Kompromiss in der Klimapolitik
Die Schweizer Regierung will Brennstoffe mit einer CO2-Abgabe und Treibstoffe mit einem Klimarappen belasten. Damit will sie den CO2-Ausstoss senken.
Parteien, Wirtschaft- und Umweltverbände sind aus unterschiedlichen Gründen wenig begeistert.
Das vor einem Monat in Kraft getretene Kyoto-Protokoll und das CO2-Gesetz verpflichten die Schweiz, den Ausstoss der Treibhausgase bis 2010 gegenüber 1990 um vier Millionen Tonnen pro Jahr zu reduzieren.
Da die Schweiz mit den bisher ergriffenen freiwilligen Massnahmen nicht auf Kurs ist, will der Bundesrat nun einerseits mit einer Lenkungsabgabe auf Brennstoffen den CO2-Ausstoss senken und andererseits beim Treibstoff dem Klimarappen zumindest probeweise eine Chance geben.
«Schweiz ist kein Musterknabe»
Die CO2-Abgabe auf Brennstoffen in der Höhe von rund neun Rappen pro Liter Heizöl biete den Vorteil breiter und langfristiger Preisanreize, sagte Umweltminister Moritz Leuenberger.
Die Bevölkerung erhält via Krankenkassen jährlich 46 Franken pro Kopf zurück. Bei der Wirtschaft erfolgt die Rückverteilung proportional zur AHV-Lohnsumme.
Unternehmen, die eine Verpflichtung zur betriebseigenen CO2-Reduktion abschliessen, werden von der Abgabe befreit. Auch andere Staaten hätten entsprechende Abgaben, die Schweiz sei keineswegs ein «sich überstürzender Musterknabe», so Bundesrat
Leuenberger.
Tanktourismus spült Geld in Kassen
Der Umweltminister räumte ein, dass er auch bei den Treibstoffen eine Lenkungsabgabe vorgeschlagen habe. Es sei aber richtig, den Initianten des Klimarappens eine «Chance zur Verantwortung» zu
geben.
Beim Entscheid hätten zudem finanzpolitische Argumente eine Rolle gespielt. Jährlich flössen rund 300 Mio. Franken aus dem Tanktourismus in die Bundeskasse. Über die Höhe des Preiszuschlags macht der Bundesrat beim Klimarappen keine Vorgaben, da es sich um eine freiwillige Massnahme handelt.
Bis Ende 2007 will der Bundesrat entscheiden, ob der Klimarappen den erhofften Erfolg bringt. Wenn nicht, wird auch auf Treibstoffen eine CO2-Abgabe eingeführt.
Noch vor der Sommerpause soll das Departement Leuenberger eine Botschaft zur praktischen Umsetzung des Entscheids vorlegen. Die Höhe der CO2-Abgabe muss vom Parlament abgesegnet werden.
Unterschiedliche Reaktionen
Der Kompromissvorschlag des Bundesrats hat, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, fast rundherum Unzufriedenheit ausgelöst. Die Sozialdemokratische Partei kritisierte den Klimarappen auf Probe als unnötigen Umweg.
Die Allianz für eine verantwortungsvolle Klimapolitik, der gegen 50 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen angehören, bezeichnete den Entscheid gar als Kniefall vor der Öllobby.
Die Freisinnige Partei, die Schweizerische Volkspartei und Wirtschaftsverbände beklagten dagegen eine weitere Erhöhung der Abgabenlast. «Sehr, sehr zufrieden» ist der Schweizerische Strassenverkehrsverband.
Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse will jetzt den Beweis antreten, dass der Klimarappen ein erfolgreiches Instrument ist.
Von einem «faulen Kompromiss» sprach die Erdöl-Vereinigung, die den Klimarappen initiiert hat. Der Schweizerische Hauseigentümer-Verband kritisierte, der Entscheid führe zu einer weiteren, unverhältnismässigen Verteuerung der Wohnkosten. Vollumfänglich zufrieden zeigte sich hingegen die Chrstlich-Demokratische Volkspartei.
swissinfo und Agenturen
Seit bald 15 Jahren werden in der Schweiz jährlich über 40 Mio. Tonnen CO2 ausgestossen.
60% davon entfallen auf Heizungen und Industrie. 40% auf Motorfahrzeuge.
2003 waren es mit 41,1 Mio. Tonnen gleich viel wie 1990. Bei den Treibstoffen nahmen die Emissionen zu, bei den Brennstoffen gingen sie zurück.
Das CO2-Gesetz verlangt bis 2010 eine Reduktion der Treibstoff-Emissionen um 8% gegenüber 1990.
Die neuesten Szenarien gehen davon aus, dass der Ausstoss ohne zusätzliche Massnahmen in den nächsten Jahren konstant bliebe.
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