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Kaum Lehrstellen für ausländische Jugendliche

Eine Lehrstelle zu finden ist schwierig: Als Schweizer und noch mehr als Ausländer. Keystone

Bei der Lehrstellensuche haben Ausländerkinder der ersten und zweiten Generation massiv schlechtere Chancen als Schweizer. Trotz gleicher Schulleistungen.

Letztes Jahr fanden über 40 Prozent der ausländischen Jugendlichen keine Lehre. Dieses Jahr werden es noch mehr sein.

Ausländische Jugendliche haben wesentlich mehr Mühe, eine Lehrstelle zu finden als ihre Schweizer Kollegen. «Gerade dieses Jahr ist es für sie besonders hart», sagt Manfred Fasel von der Berufsberatung der Stadt Zürich. Allerdings sei es zur Zeit auch für Schweizer nicht einfach.

Fasel kennt zahlreiche ausländische Jugendliche, die 50 bis 100 Bewerbungen geschrieben haben und noch nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden. «Sehr viele werden keine Lehrstelle finden und auch die Überbrückungsangebote sind überfüllt.» Manche junge Ausländer resignierten.

Ähnlich angespannt präsentiert sich die Lage in Basel, wie Marianne Haller von der Berufs- und Laufbahnberatung der Stadt Basel bestätigt. «Viele ausländische Jugendliche werden dieses Jahr keine Lehrstelle bekommen.» Es gebe aber gute Brückenangebote, welche die Chance auf eine Lehrstelle erhöhten.

Nur 32 Prozent der Ausländer haben eine Lehrstelle

Dass ausländische Jugendliche gegenwärtig auf sehr hohe Hindernisse stossen, spiegelt sich auch im diesjährigen für die ganze Schweiz gültigen «Barometer der Lehrstellen».

So hatten am Stichtag im April 69% der an einer Lehre interessierten Schweizer einen Lehrplatz, bei den Ausländern waren es nur 32 Prozent.

Im Vorjahr verfügten bei den Ausländern zum selben Zeitpunkt immerhin 42 und 2001 gar 49% über eine entsprechende Zusage. Bei den Schweizern waren es im Vorjahr 74 und 2001 ebenfalls 74 Prozent.

Gleiche Leistung – schlechtere Chancen

Dass ausländische Jugendliche auf dem Lehrstellenmarkt deutlich schlechtere Aussichten haben als junge Schweizer, zeigt auch eine kürzlich veröffentlichte Nationalfondsstudie unter Leitung des Freiburger Heilpädagogikprofessors Urs Haeberlin.

Diese kommt zum Schluss, dass – bei gleichem Schultyp und gleichen Noten – junge Ausländer und Ausländerinnen der ersten Generation 4,4 Mal schlechtere und Ausländer der zweiten Generation immerhin noch 1,9 Mal schlechtere Chancen haben als Jugendliche, von denen beide Elternteile Schweizer sind.

Dies wird zum einen mit dem schlechteren Beziehungsnetz der Ausländer erklärt. Eine zentrale Rolle spiele zudem das Vorschussvertrauen der Lehrbetriebe, betont Christian Imdorf, Mitautor der für die Deutschschweiz repräsentativen Studie. Hier profitieren in erster Linie Schweizer Männer. Ausländische Jugendliche, vor allem wenn sie erst seit kurzer Zeit hier leben, kommen weniger in den Genuss eines solchen Vertrauenskredits.

Benachteiligung schon in der Schule

Die Benachteiligung von Ausländern und Ausländerinnen beginnt aber schon früher: Beim Selektionsentscheid in die Sekundarschule, bei dem laut Studie auch leistungsunabhängige Kriterien wie Nationalität, Geschlecht und Sozialstatus beteiligt sind.

So werden Schweizer Mädchen mit durchschnittlichen Schulleistungen mehr als doppelt so oft der anforderungsreichen Sekundarschule zugewiesen als ausländische Knaben mit denselben Leistungen.

Von einer leistungsgerechten Selektion scheine man nur bei sehr guten oder schlechten Schülern sprechen zu können, nicht aber beim Gros der Schülerschaft mit mittleren Leistungen, hält die Studie «Von der Schule in die Berufslehre» fest.

Die Konsequenzen zeigen sich im Lehrstellenbarometer: Noch nie hatten es ausländische Jugendliche so schwer, eine Lehrstelle zu finden.

swissinfo und Silvia Oberhänsli, InfoSüd

Ausländische Jugendliche der ersten Generation haben – bei gleichen Schulleistungen – eine 4,4 Mal schlechtere Chance eine Lehrstelle zu finden, als gleichaltrige Schweizer.

Secondos, also Jugendliche der zweiten Ausländer-Generation, habe eine 1,9 Mal schlechtere Chance auf eine Lehrstelle.

Schweizer Jugendliche haben bessere Chancen eine Lehrstelle zu finden, weil ihnen laut einer Studie ein Vertrauensvorschuss entgegen gebracht wird.

Einen solchen erhalten vor allem junge ausländische Männer nicht; sie finden denn auch oft keine Lehrstelle.

Bereits in der Schule haben ausländische Jugendliche die schlechteren Karten: Sie werden bei gleicher Leistung nur halb so oft in die anspruchsvolle Sekundarstufe eingeteilt.

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