Kein Ruhmesblatt für das zehnjährige Gesetz
Die erneut kräftige Erhöhung der Krankenkassenprämien Anfang 2006 fällt auf ein Zehnjahres-Jubiläum: Am 1. Januar 1996 trat das Krankenversicherungs-Gesetz in Kraft.
Dieses sollte nicht zuletzt solche Prämienschübe verhindern.
Das Krankenversicherungs-Gesetz (KVG) beendete die 84-jährige Ära des Kranken- und Unfallversicherungs-Gesetzes und eine Reihe von Feuerwehrübungen.
Es brachte die obligatorische Krankenpflege-Grundversicherung, alters- und geschlechts-unabhängige Prämien, die freie Kassenwahl, mehr Wettbewerb und eine gezielte staatliche Prämienverbilligung.
Durchzogene Bilanz
Die Erwartungen waren hoch: Das neue Gesetz sollte die Solidarität unter Jungen und Alten, Reichen und Armen, Gesunden und Kranken stärken, eine hochstehende medizinische Versorgung garantieren und vor allem auch den Kostenanstieg dämpfen. Schon bald machte sich aber Ernüchterung breit.
Weiterhin schlugen sich steigende Gesundheitskosten Jahr für Jahr in Prämienaufschlägen weit über der allgemeinen Teuerung nieder. «Leistungsniveau hoch, Solidarität verbessert, Kostendämpfung ungenügend», lautete die Zwischenbilanz, welche die damalige Sozialministerin Ruth Dreifuss nach sechs Jahren zog.
Eine erste kleine Revision auf Anfang 2001 hatte das KVG damals bereits hinter sich. Sie gab dem Bundesrat unter anderem die Kompetenz zu einem befristeten Zulassungsstopp für neue Arztpraxen. Ein grösserer Wurf – vom neuen Sozialminister Pascal Couchepin nur lau verteidigt – scheiterte Ende 2003 im Nationalrat, weil die Räte das Fuder überladen hatten.
Eine Grossbaustelle
2004 nahm der Bundesrat einen neuen Anlauf in Paketen. Dieses Programm liegt grösstenteils noch beim Parlament. Dringliches kam letztes Jahr unter Dach: Befristete Massnahmen wie der Ärztestopp von 2002 und der Risikoausgleich unter den Kassen wurden verlängert, die Grundlagen für eine Versichertenkarte gelegt.
Beschlossen wurde dieses Jahr auch eine zusätzliche Prämienverbilligung, die das Parlament einem nationalen «Sozialziel» vorgezogen hatte: Ab 2007 werden bei Familien mit tieferen Einkommen die Prämien für Kinder und für Auszubildende um mindestens die Hälfte verbilligt.
Ins Stocken geriet die vom Bundesrat vorgeschlagene hälftige Spitalfinanzierung durch Kassen und Kantone. Der Ständerat prüft eine einheitliche Finanzierung für den stationären wie für den ambulanten Bereich. Die Kassen sollen die ganze Grundversicherung finanzieren und dafür von den Kantonen 30 Prozent erhalten.
Noch in der Schwebe sind die Aufhebung des Vertragszwangs zwischen Kassen und Leistungserbringern, die Förderung von Managed Care und die neue Pflegefinanzierung. Immer stärker wird zudem der Ruf nach einer Verfeinerung des Risikoausgleichs, der die Jagd auf gute Risiken nicht verhindert hat.
Medikamentenpreise im Visier
Neben den Gesetzgebungsarbeiten versuchen Bundesrat und Departement, ihren eigenen Spielraum zu nutzen. Die Grundfranchise stieg so bisher in zwei Schritten von 150 auf 300 Franken, das System der Wahlfranchisen und Rabatte wurde revidiert. Der Leistungskatalog wurde weiter ausgebaut, bis Bundesrat Couchepin jüngst mit der Streichung komplementär-medizinischer Methoden Gegensteuer gab.
Gross ist das Sparpotenzial bei den Medikamenten. In mehreren Runden wurden Preissenkungen für ältere Präparate verfügt. Zudem möchte der Bundesrat Generika stärker fördern. Direkt auf die Prämien zielt er neuerdings mit der Anweisung an die grossen Kassen, ihre Reserven zu senken.
Anfang 2004 wurde nach langem Ringen der einheitliche Ärztetarif Tarmed in Kraft gesetzt. Auf die Prämien allerdings wirkt sich dies kaum aus. Das Ringen um eine Konzentration der Spitzenmedizin dauert an. Bei der Erhöhung kantonaler Spitaltarife setzen sich die Kantone mit ihren Beschwerden an den Bundesrat häufig durch.
swissinfo und Agenturen
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