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Ja zur Präimplantations-Diagnostik

Pailette mit befruchteten Eizellen in der Unifrauen-Klinik in Bern. Keystone

Die kleine Kammer tritt wie der Nationalrat dafür ein, dass in der Schweiz genetische Untersuchungen an Embryonen möglich sein sollen.

Der Ständerat folgte am Dienstag mit 24 zu 18 Stimmen der Minderheit seiner Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK).

Präimplantations-Diagnostik (PID) soll in der Schweiz zugelassen werden. Der Ständerat hat eine Motion des Nationalrates überwiesen. Damit muss der Bundesrat das heisse Eisen anpacken und Vorschläge zur Lockerung des bestehenden Verbotes ausarbeiten.

Es sei Aufgabe der Politik, sich mit immer neuen wissenschaftlichen Methoden zu befassen, verlangte eine Kommissions-Minderheit. Genetische Untersuchungen an Embryonen sollen deshalb bereits im Reagenzglas ermöglicht werden.

Unter dem Begriff Präimplantations-Diagnostik werden gentechnische Methoden zusammengefasst, die dazu dienen, im Vorfeld einer künstlichen Befruchtung bestimmte Erbkrankheiten und Besonderheiten der Chromosomen zu erkennen. Dann wird entschieden, ob die befruchtete Zelle (Zygote) in die Gebärmutter eingepflanzt werden soll oder nicht.

Schwieriger Entscheid

Der Ständerat sprach sich erst nach einer emotionalen Debatte für eine Aufhebung des Verbots aus. Gegner warnten, damit werde die Türe für eine embryonale Selektion aufgestossen und die Akzeptanz der Behinderten geschwächt.

Im erst 2001 in Kraft getretenen Fortpflanzungsmedizin-Gesetz ist ein Verbot der Präimplantations-Diagnostik festgeschrieben.

Es gehe hier nicht um Einzelfälle, sondern um eine Grundsatzfrage und darum, in einem
hochsensiblen Gebiet Grenzen zu ziehen, sagte Kommissionssprecher Hansruedi Stadler von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP). «Wenn wir heute die Türe öffnen, dann wird als nächstes die Zulassung des therapeutischen Klonens verlangt», sagte Stadler.

Ganz anderer Meinung war die Sozialdemokratin Anita Fetz. Die Präimplantations-Diagnostik stelle heute eine medizinisch-wissenschaftlich anerkannte Untersuchung dar. Das Verbot sei ein schwerer Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Frau.

Betroffener dafür

Gegnerinnen und Gegner machten weiter geltend, dass mit der Zulassung der PID Eltern behinderter Kinder zunehmend unter Druck geraten würden. Wer Präimplantations-Diagnostik befürwortet, müsse die Frage beantworten, ob er das Recht, behindert zu sein, nicht antaste, hiess es im Rat.

Luc Recordon, der grüne Waadtländer Nationalrat und Rechtsanwalt leidet seit seiner Geburt an einer schweren körperlichen Behinderung. Seine persönliche Betroffenheit hat er im Nationalrat bewusst eingesetzt, um der Präimplantations-Diagnostik zum Durchbruch zu verhelfen.

Er war über das Abstimmungsergebnis überrascht. Es sei klarer ausgefallen als im Juni im Nationalrat, sagte er gegenüber swissinfo.

Recordon selber ist gegen eine Liberalsierung, die so weit geht, dass Eltern ihre Kinder nach der Haarfarbe auslesen, wie das in England möglich wäre. «Wir brauchen in der Schweiz klare Grenzen», sagte Recordon.

Nun Gesetz ausarbeiten

Auch Innenminister Pascal Couchepin sprach sich für eine Aufhebung des Verbots aus. Es gehe darum, die Präimplantations-Diagnostik in genau definierten Fällen zuzulassen.

Die Zulassung sei eine logische Folge zahlreicher politischer Vorstösse und der wissenschaftlichen Entwicklung.

Mit der überwiesenen Motion wird der die Regierung nun beauftragt, eine Gesetzesregelung auszuarbeiten, welche die Präimplantations-Diagnostik ermöglicht und dafür Rahmenbedingungen festlegt.

Die Nationale Ethikkommission hatte sich in der vergangenen Woche ebenfalls für eine Aufhebung des Verbots ausgesprochen.

swissinfo und Agenturen

Bei der Präimplantations-Diagnostik werden gentechnische Methoden zusammengefasst.

Im Vorfeld einer künstlichen Befruchtung sollen bestimmte Erbkrankheiten und Chromosomenbesonderheiten erkannt werden.

Danach wird entscheiden, ob die Zygote in die Gebärmutter eingepflanzt werden soll oder nicht.

Üblicherweise wird am dritten Tag nach der Befruchtung meist mittels ICSI eine Zelle des Embryos entnommen.

Der Embryo befindet sich zu diesem Zeitpunkt im 4- bis 8-Zell-Stadium.

Die PID ist per Gesetz erlaubt in Dänemark, Spanien, Frankreich und Norwegen.

Nicht erlaubt ist sie in Schweden, Deutschland, Österreich, Irland und der Schweiz (seit 2001).

Keine Gesetzesgrundlagen gibt es in Belgien, Finnland, Griechenland, Italien, den Niederlanden und Grossbritannien.

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