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Kometenjäger im Warteraum

Die Zukunft der Rosetta-Mission ist unklar. (ESA) PICTURE - EUROPEAN SPACE AGENCY (ESA)

Schweizer Wissenschaftler sind enttäuscht über die Verschiebung der kostspieligen ESA-Mission, mit der ein Roboter auf einen Kometen gebracht werden sollte.

Die Raumsonde Rosetta, mit einem an der Uni Bern entwickelten Instrument an Bord, hätte vor Ende Monat ihre 10-jährige Reise antreten sollen.

Am Montag nun kündigten die Europäische Raumfahrtorganisation ESA und das Raketenunternehmen Arianespace Consortium an, das Projekt werde wegen der Unsicherheit über die Zuverlässigkeit der Ariane-5-Trägerrakete verschoben.

Die Mission, die mit Kosten von 1,5 Mrd. Franken veranschlagt worden war, sollte neue Erkenntnisse über die Entstehung des Sonnensystems liefern. Sie muss jetzt vermutlich umgearbeitet und auf ein neues Ziel ausgerichtet werden.

«Ganz unerwartet kommt das nicht. Trotzdem ist es eine grosse Enttäuschung», meinte Rudolf von Steiger, Direktor des International Space Science Institute der Universität Bern, gegenüber swissinfo.

«Wir hatten gehofft, dass die Mission schliesslich doch starten würde, um im Jahr 2011 beim Kometen Wirtanen anzukommen. Jetzt müssen wir warten und ein neues Ziel finden.

Andererseits wäre es ein zu grosses Risiko, mit der Ariane 5 zu starten. Diese hat sich in ihrer bisherigen kurzen Geschichte als zu wenig sicher erwiesen, um bei einer derart wichtigen Mission auf sie zu setzen.»

Kontrollzentrum

Dieser Ansicht ist auch der Schweizer Mathematiker Walter Flury, der die Gruppe leitet, welche im Kontrollzentrum der Mission, dem European Space Operations Centre (ESOC) in Darmstadt, Deutschland, die Flugbahnberechnungen anstellt.

«Weltraummissionen sind sehr kompliziert, und diese ist es ganz besonders. Man muss vor dem Start wirklich ganz sicher sein, dass alles klappt.»

Die Raumsonde hätte 2011 beim Kometen Wirtanen ankommen sollen, rund 770 Kilometer von der Sonne entfernt.

Dann hätte Rosetta den Kometen umkreisen und dabei einen Roboter auf dessen Eiskern schicken sollen.

Um die Anziehungskraft von Mars und Erde auszunützen und genügend Schwung zur Erreichung des Kometen Wirtanen zu erhalten, hätte sie allerdings vor Ende Monat abgeschossen werden müssen.

Langjährige Vorbereitungen

Die Astrophysikerin Kathrin Altwegg und ihr Team von der Universität Bern haben die letzten sieben Jahre an Entwicklung und Konstruktion für eines der Experimente an Bord der Sonde gearbeitet.

Die Verschiebung sei ein schwerer Schlag, doch die ESA prüfe alle Möglichkeiten, betonte Altwegg.

«Es werden nun alle Optionen für einen Abschuss in den nächsten zweieinhalb Jahren geprüft», erklärte sie gegenüber swissinfo.

Eine neue Version der Ariane-5-Rakete musste letzten Monat auf ihrem Jungfernflug zur Explosion gebracht werden, da sie nach dem Abschuss von Kourou in Französisch Guyana ausser Kontrolle geraten war.

Rosetta hätte nun mit der vorherigen Version der Ariane 5 in die Umlaufbahn gebracht werden sollen.

Neue Mission

In Wissenschaftskreisen geht man davon aus, dass nun ein anderer Komet ausgewählt werden muss. Eine ganz kleine Chance, Wirtanen doch noch zu erreichen, bleibt aber bestehen.

«Es besteht eine schwache Hoffnung, mit einer Ariane-5-Plus etwas schneller loszufliegen, um diesen Kometen trotzdem noch zu erreichen», so Altwegg.

«Bei einem Abschussfenster in der Zeit zwischen 10 und 12 Monaten ab jetzt könnten wir zur vorgesehenen Zeit beim Kometen Wirtanen ankommen.»

Eine Neukonzeption der Mission dürfte Zusatzkosten von Millionen Euros nach sich ziehen.

Die verschiedenen Möglichkeiten werden im Februar vorgestellt. Im Mai dann wird der Ausschuss für das Wissenschaftsprogramm der ESA formell einen Beschluss fassen.

swissinfo, Vincent Landon
(Übersetzung: Charlotte Egger)

Die Sonde gleicht einem grossen, rund 2,8 x 2,1 x 2,0 Meter grossen Aluminiumkasten.
Rosetta und ihre Landekapsel sollen 21 Experimente ausführen.
Die Raumsonde allein kostete rund 600 Millionen € (876 Millionen Schweizer Franken).

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