Klimawandel-Szenarien bestätigen Erwärmung
Durchschnittstemperatur und extreme Wetterereignisse könnten in der Schweiz zunehmen, fand eine Studie heraus. Im besten Fall – bei einer starken Reduktion der Treibhausgase – würde die Temperatur bis 2100 um fast 2 Grad ansteigen.
Im schlechtesten Fall könnten die Temperaturen sogar um bis zu 5 Grad ansteigen, fanden die Schweizer Forscher heraus.
Die Studie war mit einer neuen Generation von weltweiten und europäischen Klimamodellen durchgeführt worden. «Swiss Climate Change Scenarios CH2011» präsentiert drei verschiedene mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf Temperaturen und Niederschlag in der Schweiz, je nach dem Ausmass der Reduktion der Treibhausgase.
CH2011 wurde anlässlich einer Konferenz an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) präsentiert. Die Studie entstand in einer Zusammenarbeit des Wetter-Informationsdienstes Meteo Schweiz, des Nationalen Forschungsschwerpunkts Klima, des Beratenden Organs für Fragen der Klimaänderung (OcCC) und des Zentrums für Klimamodelle (C2SM) der ETH.
Falls der Ausstoss an Treibhausgasen auf heutigem Niveau weiter ansteigt, sagt die Studie einen Anstieg der Schweizer Durchschnittstemperatur bis Ende dieses Jahrhunderts zwischen 3,2 und 4,8 Grad Celsius voraus.
Extreme Wetterereignisse im Sommer werden in diesem Szenario zunehmen, auch wenn die Auswirkungen auf den Niederschlag unsicher bleiben.
In diesem Szenario «gibt es eine grössere Tendenz zu mehr Erwärmung im Sommer und südlich der Alpen als im Winter und auf der Alpennordseite», sagte Andreas Weigel von Meteo Schweiz an der Konferenz.
«Über den Niederschlag im Winter, Frühling und Herbst können wir noch nichts voraussagen, doch im Sommer könnte es zu Trockenheit kommen.»
Das zweite Szenario geht von einem raschen Wirtschaftswachstum und einem Anstieg der Bevölkerung bis 2050 aus, damit einhergehend aber auch von einer raschen Einführung neuer, effizienter Technologien. Doch auch in diesem Fall könnten die Temperaturen bis 2100 um bis zu 4,1 Grad ansteigen, mit 18 bis 24 Prozent mehr Regenfällen.
Extreme Ereignisse
Im dritten Szenario, das von einer Reduktion der Treibhausgase um 50% bis 2050 ausgeht, werden steigende Temperaturen erwartet. Doch könnten sich diese bis 2100 auf 1,2 bis 1,8 Grad mehr stabilisieren, bei 8 bis 10% grösserer Trockenheit im Sommer.
Daher könnten auch mehr extreme Wetterereignisse erwartet werden, wie häufigere, intensivere und länger anhaltende Hitzeperioden im Sommer. Im Winter könnte es weniger kalte Tage und Nächte geben.
«Projektionen der Häufigkeit und Intensität von Niederschlagsereignissen sind mit grösseren Unsicherheiten behaftet, markante Änderungen können jedoch nicht ausgeschlossen werden», heisst es im Bericht. «
Zusätzlich wird eine Verschiebung von festem Niederschlag (Schnee) hin zu flüssigem Niederschlag (Regen) erwartet, was das Überschwemmungsrisiko speziell in niedrigen Lagen vergrössern würde.»
Unsicherheit und Konstanz
Laut Weigel haben Faktoren wie die abwechslungsreiche Geografie der Schweiz einen Einfluss auf die Unsicherheit, welche Effekte der Klimawandel auf die Niederschlagsmengen haben wird, besonders im Winter auf der Alpennordseite.
Die Forscher wiesen auch darauf hin, dass sich die Klimawandel-Szenarien auf Annahmen von Treibhausgas-Emissionen beziehen. Klimamodelle und statistische Methoden würden sich in den nächsten Jahren wesentlich weiterentwickeln, und mehr Beobachtungsdaten würden zugänglich werden.
«Grundsätzlich sagen wir, was passieren wird, wenn wir bestimmte Dinge tun», sagte Reto Knutti von der ETH gegenüber swissinfo.ch. «Es ist klar, dass es besonders auf lange Sicht hinaus sehr wichtig ist, welchen Verlauf die zukünftigen Treibhausgas-Emissionen nehmen.»
Für die CH2011-Studie wurden Daten von verschiedenen internationalen Projekten beigezogen. «Die neuen Resultate von CH2011 stimmen weitgehend mit den früher publizierten Szenarien von 2007 überein», schrieben die Forscher.
Einschätzung verbessern
Experten werten den Umstand als beachtenswert, dass die Studie Resultate verschiedener Institutionen kombiniert, und sie loben auch das erklärte Ziel der Studie.
«Die neuen CH2011-Szenario-Daten können als Grundlage für verschiedene Untersuchungen zum Klimawandel in der Schweiz dienen, welche ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen zum Inhalt haben», heisst es in der Studie.
«Die Idee ist, dass wir eine bessere Einschätzung der Auswirkungen machen können, wenn alle einheitliche nationale Szenarien benutzen. Daher wollen wir das der Wissenschafts-Gemeinschaft zugänglich machen», sagte Isabelle Bey von C2SM gegenüber swissinfo.ch.
Laut Bey haben einige Forscher bereits angefangen, die Daten zu nutzen, um beispielsweise die Auswirkungen des Klimawandels auf den Gornergletscher im Kanton Wallis zu zeigen.
CH2011 präsentiert drei Szenarien für den Klimawandel, die auf drei «Verläufen» der Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen basieren.
Diese Verläufe basieren auf Annahmen zur globalen demographischen und gesellschaftlichen Entwicklung, zum Energiebedarf, zu technologischen und wirtschaftlichen Trends und den entsprechenden Entschlüssen und Entscheidungen, welche die Welt gegenwärtig trifft und in Zukunft treffen wird.
Szenario A2 ist das erste von zwei «Nicht-Interventions-Szenarien», die eine Zunahme der Emissionen im heutigen Rahmen annehmen. In diesem Szenario werden die Temperaturen bis 2100 im Sommer zwischen 3,2-4,8°C ansteigen, mit 21-28% weniger Regen.
Szenario A1B, ebenfalls ein «Nicht-Interventions-Szenario», geht von Treibhausgas-Emissionen aus, die auf einem sehr schnellen Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung bis 2050 basieren, begleitet aber von der raschen Einführung neuer und effizienterer Technologien. In diesem Fall werden die Sommertemperaturen bis 2100 um 2,7-4,1°C ansteigen, bei 18-24% weniger Regenfällen.
Szenario RCP3PD nimmt strenge Einschränkungs-Massnahmen an, die zu einer Senkung der Emissionen bis 2050 um etwa 50% gegenüber jenen von 1990 führen. In diesem Fall werden die Temperaturen bis 2100 um 1,2-1,8°C ansteigen, während es im Sommer um 8-10% trockener wird.
«Unsicherheiten aufgrund von Einschränkungen in den Klimamodellen und der natürlichen Klimaschwankungen belaufen sich für die Temperatur auf etwa 1°C, für den Niederschlag auf etwa 15%», schreiben die Forscher.
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
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