Krankenversicherer und Apotheker auf Kriegsfuss
Vor dem Hintergrund steigender Gesundheits-Kosten kündigen die Krankenkassen den Vertrag mit den Apothekern.
Den Apothekern wird unter anderem vorgeworfen, anstelle von günstigen Generika lieber teure Original-Medikamente zu verkaufen. Ohne Vertrag erwartet die Patienten Ärger.
Der Krankenkassen-Verband santésuisse hat den am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Vertrag über die leistungsorientierte Abgeltung der Apothekerleistungen (LOA) per Ende Jahr gekündigt.
Begründet wurde der Schritt mit höheren Medikamenten-Kosten und dem nach wie vor zu tiefen Anteil an Generika. Für die Apotheker setzen die Kassen damit alles Erreichte aufs Spiel.
Die Krankenkassen möchten den Vertrag noch um sechs Monate bis Ende Juni 2004 verlängern und parallel dazu Verhandlungen für einen «Folgevertrag mit einigen Änderungen» aufnehmen, teilte santésuisse am Montag in Solothurn mit.
Zu aufwendig, zu teuer
Für die Kündigung werden drei Gründe angeführt:
1. Das Abgeltungssystem mit der Apothekertaxe (Abgeltung für Beratung usw.) und der Patiententaxe (Abgeltung für das Führen eines Patientendossiers usw.) sei administrativ aufwendig. Die Krankenversicherer möchten die beiden Taxen deshalb durch eine Beratungstaxe ersetzen.
2. Die Apotheker hätten zudem das gesetzliche Recht, ein Original-Medikament durch ein kostengünstigeres Generikum zu ersetzen, nur sehr zögerlich wahrgenommen. Santésuisse möchte andere Anreiz-Mechanismen vereinbaren, um den Generika-Anteil massiv zu erhöhen.
3. Die Krankenversicherungen sind weiter unzufrieden mit dem Mechanismus des Kostenstabilisierungs-Beitrags (KSB), der Rabatt auf den Medikamenten der Spezialitäten-Liste festschreibt.
Dieser betrug bei der LOA-Einführung am 1. Juli 2001 3,2%, wurde aber bereits nach einem Jahr auf 2,7% gesenkt. Auf Grund der Entwicklung der Medikamentenkosten müsste der KSB gemäss santésuisse nun auf mindestens 4% erhöht werden
Der geltende Vertrags gibt dem Apothekerverband allerdings die Möglichkeit, eine KSB-Erhöhung zu verhindern. Die Krankenversicherer möchten deshalb eine KSB-Mechanik, welche auf eindeutigen Grundlagen beruht.
Steigende Medikamenten-Kosten
Santésuisse weist weiter darauf hin, dass die Medikamenten-Kosten zu Lasten der Grundversicherung im vergangenen Jahr im Apothekerkanal um fast 250 Mio. Franken oder 11% auf 2,5 Mrd. Franken gestiegen sind.
Santésuisse räumt jedoch ein, dass unter der alten Margenordnung, welche die Entschädigung der Apotheker früher regelte, die Medikamenten-Kosten noch stärker gestiegen wären. Die Krankenversicherer möchten deshalb am aktuellen Abgeltungssystem festhalten, das grundsätzlich unabhängig vom Medikamentenpreis ist.
Apotheker: «Kündigung unklug»
Der Schweizerische Apothekerverband hat die Kündigung als unklug bezeichnet. Der Vertrag habe santésuisse viele Vorteile garantiert, die nun aufs Spiel gesetzt würden, sagte Verbands-Präsident Dominique Jordan.
Durch den Systemwechsel mit der LOA seien im vergangenen Jahr 51 Mio. Franken eingespart worden. Dies, weil nun pharmazeutische Leistungen im Vordergrund stünden und der Lohn des Apothekers vom Medikamenten-Preis unabhängig sei.
Mit dem Kostenstabilisierungs-Beitrag von 2,7% seien weitere 56 Mio. Franken eingespart worden und die Erhöhung der Medikamenten-Kosten im Apothekerkanal habe kaum 5% betragen, verteidigen sich die Apotheker.
Ärger für die Patienten
Verbands-Präsident Jordan wies weiter darauf hin, dass der Anteil der Generika ständig am Steigen sei. Der Generika-Anteil sei deshalb kein Grund für die Kündigung des Vertrages.
Ein allfälliger vertragsloser Zustand wäre mit viel Ärger für die Patienten verbunden, warnte er. Sie würden die Rechnungen direkt erhalten und müssten sie selber bezahlen.
Santésuisse fordert Parallelimporte
Um die starke Zunahme der Medikamentenkosten einzudämmen, braucht es laut santésuisse Massnahmen auf allen Ebenen: Namentlich fordern die Kassen Parallelimporte auch bei patentgeschützten Medikamenten, eine regelmässige Überprüfung der Medikamentenpreise sowie die Möglichkeit, dass Patientinnen und Patienten ihre Medikamente auch bei einer ausländischen Apotheke beziehen dürfen.
swissinfo und Agenturen
2001 sind 10,9% des Bruttoinland-Produkts für das Gesundheitswesen verwendet worden; 1980 waren es noch 8,5%.
Zum Vergleich:
USA: 13.9%
Deutschland: 10,7%
Frankreich: 9,5%
Italien: 8,4%
Österreich: 7,7%
LOA: Das «leistungsorientierte Abgeltungssystem» gilt für rezeptpflichtige Medikamente zu Lasten der obligatorischen Versicherung. Die Apotheker werden mit der LOA unabhängig vom Medikamentenpreis für ihre Dienstleistungen bezahlt. Die Vergütung setzt sich zusammen aus Apothekertaxe und Patiententaxe.
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