Kampf gegen hohe Medikamentenpreise
Medikamente sind in der Schweiz viel teurer als in den Nachbarländern. Gestützt auf eine Studie ortet santésuisse ein Sparpotenzial von 600 Mio. Franken.
Die Branchen-Organisation verlangt vom Bund und der Pharmaindustrie drastische Preissenkungen.
Der Kampf gegen die hohen Medikamentenpreise geht in die nächste Runde: Nach Pharmaindustrie und Preisüberwacher haben jetzt auch die Krankenkassen die Medikamentenpreise unter die Lupe genommen.
Wie der Krankenkassenverband santésuisse am Mittwoch in Zürich bekannt gab, wurden in der Studie die Preise der 100 meistverkauften Medikamente in Österreich, Italien, Frankreich, Deutschland und Belgien mit jenen der Schweiz verglichen.
Fazit: Die hiesigen Fabrikabgabepreise liegen zwischen 34 und 15% höher. Im Vergleich der Publikumspreise, bei denen zum Fabrikabgabepreis noch der Vertriebsanteil dazugerechnet wird, ist die Differenz mit 18 bis 38% sogar noch höher.
Nicht die Mengenausweitung, sondern Preiserhöhungen hätten in den letzten Jahren den Medikamentenanteil an den Gesundheitskosten erhöht, so der Verband.
Ein Viertel der Prämien
Mit über 4 Mrd. Franken jährlich sei der Kostenanteil der Medikamente an den Gesamtausgaben der Grundversicherung heute höher als die ambulante medizinische Versorgung. Rund ein Viertel der Versicherungsprämie entfalle heute auf Medikamente.
santésuisse stellt sich damit im Streit mit der Pharmaindustrie um die Medikamentenpreise auf die Seite des Preisüberwachers. Rudolf Strahm hatte Ende Februar eine Studie mit ähnlichen Ergebnissen veröffentlicht und damit den Verband der forschenden Pharmaindustrie Interpharma widerlegt.
Interpharma sah die Schweizer Medikamentenpreise in einer eigenen Studie im mitteleuropäischen Mittelfeld, hatte aber die Mehrwertsteuer mitberücksichtigt.
Preise rigoros senken
Die Medikamentenpreise seien das Sorgenkind des Gesundheitswesens, sagte santésuisse-Präsident Christoffel Brändli. Mit dem Hinweis auf eine Kostensteigerung von 34,5% zwischen 1999 und 2003 forderte der Bündner SVP-Ständerat einen Tritt auf die Kostenbremse.
santésuisse fordert eine Preissenkung für patentgeschützte Medikamente von 15, bei Medikamenten mit abgelaufenem Patentschutz von 25%. Dadurch würden sich jährlich Einsparungen von 300 Mio. Franken ergeben.
Kämen die restlichen 50% der kassenpflichtigen Medikamente hinzu, ergäbe dies ein Sparpotenzial von 600 Mio. Franken. Dies entspricht drei Prämienprozenten. Einen verordneten Zwangsrabatt, wie er in Deutschland mit 16% durchgesetzt wurde, hält santésuisse auch in der Schweiz für möglich.
Bund…
Zur Kontrolle empfiehlt santésuisse bei patentgeschützten Medikamenten eine ständige Überprüfung von Preis, Zweck und Wirksamkeit. Zudem müsse das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die ausländischen Preise stärker in den Vergleich mit einbeziehen. im Weiteren müssten auch die Rahmenbedingungen zur Förderung von Generika angepasst werden.
Bei Neuaufnahmen in die Spezialitätenliste fordert santésuisse einen restriktiveren Innovationszuschlag. Medikamente, die bereits in ähnlicher Form auf dem Markt seien, dürften nur noch zu einem eindeutig tieferen Preis in die Spezialitätenliste aufgenommen werden.
… und Hersteller gefordert
Das Problem dieser Forderungen sei, dass santésuisse kaum Einfluss auf die Preise habe, sagte Brändli. Der Medikamentenmarkt in der Schweiz sei komplett administriert und reguliert und habe mit den Konzernen Novartis, Roche und Serono eine starke Lobby. Darum seien die Behörden gefordert sowie die Parlamentarier, das Thema auf die politische Agenda zu setzen.
BAG prüft seit anfangs 2005
Mit ihren Forderungen rennt santésuisse teilweise offene Türen ein: Im Februar bestätigte das BAG die Überprüfung aller Arzneimittelpreise. Bis Ende Jahr sollen sämtliche bis 1995 in Verkehr gebrachten Medikamente kontrolliert werden, anschliessend folgen die 1995 bis 2000 eingeführten Produkte.
Laut Informationen des BAG haben die bisherigen Kontrollen ergeben, dass die Preise bei über zwei Dutzend Medikamenten deutlich gesenkt werden.
Unter die Lupe genommen wird auch das von santésuisse kritisierte Preisfestsetzungsverfahren. Es soll möglichst an die Nachbarländer angepasst werden. Dabei steht auch die Verkürzung der Überprüfungsintervalle zur Diskussion.
swissinfo und Agenturen
Die Krankenkassen bezahlen in der Grund-Versicherung pro Jahr vier Mrd. Franken für Medikamente.
Der Medikamenten-Anteil liegt damit höher als die Kosten für die ambulante medizinische Versorgung.
Heute entfällt ein Viertel der Versicherungs-Prämie auf Medikamente.
Laut Studie bezahlt man in der Schweiz wegen hoher Medikamenten-Preise pro Jahr 600 Mio. Franken zuviel.
Die Fabrikpreise sind 15 bis 34% höher als in den Nachbarländern.
Die Verkaufspreise sind gar 18 bis 38% teurer.
Die hohen Preise wurden auch vom Preisüberwacher schon kritisiert.
Aus Sicht der Hersteller sind die Preise der Medikamente gerechtfertigt.
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