Klimawandel: Wissenschaft, Markt und Politik
Weltweit führende Klimaforscher und die Spitze des wissenschaftlichen Nachwuchses aus12 Ländern haben im Berner Oberland über Kosten, Nutzen, Machbarkeit und Akzeptanz doziert und diskutiert.
Im Mittelpunkt der internationalen «Summer School» standen die Schnittstellen zwischen Klimaforschung, Wirtschaft und Gesellschaft.
Sommerschule im Touristenort Grindelwald. Mittagstemperatur sieben Grad. Es regnet seit Tagen und es riecht nach Schnee. November im August. Klimawandel konkret. «Je mehr wir in die Luft rauslassen, desto extremer gebärdet sich das Wetter», bemerkt der Klimaforscher Heinz Wanner.
Überschwemmungen, Felsstürze, Lothar und faule Kartoffeln: Die Auswirkungen des Klimawandels sind seit Jahren ein Thema in den Parlamenten und an den Stammtischen im Land.
Die Forschung funktioniert und warnt vor weiteren Katastrophen. Die Umsetzung konkreter Massnahmen gegen Treibhausgase und andere Umweltbelastungen jedoch harzt. Umweltschutz steht auf der politischen Agenda tief unten.
«Wir müssen lernen, es den Politikern beizubringen und die Politiker müssen lernen, die Erkenntnisse umzusetzen», bringt Wanner die Situation auf den Punkt.
Der Professor für Klimatologie an der Universität Bern ist Direktor des Nationalen Forschungsschwerpunkts Klima. Die «Summer School» ist das internationale Aushängeschild dieses Nationalfonds-Programms.
Top-Cracks aus der ganzen Welt
In Grindelwald treffen sich international renommierte Forscher mit jungen Doktorandinnen und Doktoranden. Die Atmosphäre ist konzentriert und locker. «Diskussionen, Ideenaustausch, gemeinsame Nachtessen sind genauso wichtig wie die Vorlesungen», erzählt Wanner im Gespräch mit swissinfo.
Professoren und Studenten kommen aus der ganzen Welt. «Es hat jeweils so viele Bewerbungen, dass wir aus den Besten auswählen können. Ziel ist es, bei den Dozenten und den Studierenden Spitzenleute aus der ganzen Welt zu holen.»
Er habe sich auf die Erforschung des Klimas in der fernen Vergangenheit spezialisiert, erklärt ein junger Forscher. «Hier lerne ich einen ganz anderen Ansatz kennen und ich kann mit Top-Cracks aus der ganzen Welt diskutieren.»
Spannungsfeld Forschung und Wirtschaft
Sie wisse nichts über Ökonomie, aber hier in Grindelwald habe sie bereits sehr viel darüber gelernt, erzählt eine Naturwissenschafterin. Andere loben den Gedankenaustausch mit Menschen aus andern Ländern und Kulturen oder auch die Funktion der Summer School als internationale Jobbörse.
«Die Forscher erkennen die Klimaveränderungen und haben das Gefühl, Massnahmen müssten schnell getroffen werden. Dabei merken sie, dass die erforderlichen Massnahmen nicht oder lediglich zögerlich getroffen werden», erklärt Philippe Thalmann, Professor für Wirtschaft und Umweltmanagement an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne.
«Die Wirtschaft ist die wichtigste Quelle der Treibhausgas-Emissionen. Sie betrachtet eine Reduktion vor allem unter dem Kosten-Nutzen-Aspekt. Deshalb braucht es Lenkungsmassnahmen, positive Anreize für umweltgerechtes Verhalten und höhere Belastungen für die Sünden.»
Politiker denken in kurzen Zyklen
Thalmann plädiert für einen Mix aus «strengen Massnahmen», wie Gesetze, Steuern und Abgaben und für freiwillige Massnahmen. «Hier geht es um Fragen der Machbarkeit und vor allem auch der Akzeptanz.»
An der «Summer School» hat Thalmann mit den Naturwissenschaftern darüber diskutiert, wieso die Politik aus der Sicht der Forschung die notwendigen Massnahmen nicht einführt. «Politiker denken nicht allzu weit in die Zukunft. Bereits fünf Jahre ist für sie eine lange Zeit.»
Dennoch gehe es auf der politischen Ebene vorwärts, wenn auch langsamer, als die Forschung möchte: «England, Dänemark und Holland haben eine CO2-Börse eingeführt, Deutschland hat die ökologische Steuerreform durchgesetzt. Damit wächst auch auf die Schweiz der Druck, hier nachzuziehen.»
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SNF
Lenkungsmassnahmen statt Gesetze
Verbieten, Reglementieren, das seien in den Augen der Naturwissenschafter natürliche Ansätze, so Thalmann. Aber in der Wirtschaft führten auf Freiwilligkeit basierende Lenkungs-Massnahmen eher zu Fortschritten.
«Viele Betriebe haben ganz einfach gemerkt, dass sie auch Geld sparen, wenn sie Energie sparen. Andere setzen auf ein grünes Image, weil sie wissen, dass dies Wettbewerbs-Vorteile bringt.»
Auch der Einfluss der Konsumenten könne zu Fortschritten führen: «Seit eine grosse Automarke erfolgreich Modelle mit Hybrid-Antrieb auf den Markt brachte, ist die Autoindustrie im Zugzwang.»
swissinfo, Andreas Keiser, Grindelwald
Bis 2010 soll die Schweiz ihren CO2-Ausstoss 10% unter das Niveau von 1990 senken (Einsparung von 4 Mio. Tonnen CO2).
Für Brennstoffe (-15 %) und Treibstoffe (-8 %) sind laut CO2-Gesetz unterschiedliche Werte zu erreichen.
CO2 ist in der Schweiz das wichtigste der 6 Treibhausgase, die im Kyoto-Protokoll erwähnt sind.
Für die 5 anderen hat die Schweiz keine Begrenzungsziele festgelegt.
Der Nationale Forschungs-Schwerpunkt Klima (NFS Klima) organisiert seit 2001 jeden Sommer die «Summer School», an der Dozenten und Studenten aus der ganzen Welt teilnehmen.
Das Treffen fand vom 27. August bis am 1. September in Grindelwald (Berner Oberland) statt.
Der NFS Klima definiert sich als Netzwerk der Schweizer Klimaforschung und hat seinen Sitz an der Universität Bern.
Er vereint 130 Forscherinnen und Forscher, die in 19 Projekten die Ursachen und Folgen des Klimawandels untersuchen.
Themenschwerpunkte sind das Klima der Vergangenheit, Prognosen zur Zukunft, Auswirkungen auf die Biosphäre und die Folgen des Klimawandels für Wirtschaft und Gesellschaft.
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