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Ist der Rhein noch immer eine Müllkippe?

Trotz den Plakaten: Derzeit wird aus gesundheitlichen Gründen vor dem Schwimmen im Rhein abgeraten. (swissinfo) swissinfo.ch

Am 1. November 1986 wurde Basel von einer Katastrophe aus dem Schlaf gerissen: Ein Chemiebrand im Werk Schweizerhalle des Sandoz-Konzerns. Dabei gelangten Tausende Liter verseuchtes Löschwasser in den Rhein.

Das Gift trieb flussabwärts, Hunderttausende Fische verendeten, ganze Ökosysteme wurden zerstört. Es war ein grosser Schock nicht nur für die chemische Industrie der Schweiz.

Heute gilt das Wasser des Rheins in Schweizerhalle wieder als sauber. «Die Wasserqualität im Rhein ist heute gut. Sie entspricht den gesetzlichen Vorgaben», sagt Marin Huser von der Fachstelle Gewässerzustand im Amt für Umweltschutz und Energie des Kantons Basel-Landschaft, auf dessen Gebiet ein Grossteil der chemischen Industrie ihre Produktionsanlagen hat.

Doch für Greenpeace ist das Trinkwasser aus dem Rhein nicht sauber genug. «Der Abfall, der von der chemischen Industrie durch die Wasseraufbereitung geschickt wird, ist in kleiner Konzentration im Trinkwasser immer noch vorhanden», erklärt Matthias Wüthrich von der Greenpeace Chemiekampagne.

Der Kanton Basel-Landschaft ist sich des Problems bewusst. Heute diskutiere man vor allem über einzelne Substanzen, so Huser. «Das Problem ist, dass man zum Teil nicht genau weiss, wie diese Einzelstoffe in sehr kleiner Konzentration wirken. Da ist beispielsweise die Rede von hormonaktiven Stoffen.»

Wüthrich nennt ein Beispiel für diese hormonellen Stoffe: «Fische ändern in der Nähe der Wasseraufbereitungsanlagen ihr Geschlecht. Eine Art hormoneller Effekt, der die Fische unfruchtbar macht.» Er verlangt daher «eine saubere Produktion» von der chemischen Industrie.

Die Qualität der Rückhaltevorrichtungen, die von der chemischen Industrie nach 1986 errichtet wurden, kontrolliert das Sicherheitsinspektorat des Kantons. Vorsteher Rolf Klaus erklärt, dass diese die geforderten Standards erfüllen.

Doch an andern Orten könnten immer noch Stoffe in den Fluss gelangen. «Ein Problem sind die Schienenstränge. Alles das, was auf dem Rangierbahnhof ausläuft, läuft direkt in den Rhein.» Daher ist für Klaus klar: «Das sind Problemzonen, mit denen man sich jetzt noch befassen muss.»

Auch wird dieser Tage wegen des geringen Pegelstands vor Schwimmen und Tauchen im Rhein abgeraten. Sicherheitsinspektor Klaus warnt: «Wenn man Wasser schluckt, kann es sein, dass man Magenverstimmung bekommt.»

Und Wüthrich macht auf eine weitere Verschmutzung des Trinkwassers aufmerksam: die Mülldeponien der chemischen Industrie. «Das sind wilde Deponien, die nicht kontrolliert werden.» Allein in Muttenz würden noch 13’000 Tonnen Chemieabfall in den Gruben liegen.

Greenpeace wirft dem Kanton eine zu lasche Praxis vor, da die chemische Industrie der wichtigste Wirtschaftszweig der Region Basel ist. Doch die Problematik sei viel komplizierter, sagen die Behörden. Oft seien Besitzer, Betreiber und Lieferant einer Deponie verschiedene Firmen. Und viele davon gebe es heute gar nicht mehr. Die Rechtslage sei deshalb sehr schwierig.

Ausserdem sei die Deponieproblematik grenzüberschreitend. Daher kümmere man sich nun international darum, so Klaus. «Beim Aufarbeiten der Altlasten hat man sich in der Oberrhein-Konferenz mit diesem Thema beschäftigt. Die Standorte werden nun in auch in der Region Baden-Württemberg und Elsass erfasst, nicht nur in der Schweiz.»

Doch für Wüthrich sollten sich nicht nur die Behörden um die Probleme rund um die Wasserverschmutzung kümmern. Die Hauptschuld trage schliesslich die chemische Industrie selber.

«Ich wünsche mir, dass Novartis, Ciba, Syngenta, Clariant und Roche ihre Verantwortung wahrnehmen und diese Deponien aufräumen. Die Natur ist keine Müllkippe und der Rhein keine Toilette.»

swissinfo-Sonderkorrespondent Christian Raaflaub, Schweizerhalle

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