Klimawandel heizt politische Diskussion auf
Der UNO-Klimabericht und die Äusserungen von Umweltminister Moritz Leuenberger haben die Schweizer Politik auf den Plan gerufen.
Die FDP und die Grünen fordern eine dringliche Debatte zur Klimapolitik, die SP gar eine Sondersession. Rechtsbürgerliche Kreise finden die Situation nicht alarmierend.
Die Bundeshausfraktion der Sozialdemokraten (SP) befasste sich an ihrer Klausurtagung vom Freitag und Samstag in Luzern unter anderem mit dem Thema Klimapolitik.
Sie kommt zum Schluss, dass der Klimawandel die moderne Gesellschaft bedroht und die Schweiz als Alpenland besonders betroffen ist.
Die SP-Fraktion verlangt deshalb eine Sondersession zur Klimapolitik. Gleichzeitig verabschiedete sie ein 10-Punkte-Programm. Darin fordert sie unter anderem die Einführung eines Minergie-Standards für alle Bauten ab 2015 und für Neubauten ab sofort.
CO2-Abgabe auf Treibstoffe
Öl- und Gasheizungen sollen bis 2017 durch Hybridheizungen oder Heizungssysteme auf der Basis erneuerbarer Energie ersetzt werden. Für die Sanierung von Elektroheizungen soll ein Programm entwickelt werden. Die Oberaufsicht für den Vollzug der Massnahmen bei Gebäuden soll beim Bund liegen.
Die CO2-Abgabe soll nach Ansicht der SP-Fraktion auch auf Treibstoffen erhoben und die CO2-Emissionen von Neuwagen begrenzt werden. Für Windstrom-Importe sollen Einspeisevergütungen gemacht werden, und eine erdverlegte Gleichstromleitung soll die Schweiz an die EU anbinden. Im Flugverkehr soll über einen Emissionshandel mit der EU verhandelt werden.
Grüne und FDP fordern Debatte
Die Grünen und die bürgerlichen Freisinnigen (FDP) verlangen ihrerseits eine dringliche Debatte zur Klima- und Energiepolitik.
Es sei höchste Zeit, endlich griffige Massnahmen zu ergreifen, teilten die Grünen am Freitag mit. Es seien die bürgerlichen Parteien, die bisher auf der Bremse gestanden seien.
Die FDP-Bundeshausfraktion fordert, dass die eidgenössischen Räte im Rahmen der Frühjahrs-Session über eine sichere und umweltfreundliche Energieversorgung debattieren.
Anlass dafür ist die «drohende Stromlücke». Umweltminister Moritz Leuenberger und das Bundesamt für Energie hätten dieses Thema viel zu lange vor sich hergeschoben.
FDP für neue AKW
Eine nachhaltige Energieversorgung müsse auf die Senkung des Energieverbrauchs mit steuerlichen Anreizen und technischen Massnahmen, die gezielte Förderung erneuerbarer Energien und die Steigerung der Effizienz bei der Energiegewinnung abzielen.
Die von Umweltminister Moritz Leuenberger propagierten Gross-Gaskraftwerke lehnt die FDP-Fraktion jedoch ab. Diese verursachten eine Unmenge an CO2. Die Freisinnigen befürworten deshalb die weitere Nutzung der «CO2-neutralen Kernkraft».
Schlüsselrolle der CVP
«Nationalen Handlungsbedarf» hatte am Freitag auch die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) geortet.
Die Partei will ihren Fokus auf Bereiche wie grössere Energie-Effizienz richten; gleichzeitig fordert sie eine «entideologisierte» AKW-Diskussion.
Keinen Handlungsbedarf sieht die Schweizerische Volkspartei (SVP). Es habe schon früher Klimaschwankungen gegeben, sagte SVP-Sprecher Roman Jäggi.
Angesichts dieser Stellungnahmen dürfte der CVP in der künftigen Klimapolitik der Schweiz eine Schlüsselrolle zukommen.
Die SP forderte denn auch am Samstag die CVP auf, zusammen mit den Grünen noch vor den Wahlen die im Parlament hängigen Vorstösse zum Klimaschutz zu verabschieden.
swissinfo und Agenturen
Mehr als 500 Wissenschaftler aus der ganzen Welt (Uno-Klimarat) stellten diese Woche in Paris ihren vierten Klimabericht vor.
Gemäss Bericht droht der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts eine «beispiellose» Klimaerwärmung um bis zu 6,4 Grad Celsius.
Im besten Fall sei bis 2100 mit einer Erwärmung von 1,1 bis 2,9 Grad Celsius zu rechnen, im schlimmsten Fall mit 2,4 bis 6,4 Grad.
Mit einer «sehr hohen Sicherheit» hätten die Aktivitäten des Menschen seit 1750 zur Erwärmung der Erde geführt.
Der Anstieg der Meeresspiegel beträgt bis 2100 im besten Szenario der Klimaforscher 18 bis 38 Zentimeter, im schlimmsten 26 bis 59 Zentimeter.
Nach der Veröffentlichung des alarmierenden Weltklimaberichts haben sich in einer von Frankreichs Präsident Jacques Chirac verlesenen Erklärung 46 Staaten – darunter auch die Schweiz – für die Schaffung einer starken Uno-Umweltbehörde ausgesprochen.
Mit den USA, Russland, China und Indien unterzeichneten allerdings die vier Länder mit dem weltweit grössten Ausstoss umweltschädlicher Treibhausgase den «Pariser Aufruf für Taten» nicht.
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