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Kühlen im Sommer statt Frieren im Winter

Halb voll oder halb leer? Auch Stauseen werden unter der Klimaerwärmung leiden. Keystone

Die Schweizer Energiepolitik im Zeichen der Klimaerwärmung: Wasser- und Atomkraft werden weniger Strom liefern, die neuen erneuerbaren Energien mehr.

Erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind neue Schlüsselbegriffe einer Debatte, die jüngst im Bundeshaus lanciert wurde.

«Im Hitzesommer 2003 gab es in vielen Gebäuden Komfort-Probleme: Die Menschen sassen in den Büros und schwitzten, was für die Arbeitsproduktivität nicht gerade günstig war», erinnert sich Bernard Aebischer, Physiker und Energieanalyst an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH).

Die Klimaerwärmung setzt, so eine der Lehren aus 2003, nicht nur dem Energiehaushalt der Menschen zu, sondern auch demjenigen des ganzen Landes. Im Rahmen der Studie «Klimaänderung und die Schweiz 2050» hat eine Expertengruppe um Aebischer mögliche Auswirkungen untersucht.

Die Annahmen: Winter, Frühjahr und Herbst sind 2050 um rund 2 Grad wärmer, die Sommer gar um knapp 3 Grad. Im Winter werden rund 10% mehr Niederschläge erwartet, im Sommer rund 20% weniger.

Einbussen bei Wasserkraft…

Es braucht bis 2050 weniger Brennstoffe zum Heizen im Winter, dafür mehr Strom zum Kühlen im Sommer, so ein Fazit. Der Stromverbrauch für Klimaanlagen in Büros und anderen Dienstleistungsgebäuden wird um rund 200% steigen (heutiger Verbrauch mal drei) und der Stromverbrauch der Elektroapparate in den Haushalten wird wegen der Klimageräte um rund 10% zunehmen.

Doch das dürfte den Schweizer Energiehaushalt nicht aus der Balance werfen, denn insgesamt wird der Stromverbrauch «nur» um rund 6% zunehmen. Dies auch dank des reduzierten Stromverbrauchs der Elektroheizungen infolge wärmerer Winter. Der gesamte Energieverbrauch nimmt sogar um 3% ab.

Ins Zittern geraten kann dagegen das Wasserschloss Schweiz mit seinen vielen Stauseen und Flusskraftwerken, denn Wasserkraft deckt heute rund 60% der Elektrizitätsnachfrage ab. «Der Niederschlags-Rückgang wirkt sich direkt auf Wasserabfluss und Stromproduktion aus, die bis 2050 um 7% abnehmen», erklärt Aebischer gegenüber swissinfo.

… wie auch Atomkraft

Auch bei den Atomkraftwerken, die rund 40% der Elektrizität liefern, senken Hitze und Trockenheit die Produktivität. Weil die fünf Schweizer AKW mit Flusswasser gekühlt werden, steht ihnen wegen höheren Wassertemperaturen weniger Kühlleistung zur Verfügung. So musste im Hitzesommer 2003 die Stromproduktion während zweier Monate um einen Viertel gedrosselt werden, was aufs Jahr gesehen zu einer Einbusse von 4% führte.

Demgegenüber werden die Energieträger Windkraft und Biomasse – vor allem Holz – durch die Klimaerwärmung aufgewertet, sind sich die Experten einig. «Die neuen erneuerbaren Energien haben substanzielles Potenzial», so Bernard Aebischer. Ihr heutiger Anteil von 3% könne bis 2050 auf das Dreifache steigen, je höher ihr Anteil, desto besser.

Die grösste Bedeutung kommt dabei der Biomasse zu: Die Waldfläche nimmt tendenziell zu und ein wärmeres Klima dürfte das Wachstum der Bäume begünstigen. Landeten 2004 knapp 3 Mio. Kubikmeter in Öfen zur Raumheizung, kann es zur Jahrhundertmitte dreimal mehr sein.

Solaranlagen mit im Förderungs-Paket

Bei der Windenergie sind Prognosen schwieriger. Eine leichte Zunahme der durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten scheint möglich, was sich positiv auswirken würde. «Bei Extrem-Ereignissen wie Stürmen hingegen müssten diese
Anlagen abgeschaltet werden», schränkt Aebischer ein.

Die Fotovoltaik trägt heute marginale 0,03% zur Stromproduktion bei. Die erwartete Zunahme der Sonneneinstrahlung um 5% dürfte sich entsprechend in der Solarstromproduktion von 2050 niederschlagen.

Doch weniger die direkten Klimaeinflüsse als vielmehr die steigenden Energiepreise und die Klimaschutzstrategien der Politik sind es, welche den erneuerbaren Energien den grössten Schwung verleihen.

Gesparte Energie = beste Energie

Bei der CO2-Abgabe auf fossilen Treibstoffen blockt das Parlament zwar bisher noch ab. Doch bei der Förderung erneuerbarer Energien leitete der Ständerat jüngst ein energiepolitisches Tauwetter ein, indem die Standesvertreter die bisher vernachlässigte Solarenergie explizit in den jährlichen Förderkredit von 320 Mio. Franken aufnahmen. Damit setzte er ein deutliches Zeichen Richtung Nachhaltigkeit.

In ihrer neuen Energiepolitik setzt die Schweizer Regierung explizit auch auf die Energieeffizienz. «Wenn die Energienachfrage um 50% reduziert werden könnte, kann der Anteil der neuen erneuerbaren Energien nicht mehr 10 oder 20%, sondern 20 oder 40% betragen», so Aebischer.

Ob dann der verbleibende Strombedarf, der nicht mit Wasserkraft abgedeckt werden kann, aus Gas- oder Kernkraftwerken stammt, ist für ihn dann
sekundär.

swissinfo, Renat Künzi

Die Klimaänderung bewirkt eine Abkehr vom Heizen im Winter mit Brennstoff hin zum Kühlen im Sommer mit Strom.

Weil zunehmende Hitze und Trockenheit die Stromproduktion von Wasser- und Atomkraft senken, werden die neuen erneuerbaren Energien aus Biomasse (v.a. Holz) und Windkraft wichtiger.

Für den Aufschwung der erneuerbaren Energien sind aber weniger die direkten Einflüsse der Klimaerwärmung ausschlaggebend als wirtschaftliche Aspekte.

Dazu zählen insbesondere der voraussehbare Anstieg der Energiepreise durch die Verknappung der Erdölreserven und die wachsende Nachfrage.

Die Schweizer Energiepolitik muss einerseits gemäss Kyoto-Zielen möglichst klimaverträglich sein (geringer CO2-Ausstoss). Andererseits muss die Versorgung gesichert sein, wenn ab 2020 die ersten Atomkraftwerke vom Netz gehen (Ende der Betriebsdauer).

Laut Bundesamt für Energie steigt der Stromverbrauch bis 2050 um 33%.

Bundesrat und die bürgerlichen Parteien sprechen von einer sich abzeichnenden Versorgungslücke, die mit Gas- und neuen Atomkraftwerken geschlossen werden soll.

Sozialdemokraten und Grüne sind der Meinung, dass der Wegfall der Atomkraftwerke durch erneuerbare Energien und mehr Stromeffizienz aufgefangen werden kann. Sie haben eine entsprechende Initiative angekündigt.

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