen Schweiz. Deshalb ist der Widerstand der Westschweizer gegen die Einführung des Englischen verständlich. Die Westschweizer sind also in dem Sinn die «besseren» Schweizer.
Ist es bezeichnend, dass deutschsprachige Kantone als erste das Englische als erste Fremdsprache eingeführt haben?
Das hängt mit dem Primat der Wirtschaft in der deutschen Schweiz zusammen und natürlich auch mit der geographischen und emotionalen Ferne beispielsweise der Ostschweiz gegenüber der Westschweiz. Die Ostschweizer besuchen die Westschweiz eher selten.
Ist die kantonale Regelung bezüglich des Englischunterrichts vereinbar mit dem neuen nationalen Sprachengesetz? Besteht kein Ziel-, Interessenkonflikt?
Grundsätzlich schon. Aber es gilt die Schulhoheit der Kantone.
Wieso soll die deutschsprachige Schweiz zuerst französisch und später englisch lernen?
Wir haben der französischen Kultur soviel zu verdanken, und wir sind sehr auf gute Kontakte zur Westschweiz angewiesen. Deshalb sollten wir diese «Anstrengung» machen. Man kann natürlich auch beide Sprachen (englisch und französisch) lernen. Aber wenn das Englische derart bevorzugt wird, sinkt natürlich die Motivation bei den deutschsprachigen Schülern, französisch zu lernen.
Wird das neue Sprachengesetz zu einer besseren Beziehung zischen den verschiedenen Sprachengemeinschaften führen?
Das wäre natürlich der grosse Wunsch. Doch Gesetze allein genügen nie. Sie schaffen höchstens eine Voraussetzung zu einer Verbesserung der Beziehung.
swissinfo, Elvira Wiegers
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